Veranstaltungsberichte
Die deutsche Energiewende wird in Nordamerika nach wie vor mit großem Interesse verfolgt, denn Klima- und Energiepolitik rücken auch hier vermehrt in den Fokus politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsträger. Bisher seien die hauptsächlichen energiepolitischen Interessen jedoch unterschiedlich motiviert: Während für Europäer Energie im Kontext von Klima- und Umweltfragen gesehen wird, sei diese in den USA auch ein wichtiges Thema der nationalen Sicherheit.
Die erste Station in Brüssel diente als Auftakt, um in das Thema der EU-weiten Energiepolitik einzuführen. Bei einem Besuch der EU Kommission wurden den Delegationsteilnehmern die neuen EU-weiten Richtlinien für 2030 vorgestellt und die Herausforderungen bei der Schaffung einer einheitlichen Energiepolitik dargelegt. Als Beispiel einer nicht einheitlichen energiepolitischen Regelung wurde die Schiefergasgewinnung angeführt. Diese sei nach dem Subsidiaritätsprinzip geregelt und ist z.B. in Deutschland eine Angelegenheit der einzelnen Bundesländer.
In Brüssel gab es die Gelegenheit, mit sowohl europäischen als auch amerikanischen Regierungs- und Industrievertretern sowie einem Energieexperten der NATO Gespräche zu führen. Bei einem Runden Tisch im Büro der KAS Brüssel wurde die Notwendigkeit der Anpassung des Stromnetzes an eine klimafreundliche Energiepolitik betont. Ein Industrievertreter hob hervor, dass nachdem man sich erfolgreich dem Themenfeld erneuerbarer Energien gewidmet hat, man sich nun auf den Ausbau des Stromnetzes konzentriere sollte. Diese Netze müssten grenzüberschreitend ausgebaut und modernisiert werden, damit langfristig ein einheitlicher Energiemarkt entstehen könne.
Ein wichtiges Gespräch in Brüssel fand mit einem Energieexperten der NATO statt. Bei diesem wurde deutlich, dass Energiesicherheit auch die Agenda der NATO ist, weshalb 2010 auf dem NATO-Gipfel in Lissabon die Emerging Security Challenges Division gegründet wurde.
In Berlin gab es eine Diskussionsrunde mit Bundestagsabgeordneten der CDU zum Thema der Umsetzung der Energiewende. Obwohl die Koalitionsverhandlungen zu diesem Zeitpunkt noch liefen, war bereits abzusehen, dass die Energiewende aufgrund der breiten Unterstützung der Bevölkerung unter einer Großen Koalition vorangetrieben würde. Gegenüber den Bundestags-abgeordneten würdigten die amerikanischen Teilnehmer den Erfolg der Energiewende und betonten, wie sehr der Mittlere Westen in den USA von den klimafreundlichen Lösungen in Deutschland lernen kann. Während der Diskussion wiesen die Politiker auch darauf hin, dass der Wechsel zu erneuerbaren Energien nicht ohne Hürden sei. Der Übergang von nuklearen und konventionellen Kraftwerken auf klimafreundliche Energien sei aufgrund aktuell hoher Kosten, unzureichender Stromtrassen sowie aufgrund des Bedarfs an im Fall von Stromengpässen vorhandenen Energiereserven anspruchsvoll.
Bei Gesprächen mit Vertretern aus der deutschen Industrie im Haus der Deutschen Wirtschaft konnten diese ihre Sichtweite auf die Energiewende darlegen. Die Industrievertreter hoben hervor, dass sie eine gemeinsame europäische Energiestrategie, bei der sich Deutschland mit seinen Nachbarländern koordiniere, befürworten würden. Den Delegationsteilnehmern wurde bei den Gesprächen mit den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) noch einmal vor Augen geführt, dass die Energiewende grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird, obwohl es Anpassungsbedarf gäbe.
Eine ähnliche Diskussionsrunde fand in der Akademie Berlin der Konrad-Adenauer-Stiftung statt. Neben den Energieexperten der Konrad- Adenauer-Stiftung waren Vertreter der Bundes-netzagentur, des Wirtschaftsrates der CDU und des Think Tanks Third Generation Environ-mentalism - E3G eingeladen. Die wichtigsten Themen wie Netzausbau, Versorgungssicherheit und die Umsetzung des Erneuerbaren Energie Gesetzes, EEG, sorgten für einen regen Austausch zwischen Delegationsteilnehmern und Panelisten. Die US-amerikanischen Teilnehmer legten einen besonderen Fokus auf das Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und klimafreundlicher Energiepolitik, da eine subventionsge-steuerte Politik in den USA in dieser Form gegenwärtig nicht möglich wäre. Es wuchs zugleich die Einsicht der US-Teilnehmer, dass auch wenn der Umbau zu einer auf erneuerbaren Energien basierenden Stromversorgung in den kommenden Jahren noch Mehrkosten nach sich zieht, es langfristig zu deutlichen Kosteneinsparungen kommt. Dies würde auch den Umstieg wirtschaftlich rechtfertigen.
