Veranstaltungsberichte
Moderiert von Matt Frei, dem Nachrichtensprecher der „BBC World News America“, diskutierten die Gäste insbesondere die aktuellen Entwicklungen in Ägypten und die akute Gefahr des internationalen Terrorismus.
Beide Redner stimmten darin überein, dass nur eine genaue Analyse der Gründe, die den Terrorismus antreiben, zu einer Lösung des Problems führen könne. Dazu wurde dem Publikum eine Reihe von interessanten Punkten und Beispielen dargelegt. Man war sich einig, dass die Armut und der wachsende Einfluss westlicher Medien in der islamischen Welt, massive Auswirkungen auf die steigende Zahl von Terroranschlägen weltweit hätten. Komplizierter war die Frage nach den Maßnahmen, die der Westen hierzu ergreifen solle. Die Gesprächsrunde war insgesamt eine äußerst informative Veranstaltung, die den anwesenden Gästen neben einigen neuen Erkenntnissen zur internationalen Sicherheitspolitik auch ein gutes Bild der ausgezeichneten deutsch-amerikanischen Beziehungen bot.
Nach einer kurzen Vorstellung der beiden Gäste zu Beginn der Veranstaltung leitete Frei das Gespräch zügig auf die aktuelle Situation in Ägypten über und bat die Gäste um eine persönliche Einschätzung der Ereignisse. General Scowcroft empfahl daraufhin, dass Ägypten sich zunächst beruhigen und stabilisieren müsse, bevor sich das Land von seiner aktuellen Position zu einer funktionierenden Demokratie bewegen könne. Die Ernennung des neuen Vizepräsidenten Omar Suleiman hielt der Amerikaner für einen klugen Schachzug, da dieser Respekt bei den Autoritäten des Landes und dem Militär genieße. Im Gegensatz zu anderen Kandidaten für Mubaraks Nachfolge, wie dem Friedensnobelpreisträger el Baradei, wisse Suleiman auch die nötige Unterstützung einer starken Organisation hinter sich, ohne die es nicht möglich sei, eine neue Regierung aufzubauen. Auf Freis Nachfrage hin, ob ein Rücktritt des Präsidenten nicht schon unvermeidlich geworden sei, war sich Scowcroft unsicher und sagte, er würde Mubarak zunächst dazu raten, nichts zu überstürzen. Daraufhin wollte General Schönbohm von seinem amerikanischen Kollegen wissen, wie er denn die Gefahr beurteile, dass mit den Protesten auch neuer Hass gegen die USA und Israel aufkommen könnte. Scowcroft erklärte, dass man die Situation kritisch beobachte, man sie aber nicht beeinflussen könne.
„Wir können ein Vorbild sein und die Verbreitung von Demokratie in der Welt vorantreiben, aber wir können Niemandem vorschreiben, wie sie ihr Land zu führen haben.“ (Scowcroft)
Scowcroft empfahl Israel ebenfalls die Ruhe zu bewahren und sich aus der Krise herauszuhalten. Er wies darauf hin, dass es der Bewegung in Ägypten vor allem an organisierten Gruppen fehle. Die Muslimbrüder seien die einzige dieser Art. Auf Freis Nachfrage, ob Al-Kaida in Ägypten nach einer erfolgreichen Revolution im Land an Einfluss gewinnen könne, wollte sich Scowcroft nicht festlegen. Schönbohm hingegen war sich sicher, dass eine islamistische Fraktion bei freien Wahlen nie eine Mehrheit erringen könnte, da Ägypten in den vergangenen Jahren selbst stark unter dem islamistischen Terror gelitten hatte. Beide Redner waren sich dennoch sicher, dass sich die Bewegung durchaus auch auf andere Staaten in der islamischen Welt ausbreiten könnte, da die Situation in vielen Ländern ähnlich sei. Viele junge Leute seien heute besser ausgebildet als je zuvor, doch der Arbeitsmarkt biete ihnen in ihrer Heimat keine Möglichkeiten.
