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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. / Marie-Lisa Noltenius

Veranstaltungsberichte

„Wir entscheiden in der Demokratie“

Forum 20. Juli 1944 mit einem Appell, Verantwortung zu übernehmen: Die Widerständler zeigen uns, „dass wir immer eine Wahl haben“

Im Mittelpunkt des diesjährigen Forums, das in diesem Jahr zum zehnten Mal stattfand, standen 75 Jahre nach den Ereignissen vom 20. Juli 1944 nicht nur die historischen Umstände der Tat Stauffenbergs und seiner Mitstreiter, sondern vielmehr auch die Frage nach deren Bedeutung für Gegenwart und Zukunft. Als Gastredner appellierte Bundespräsident a.D. Joachim Gauck an das Verantwortungsbewusstsein aller Bürger.

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„Die deprimierende Erfolglosigkeit des Unterfangens, Hitler auszuschalten, warf lange Schatten auf die Vertreter des deutschen Widerstandes, die in nahezu aussichtsloser Lage unternahmen, was Moral und Selbstachtung geboten. Die heute unbestrittene Bedeutung ihres Handelns lehrt und mahnt uns aber: Freiheitskämpfe verdienen nicht nur dann und erst dann Respekt, wenn sie erfolgreich waren, sondern immer dann, wenn sie stattfinden.“ Das hob Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, in seiner Ansprache zur Eröffnung einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Stiftung 20. Juli 1944 im Rahmen der Reihe „Forum 20. Juli 1944 – Vermächtnis und Zukunftsauftrag“ hervor. Im Mittelpunkt der diesjährigen Veranstaltung, die in diesem Jahr zum zehnten Mal stattfand, standen 75 Jahre nach den Ereignissen vom 20. Juli 1944 nicht nur die historischen Umstände der Tat Stauffenbergs und seiner Mitstreiter, sondern vielmehr auch die Frage nach deren Bedeutung für Gegenwart und Zukunft.

Auch mit Blick auf das mehrheitliche junge Publikum der Veranstaltung unterstrich Lammert die Bedeutung in der heutigen Auseinandersetzung mit dem Erbe des Widerstands, vor allem weil aktuell auch in Europa wieder eine „Faszination für autoritäre Regime“ zu beobachten sei. Lammert stellte die Veranstaltung in den Kontext aktueller zeithistorischer Jubiläen, wie des 100. Jahrestags der Gründung der Weimarer Republik. Die Erinnerung an das Scheitern Weimars und die Beschäftigung mit dem Widerstand im „Dritten Reich“ mache sehr deutlich, so Lammerts eindringlicher Appell an die Teilnehmer, dass Demokratie weder ein „Naturzustand“ noch „für alle Zeiten gesichert“ sei.

Das Andenken und die Vergegenwärtigung des Widerstands „in die zukünftigen Generationen hineinzutragen“ sei das Anliegen der Stiftung 20. Juli 1944, betonte auch der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Prof. Robert von Steinau-Steinrück. Es ginge dabei nicht darum, die Männer und Frauen des 20. Juli 1944 „zu Helden auf Sockeln zu erklären“, noch sei ein schwarz-weiß-Beurteilungssystem für den Widerstand überhaupt sinnvoll, bemerkte von Steinau-Steinrück kritisch im Hinblick auf aktuelle Publikationen, die Stauffenberg vorwerfen, dieser sei nicht „mit dem Grundgesetz unter dem Arm“ zur Tat angetreten. Wesentlich sei, dass die Vergegenwärtigung des Widerstands zur staatsbürgerlichen Bildung beitrage, denn: „Die Beschäftigung mit den Umständen und der Haltung der Beteiligten dient heute der rechtsstaatlichen Selbstvergewisserung.“

 

