Diskussion
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Die Konrad Adenauer Stiftung unterstützt weltweit soziale Marktwirtschaft und demokratische Entwicklung. Im Nahen Osten fördert die KAS zudem den Aufbau der Zivilgesellschaft. Diese Bemühungen unterstützt die KAS in Washington und organisiert transatlantische Dialogplattformen, um zu einer kohärenteren transatlantischen Strategie für den Nahen Osten beizutragen.
Vor diesem Hintergrund organisierte die Konrad Adenauer Stiftung Washington am 11. Juli 2011 eine Diskussionsrunde mit wissenschaftlichen Mitarbeitern des US-Kongresses, Vertretern verschiedener Think Tanks und Nichtregierungsorganisationen sowie Akademikern.
Den Hauptvortrag hielt der Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, Joseph Daul, MEP.
“Die Bedeutung des Jahres 1775 für die amerikanische Geschichte kann ohne weiteres mit der Bedeutung der Ereignisse der Jahre 1789, 1848 und 1989 für Europa verglichen werden. Diese Jahre sind uns noch heute in Erinnerung, weil sie symbolisch für die Rebellion einer unterdrückten Bevölkerung gegen ihre Tyrannen und gegen die Ungerechtigkeit stehen. Was auch immer der 'Arabische Frühling' kurzfristig mit sich bringen wird, dieses Kapitel der Geschichte ist noch nicht zu Ende", so Daul in seiner Rede (s. die komplette Ansprache in der Anlage).
Der darauf folgende Dialog zwischen den sieben Mitgliedern des Europäischen Parlaments und den zahlreichen US-Gesprächsteilnehmern wurde von Herrn Elmar Brok, Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, moderiert. Grund zur Sorge bereiteten dabei unter anderem die brutale Niederschlagung der friedlicher Demonstrationen durch Regierungstruppen in Syrien sowie die anhaltende militärische Auseinandersetzung in Libyen.
Syrien: Die Diskussion ging hier hauptsächlich der Frage nach, welche Position der Westen einnehmen sollte, wenn die syrische Regierung sich weiterhin weigern sollte, ihren Bürgern wirtschaftliche Stabilität und demokratische Reformen anzubieten. Die Gesprächsteilnehmer diskutierten für und wider der Doktrin der Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten eines Staaten. Wie sollte der Westen darauf reagieren, wenn die Regierungen einer Reihe von Staaten des Nahen Ostens die Sicherheit und das Wohlbefinden ihrer Staatsbürger nicht mehr garantieren, sondern stattdessen das Gegenteil der Fall sein würde? Besteht eine Pflicht des militärischen Eingreifens - wie in Libyen umgesetzt - oder gibt es die Möglichkeit, auf diplomatischem Wege und ohne militärische Gewalt, die Situation zu ändern? Hätte z.B. mehr Druck auf Russland und China ausgeübt werden sollen, um es dem UN-Sicherheitsrat zu erlauben, die Entwicklungen scharf verurteilen zu können? Gleichzeitig wurde auch die Sorge geäußert, was eine erfolgreiche Revolution für die christlichen und jüdischen Minderheiten bedeuten würde. Dabei wurde auf die Massenauswanderung von Christen aus dem Irak in den letzten Jahren verwiesen sowie auf die Zunahme an Spannung zwischen Christen und Muslimen in Ägypten.
Libyen: Bei der Diskussion ging es auch um die Frage der Intervention in Libyen, wobei einige Gesprächsteilnehmer den Einsatz befürworteten, um größeres Unheil (wie z.B. in Ruanda) abzuwenden. Andere wiederum verurteilten den Einsatz als ein Fehlschlag und verglichen ihn mit dem Irakkrieg von Präsident Bush. Dabei wurden auch die Auswirkungen des Kampfhandlungen auf die Zivilisten in Libyen angesprochen. Gleichzeitig wurde die Frage diskutiert, inwiefern eine lang anhaltende Auseinandersetzung nicht ein Zeichen für Stammesfehden sei. Die libyschen Rebellen wären möglicherweise weniger an Demokratie als an einem Ende der Amtszeit Gaddafis interessiert, um ihre eigene Macht zu konsolidieren. Gleichzeitig waren die Gesprächsteilnehmer sehr besorgt, dass ein Scheitern des Libyeneinsatzes bzw. der Verbleib Gaddafis im Amt zu einer humanitären und wirtschaftlichen Krise eskalieren würde, die Libyen zu einem zweiten Somalia verwandeln könnte. Eine solche Entwicklung und die damit verbundenen Flüchtlingsströme wären auch für Europa politisch und wirtschaftlich katastrophal.
Die Gesprächsteilnhmer waren sich einig, dass die Demokratiebewegung in Libyen nicht scheitern dürfte - unabhängig von der Frage, ob der Militäreinsatz die richtige Entscheidung war. Sollte der Westen nicht den Anstrengungen des libyschen Volkes helfen, so wäre dies sehr problemeatisch für den Anspruch und das Ansehen des Westens in Nahen Osten und würde eine auf Vertrauen basierende zukünftige Beziehung verhindern. Was der Nahe Osten jetzt erwarten würde wären Taten nicht Worte.
Schlussfolgerung: Die Gesprächsrunde endete mit einer Diskussion über die nächsten Schritte, die eingeschlagen werden sollten, um einerseits den jungen Demokratiebewegungen zu helfen ohne jedoch andererseits eine von ausländischen Fördermitteln und militärischem Eingreifen abhängige Nation herbeizuführen. Dabei wurde die Bedeutung des Handels als primäres Mittel gesehen, um wirtschatliche Entwicklung und demokratische Stabilität zu erleichtern. Gleichzeitig wurden Zweifel geäußert, inwiefern der Westen von außen die entscheidenden sozialen und politischen Veränderungen in den Gesellschaften des Nahes Ostens herbeiführen könne, die für eine demokratische Entwicklung der Gesellschaften Voraussetzung wären.
Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die wirtschaftliche Rezession in Ägypten und Tunesien wahrscheinlich zu neuen Flüchtlingswellen führen können. Einige Gesprächsteilnehmer wiesen deshalb darauf hin, dass die Entwicklungen im Nahen Osten nicht nur aus einer humanitären, sondern auch aus einer sicherheitspolitischen Perspektive betrachtet werden müßten.
Die Diskussionsteilnehmer verwiesen auch auf die einmalige Chance, die Europa und die USA jetzt hätten, um dem Nahen Osten ähnlich wie Osteuropa 1989 zu helfen, diese Gelegenheit des demokratischen Umbruchs zu nutzen und zu stabilen Demokratien zu werden. Dabei sollte der Westen jedoch die finanzielle Hilfe konditionieren und damit sicherstellen, dass diese Mitteln zweckgebunden, transparent und nachhaltig eingesetzt werden.