Matt Frei wollte daraufhin von Scowcroft wissen, ob die die Kriege in Afghanistan und dem Irak einen Einfluss auf die aktuelle Entwicklung hätten. Scowcroft sah jedoch keinen Zusammenhang, da die Ägypter ein gebildetes Volk seien, deren aktueller Ruf nach Freiheit eine außergewöhnliche Entwicklung sei. Der US-Sicherheitsexperte stellte aber auch fest, dass der „War on Terror“ die Menschen in der arabischen Welt motiviere sich dem internationalen Terrorismus anzuschließen. Die Tatsache, dass die US-Armee im Irak und Afghanistan schon seit längerem keine weiteren Erfolge vermelden konnte, würde von den Terroristen als Sieg über die Amerikaner propagiert. Das könne einem Frieden zwischen den USA und der arabischen Welt nicht dienlich sein. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre z.B. ein Erfolg bei den Friedensverhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis. Er sagte allerdings auch, es sei die Verantwortung der westlichen Regierungen sicherzustellen, dass die Menschen verstehen, dass der „War on Terror“ nicht gleichzusetzen sei mit einem „War on Islam“. Angesprochen auf die Position Europas bezüglich der Situation in Ägypten, fragte Schönbohm zunächst: „Was ist denn Europa?“ weiter stellte er fest: „Wenn die EU mit einer gemeinsamen Stimme spricht, wer hört ihr denn dann zu?“ (Schönbohm)
Schönbohms Meinung nach, müssen die Regierungen auf das hören, was das Volk will, sofern sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollen. Daraufhin zog Matt Frei einen interessanten Vergleich: „Ähnliche Bewegungen gab es in der Vergangenheit auch in Europa, wie etwa Solidarnosc 1980, was schließlich zum Mauerfall 1989 führte oder den Prager Frühling 1968, der von der Sowjetunion gewaltsam niedergeschlagen wurde.“ Daraufhin richtete er die entscheidende Frage an die beiden Generäle: „Denken Sie die Entwicklung in Ägypten wird eher Solidarnosc oder ein Prager Frühling?“ (Frei)
Zu dieser Frage ließ sich allerdings keiner der beiden Experten zu einer eindeutigen Aussage verleiten. Während Scowcroft lediglich darauf verwies, dass man die Gründe für die Proteste beachten müsse, zeigte sich Schönbohm überrascht, dass in ähnlichen Ländern wie Algerien zu diesem Zeitpunkt noch keine Entwicklungen stattgefunden hätten. Dies ließ ihn zu dem Schluss gelangen, dass scheinbar noch nicht alle Länder der Region für eine Revolution bereit seien.
Im Anschluss an diese Gesprächsrunde konnte das Publikum Fragen an die beiden Generäle stellen. Die erste Stimme aus dem Saal griff noch einmal das Thema Ägypten auf und stellte zunächst klar, dass man die Muslimbrüder nicht in eine Schublade mit islamistischen Extremisten stecken dürfe. Sie seien eine islamisch-politische Organi-sation und keine Extremisten. Die an-schließende Frage bezog sich allerdings auf den Umgang der Amerikaner mit dem tatsächlichen Extremismus und welche Strategien die USA für die Handhabung der Gruppierungen hätten. Daraufhin unterstrich General Schönbohm, dass dies eine Frage der Qualität und nicht der Quantität sei. Es sei unwichtig aus welchen Ländern die Selbstmordattentäter kämen. Entscheidend sei, dass sie von Kindesbeinen an, zum Hass gegen den Westen erzogen wurden. Schönbohm brachte das Beispiel einer Familie in Pakistan, die für den Selbstmordanschlag ihres ältesten Sohnes umgerechnet $ 5 000 erhalten hatten und die nun auch für ihre anderen Kinder diesen Weg vorgesehen hätten und sie dahingehend erziehen. Daher seien nicht die berühmten Strippenzieher des Terrorismus die eigentliche Gefahr. Vielmehr seien es Familien wie diese, deren Not sie in eine derartige Lage versetzt. Der deutsche Generalleutnant sagte weiter: „Wir können diese Familien nicht beeinflussen, aber wir haben die Möglichkeit diejenigen zu beeinflussen, die die Situation dieser Familien verbessern können.“ (Schönbohm)
