Veranstaltungsberichte
Die gegenwärtig größte terroristische Bedrohung in Deutschland ist der Islamismus. Anders als beim NSU oder vor noch längerer Zeit bei der RAF sind gewaltbereite Salafisten, also Anhänger der extremsten islamistischen Ideologie, keiner Terrorgruppe zuzuordnen, gegen die ermittelt werden kann, sondern sie sind Einzeltäter. Somit sind die Sicherheitsbedrohungen ungeordneter geworden, das merken auch die Behörden von Polizei bis Verfassungsschutz. Dr. Hans-Georg Maaßen bezeichnete den Salafismus als eine Bewegung, die man beobachten müsse. Derzeit leben 9700 Salafisten in Deutschland, die Zahl ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Auch wenn die Vermutung nahe liegt, schließt Dr. Maaßen einen Zusammenhang mit dem Flüchtlingsstrom aus. Stattdessen hätte die Bewegung mit Personen wie Sven Lau oder Pierre Vogel eine effektivere Akquirierungsstrategie entwickelt. Unter den seit 2015 eingereisten Flüchtlingen hätte man 20 bekannte Mitglieder des so genannten Islamischen Staats identifiziert und überführt.
Dass dem Salafismus im rechtlichen Rahmen klare Grenzen gesetzt werden müssen, darüber waren sich alle Anwesenden einig. Auch der Moderator des Abends, der parlamentarische Staatssekretär Jens Spahn MdB, unterstütze dies mit der Forderung nach eigenen Strukturen des Islams in Europa, der sich an freiheitliche und europäische Werte halten müsse, um extremistisches Gedankengut zu bekämpfen. Arabische Investoren oder ausländisch finanzierte Gemeinden dürften den hiesigen Islam nicht verfassungsfeindlich beeinflussen. "So wie ein Islam in Indonesien aufgrund der dortigen Strukturen anders ist als in Pakistan, so muss auch ein Islam in Europa anders sein als in Syrien.", so Spahn.
Auch der für den Anschlag am Berliner Breitscheitplatz verantwortliche Attentäter Anis Amri war Teil der Diskussion. Anschuldigungen, der Verfassungsschutz hätte im Fall Amri versagt, wies Dr. Maaßen vehement zurück. Seine Behörde habe sich im rechtlichen Rahmen bewegt. Des Weiteren sei Anis Amri ein Polizeifall gewesen. Über Monate hinweg habe die Polizei Amris Kommunikationsprotokolle ausgewertet, doch sei leider auf keine Hinweise gestoßen, die ihn als islamistisch motivierten Attentäter enttarnt hätten. Laut §129a des Strafgesetzbuches muss die Mitgliedschaft oder ideologische Zugehörigkeit einer terroristischen Vereinigung zweifelsfrei bewiesen sein, um den Verdächtigen anklagen und in Gewahrsam nehmen zu können. Die gesammelten Hinweise hätten nicht ausgereicht, um Amri zu überführen.
''"Eine gute Verständigung unter den Sicherheitsbehörden ist das A und O der Terrorbekämpfung."'' - Dr. Hans-Georg Maaßen
Dr. Hans-Georg Maaßen gab den anwesenden Gästen einen Einblick in die Arbeit seiner Behörde, die sich sonst der öffentlichen Aufmerksamkeit entzieht. So hätte die investigative Arbeit seiner Mitarbeiter in jüngster Zeit viele gewaltbereite Islamisten rechtzeitig "aus dem Verkehr ziehen können". Die Arbeit des Inlandsgeheimdienstes sei jedoch auf eine gute Kommunikation unter den Sicherheitsbehörden angewiesen. Das gemeinsame Terrorabwehrzentrum in Berlin gebe die nötigen Rahmenbedingungen für eine Verständigung und einen Austausch über potentielle Gefährder. Auch die 16 Landesämter für Verfassungsschutz müssten bedenken, dass die im jeweiligen Bundesland agierenden Islamisten auch über die Landesgrenzen hinaus eine Gefahr darstellen. Als Beispiel verwiesen Spahn und Maaßen auf die grausamen bundesweiten Attentate des NSU. Eine in den Medien spekulierte Zentralisierung des Verfassungsschutzes laufe Gefahr, regionale Entwicklungen zu übersehen.
Die Kommunikation auf europäischer Ebene unter den Geheimdiensten sei vertrauensvoll, so Maaßen. Auch die amerikanischen Behörden würden ernstzunehmende Hinweise über potentielle Brandherde liefern. Man sei den Partnern der westlichen Welt dankbar für das gemeinsame Bekämpfen von Bewegungen, die das westliche und somit auch deutsche Werteverständnis untergraben wollen.
Die inländischen Sicherheitsbehörden könnten mit gemeinsamen Datenbanken und gegenseitiger Rückendeckung am effektivsten arbeiten, beteuerte Dr. Maaßen.
Auf Nachfrage des parl. Staatssekretärs Spahn formulierte er klare Forderungen. Er wünsche sich neben der Ausweitung des Kompetenzbereichs seiner Behörde und einem leichteren Zugriff auf Personendatenbanken mehr Personal. Observationen im großen Stil würden teils einen Personalaufwand von bis zu 150 Mitarbeitern und mehreren tausend Arbeitsstunden in Anspruch nehmen. Außerdem sei es an der Zeit auf biometrische Gesichtsprofile zugreifen zu können, um Gefährder zu identifizieren. Die teils durch den Personalausweis gespeicherten Fingerabdrücke würden dem Inlandsgeheimdienst in keiner Weise helfen.
Rückendeckung durch die Politik und die Medien würde den Bürgerinnen und Bürgern seiner Behörde gegenüber mehr Vertrauen entgegen bringen.
Die Leitfrage der Veranstaltung "Wie geht Sicherheit in unsicheren Zeiten?" wurde abschließend beantwortet. Das Ausmaß der zu rechtfertigen Eingriffe der Sicherheitsbehörden in Bereiche, die dem Datenschutz unterliegen, hängt von der derzeitigen Sicherheitslage ab. Deutschland ist kein hochgradig gefährdetes Land, aber Anschläge können nur durch eine effektive Arbeit der zuständigen Behörden verhindert werden. Dazu muss ihnen der Lage entsprechend das nötige Werkzeug gereicht werden. Der Bereitschaft und Zustimmung der Bevölkerung ist sich Dr. Hans-Georg Maaßen sicher. Das sehe man schon an den immer weiter verbreiten Flughafenscanner. Die Deutschen würden lieber sicher und friedlich leben wollen und Eingriffe in das derzeit geltende Datenschutzgesetz aufgrund der Entwicklungen in Kauf nehmen, so Dr. Maaßen.
Die Präventionsarbeit gegen den Islamsimus, die nicht in den Aufgabenbereich des Geheimdienstes sondern der Politik fällt, muss ebenso unterstützt werden, wie dies schon gegen Rechtsextremismus gang und gebe ist. Um Deutschland vor weiteren Terroranschlägen zu schützen, müssen Politik, Behörden und Bürger gemeinsam arbeiten, um unsere größten Güter von Einigkeit und Recht und Freiheit zu schützen.
Wer in seinem Bekanntenkreis Auffälligkeiten wahrnimmt, die einen extremistischen Hintergrund vermuten lassen, kann sich vertrauensvoll und anonym an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter der kostenlosen Beratungs-Hotline 0911 943 43 43 wenden.