Das letzte Ziel der Delegationsreise war mit Leipzig und Umgebung eines der Zentren der deutschen Braunkohleindustrie. Kohlekraftwerke waren für die Delegationsteilnehmer von besonderem Interesse, da Kohle in den USA eine sehr wichtige Energiequelle darstellt. Der Besuch des Kraftwerks Lippendorf sowie das Gespräch mit der Unternehmensleitung zeigten die Bedeutung der Energie aus Kohle für die Energiewende. Hier wurde noch einmal verdeutlicht, dass es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien naturgemäß zu höheren Schwankungen im Stromnetz kommt, da der Wind nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint. Aus diesem Grund werden mittelfristig Kohlekraftwerke eine wichtige Rolle im Energiemix spielen.
Die Delegationsteilnehmer besuchten den Ort Feldheim im Landkreis Potsdam-Mittelmark, das erste energieautarke Dorf der Bundesrepublik. Hier konnten die Teilnehmer einen direkten Einblick in den Einsatz erneuerbarer Energien und die Förderung wirtschaftlicher Potentiale in ländlichen Regionen sammeln. Besichtigt wurden zur Demonstration Anlagen wie das Holzhackschnitzel-Heizwerk, die Biogasanlage sowie der Windpark und seine Anlagen-technik. Die amerikanischen Teilnehmer waren beeindruckt, dass eine 100-prozentige Stromversorgung aus erneuerbaren Energien sowie eine Wärmeversorgung über das örtliche Nahwärmenetz, welches über die Abwärme der Biogasanlage läuft, möglich sind. Der Fakt, ohne Strom-Speicherung und gleichzeitig nicht am Stromnetz angebunden zu sein, beeindruckte die amerikanischen Teilnehmer.
Eine der am häufigsten gestellten Fragen der Delegationsteilnehmer an ihre Gesprächspartner war, wie der steigende Anteil erneuerbarer Energien mit der notwendigen Stromspeicherung abgesichert werden kann. Bei einer Diskussionsrunde der Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft (VNG) in Leipzig wurde deutlich, dass künftig mehr in die Entwicklungen neuer Technologien der Stromspeicherung investiert werden müsse. Bis dahin müsse ein Fokus auf Gas- bzw. Kohlekraftwerken liegen. Der europäische Gasmarkt würde langfristig, trotz des aktuell deutlich niedrigeren Kohlepreises, wegen der geringeren Klimabelastung an Bedeutung zunehmen.
Eine erste konkrete Wirkung hatte die Delegationsreise bereits gehabt: Auf einer wichtigen Internet-Platform zu Energiefragen, Midwest Energy News, wurde ein ausführlicher Bericht über die Eindrücke der Teilnehmer zur deutschen Energiewende veröffentlicht – „In Germany, Chicago Energy Experts find Lessons for Midwest“ (erschienen am 2.12.2013). Des Weiteren bekam einer der Teilnehmerinnen kurz nach der Rückkehr eine führende Position im Bereich globaler Energie bei The Chicago Council for Global Affairs, einer neu geschaffenen Abteilung beim Chicago Council. Die Konrad-Adenauer-Stiftung wird auch weiterhin eng mit ihr zusammenarbeiten, um das nun aufgebaute Netzwerk im Mittleren Westen zu pflegen.
Die transatlantische Studienreise regte die US-Teilnehmer zum Nachdenken über viele Aspekte einer klimafreundlichen Energiepolitik an, die so parteiübergreifend in der amerikanischen Öffentlichkeit derzeit nur schwer Akzeptanz finden würde. Sie hat dazu beigetragen, den Delegations-teilnehmern energiepolitische und wirtschaftliche Zusammenhänge innerhalb Deutschlands und der EU näher zu bringen und Anregungen für potentielle Lösungswege für Nachhaltigkeit in der Energiepolitik im nordamerikanischen Raum zu geben. Die Konrad-Adenauer-Stiftung versucht, mit Projekten wie diesem zu einem Umdenken in US-Gesellschaft und Politik beizutragen, da auch in den USA ein wachsendes Interesse an nachhaltiger Energiepolitik und den globalen Auswirkungen des Klimawandels besteht. Ein stärkerer Austausch über Energiefragen wird in Zukunft ein wichtiges Anliegen der Chicago Council sein. Anstoß dafür war nicht zuletzt die gemeinsame Delegationsreise.