Ein weiterer Punkt sei der hausgemachte Terror. Hierfür gäbe es aber noch keine Antwort. Man könne sich nicht erklären was junge Deutsche oder Amerikaner dazu antreibt, sich dem Extremismus zu verschreiben. Auf das Nachhaken von Matt Frei, ob es denn dann überhaupt eine Chance für einen positiven Ausgang dieses Problems gäbe, antwortete General Scowcroft entschieden mit „Ja“. Man müsse lediglich he-rausfinden, was Menschen zu Terroristen mache. Scowcroft griff Schönbohms Beispiel mit Pakistan auf und erklärte, dass in diesen Ländern die Armut und der niedrige Bildungsstand den Menschen oft keine andere Wahl ließe, als sich einer Terrororganisation anzuschließen. Schönbohm stimmte mit dem amerikanischen Kollegen hier vollkommen überein und unterstrich, dass man nicht den Islam mit 9/11 gleichsetzen dürfe. Es gäbe auch islamische Länder von denen keine Gefahr ausginge. Es sei unsere Aufgabe herauszufinden, wo der Unterschied zwischen der Ausübung des Islam in diesen Nationen und anderen Ländern wie z.B. Pakistan bestünde. Weiter erläuterte Schönbohm, dass die Frustration der Menschen in diesen Ländern oftmals ein ausschlag-gebendes Argument sei. Die mehrfach angesprochene Kaschmirfrage sei in diesem Fall nur ein weiteres Symbol für den Frust, der sich in den Menschen aufstaut.
Die anschließende Frage aus dem Publikum zielte auf den größeren Rahmen ab, aus dem die Terrorgefahr in der arabischen Welt hervorginge. Ob es nicht sinnvoller sei zu erforschen, was den Hass in dieser Gegend antreibe, wenn man die Wurzel des Terrorismus finden wolle? Scowcroft verwies in seiner Antwort auf die Globalisierung und die mit ihr einhergehende Verbreitung westlicher Medien. Diese Entwicklung sei ein Angriff auf die traditionelle islamische Gesellschaft und deren Werte. Was sich z.B. in den USA über viele Jahrzehnte entwickelt hätte, trifft diese Gesellschaften heute innerhalb einer Generation. Es sei nur verständlich, dass diese Menschen sich bedroht fühlten und versuchen, ihre Werte und Traditionen zu verteidigen. Matt Frei erinnerte auch daran, dass insbesondere viele Jugendliche in der heutigen Zeit sich in einem Konflikt befänden zwischen den Traditionen ihrer Eltern und dem stetigen Einfluss des Westens. In diese Leere treten dann oft Organisationen wie Al-Kaida, die diesen Jugendlichen die Orientierung geben, die sie im Leben verloren haben.
Die letzte Frage des Abends bezog sich noch einmal auf die aktuelle Krise am Nil, wobei ein Zuhörer wissen wollte, welche Position die USA in der Krise einnehmen müsse. Scowcroft antwortete hierbei für viele überraschend: „We are not as smart as we think we are.“ und weiter: „Wir haben selbst genug Probleme im eigenen Land, die wir nicht in den Griff bekommen. Wir sollten erst einmal versuchen unsere eigenen Probleme zu lösen, bevor wir den Ägyptern sagen, was sie zu tun haben … Wir können uns nicht in einen anderen Kulturkreis einmischen, wenn wir sogar Probleme haben unsere eigene Kultur zu verstehen. Unser größtes Problem ist, dass wir selbst die Erwartungen an uns stellen, alles alleine lösen zu wollen, weil wir einfach überall sind.“ (Scowcroft)
„Wäre das nicht ein deutliches Signal für die USA ein wenig kürzer zu treten?“ (Frei)
„Das versuchen wir ja.“ (Scowcroft)