„Es ist eine wunderbare Gabe, dass wir zur Verantwortung fähig sind“

Auch der Vortrag von Dr. h.c. Joachim Gauck, Bundespräsident a.D., kreiste um die Frage des pädagogischen Auftrags, der das Attentat, trotz seines Scheiterns, beinhaltet. Es gehe heute darum zu fragen, „welcher Funke entzündet der Mut der Widerständler in mir, welche Schwäche hilft er zu minimieren“? Auch in der Demokratie neigten die Menschen dazu, meinte er, sich „für nicht zuständig zu erklären“, Verantwortung „nach oben“ zu delegieren, denn im Gestus der Ohnmacht liege auch etwas Verführerisches: „Menschen empfinden neben der Sehnsucht auch Furcht vor der Freiheit“, stellte Gauck fest. Auf der Basis seiner eigenen Lebenserfahrung in der DDR schilderte er, wie schwierig es sein könne, mutig zu handeln und Verantwortung zu übernehmen, mitunter auch „gegen den Mainstream zu schwimmen“. „Auch in einer Diktatur, die keine Konzentrationslager hat, lernt man, sich an Ohnmacht zu gewöhnen“, so Gaucks Mahnung. Umso wichtiger sei es für die Bürger der Bundesrepublik, die das Glück haben in einer freien Gesellschaft zu leben, Verantwortung zu übernehmen, sei es im Beruf oder durch politisches Engagement. „Wir entscheiden in der Demokratie, wir sind die Bestimmer“, so Gaucks Fazit. Die Widerständler des 20. Juli sollten in uns „das Gefühl wachrufen, dass wir immer eine Wahl haben, auch wenn wir nicht alle zum Märtyrer geboren sind.“ Schließlich hätten wir „immer eine Wahl, das weniger Schlechte, das etwas Bessere, das etwas Menschlichere, das etwas Mutigere zu tun und darauf zu verzichten, den einfachen Weg in eine bequeme Ohnmacht zu gehen“.

 

„Wir müssen wissen, wer wir sind, was unsere Werte sind“

In der anschließenden Podiumsdebatte diskutierte Gauck mit Annette von Schlabrendorff, Mitglied des Vorstands der Stiftung 20. Juli 1944, Leutnant zur See Nariman Hammouti-Reinke sowie Lilly Anacker und Jesko von Bernuth, Schülern des Willy-Graf-Gymnasiums beziehungsweise der Sophie-Scholl-Schule. Zahlreiche Schülerinnen und Schüler dieser Schulen sowie des Gymnasiums Steglitz und des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner waren in diesem Jahr erstmals gezielt zu der Veranstaltung eingeladen worden und hatten bereits am Nachmittag Gelegenheit, an einem durch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand organisierten Workshop teilzunehmen. Die Leitfrage der Diskussion, sagte dann auch Dr. Michael Borchard, der Leiter der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste der Konrad-Adenauer-Stiftung, solle nicht lauten, „was hätte ich damals getan“, sondern „was kann ich heute tun“. Dabei wurde deutlich, dass Schulen und Bildungssysteme einen Beitrag leisten können und müssen, um das Freiheitsbewusstsein und den Mut von Schülern und Bürgern zu bestärken. Schule solle vor allem „dazu beitragen, dass man Haltung entwickelt“, betonte Schlabrendorff. Die Aufgabe der Lehrer sei es dabei, Geschichten zu erzählen und Interesse zu wecken und damit etwa auch die Erinnerung an den Widerstand lebendig zu halten. Dies bejahten auch Anacker und Bernuth. Beide wünschten sich einen Unterricht, der sie persönlich anspricht und die Lebenserfahrung der Schüler in den Blick nimmt. Aus Sicht einer Soldatin mit „Migrationshintergrund“, wie sie sagte, äußerte sich Hammouti-Reinke zur Bedeutung von Werten und damit auch zur Bedeutung der Erinnerung an den Widerstand. Als wichtigsten Wert nannte Hammouti-Reinke dabei das Recht, insbesondere das Grundgesetz, das den Einsatz und das Handeln der Streitkräfte heute legitimiere. In der Praxis schließt dies auch die Möglichkeit zur Befehlsverweigerung ein, denn „wenn ein Befehl heute eine Straftat beinhaltet, muss der Soldat nicht gehorchen“.

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