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Länderberichte

Gipfeltreffen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Duschanbe

von Dr. Thomas Kunze, Marius Mortsiefer

Ausbau der gemeinsamen Plattform wird vorangetrieben

Am 12. und 13. September 2014 fand in Duschanbe das 13. Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) statt. Neben sicherheitspolitischen Fragen und Verhandlungen über die Intensivierung der ökonomischen Zusammenarbeit stand vor allem der Aufnahmeprozess neuer Mitgliedsstaaten, darunter Indien und Pakistan, auf der Agenda der Versammlung.

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Zwar wird die Organisation von Russland und China dominiert, die die SOZ gerade dazu nutzen, ihren Einfluss auf ihre zentralasiatischen Nachbarländer auszuweiten. Doch sie treiben auch den Ausbau der gemeinsamen Plattform voran, von der sie sich Unterstützung in der Terrorbekämpfung und wirtschaftliche Impulse erhoffen. Insbesondere der drohende Stabilitätsverlust in Afghanistan durch den ISAF-Abzug Ende 2014 eint dabei die sicherheitspolitischen Interessen der zentralasiatischen Staaten sowie anderer Mitglied- und Beobachterstaaten.

Durch das aktuell von Spannungen beladene Verhältnis zwischen der NATO und Russland gewinnt die SOZ-Politik an Brisanz. Schon aufgrund der großen Bevölkerungszahlen der Länder der SOZ entwickelt sich die Organisation zunehmend zu einem wichtigen Player. Momentan repräsentiert die SOZ ein Viertel der Weltbevölkerung. Sollten alle Beobachterstaaten aufgenommen werden, würde gar die Hälfte aller auf der Erde lebenden Menschen in der Organisation vertreten werden. Zusätzlich würde die Gruppe 20 Prozent aller weltweiten Öl- und 50 Prozent der Gasvorräte kontrollieren. Wie bei diesem Gipfel jedoch erneut unter Beweis gestellt wurde, erhält die SOZ trotz dieser Ziffern und gemeinsamer Militärübungen nur geringe Beachtung in den westlichen Medien.

Ihren Anfang nahm die SOZ 2001, als sie aus der Vorläuferorganisation „Shanghai five“ hervorging. Die Gründungsmitglieder waren Russland, China, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan. Zu den offiziellen Zielen der Organisation gehören die Stärkung des Vertrauens unter den Mitgliedstaaten, Gewährleistung von Frieden und Stabilität in der Region sowie eine engere ökonomische und technische Zusammenarbeit. Die Mitgliedsstaaten eint die allseitige Besorgnis gegenüber extremistisch-terroristischen Bewegungen in Zentralasien und Afghanistan. Durch den Abzug des westlichen Militärs entstehen neue Gefahrenpotenziale, denen die Nachbarstaaten nur in regionalen Bündnissen effektiv entgegentreten können. In Taschkent wurde ein Antiterror-Zentrum der SOZ-Staaten geschaffen, außerdem führen die Mitgliedsländer gemeinsam Anti-Terror-Militärmanöver durch.

Für Russland und China bietet die Organisation nicht zuletzt eine Option, ihren Einfluss in Zentralasien zu vergrößern und politische sowie wirtschaftliche Abhängigkeiten zu schaffen. Während in den letzten Jahren die russische Rolle in der Region zurückgedrängt wurde und China eine dominantere Position einnahm, diente die SOZ aber auch dazu, regionale Interessen auszugleichen. Zentralasien erweist sich als für beide Staaten strategisch bedeutsam. So fühlt sich Moskau zunehmend durch die NATO und die EU an seiner westlichen Grenze bedroht. Gleichzeitig beäugt Peking die Präsenz der USA und ihrer regionalen Verbündeten Japan und der Philippinen äußerst kritisch. Aufgrund dieses äußeren Drucks hegen beide Länder den Wunsch, eine ausgewogene Situation in Zentralasien herzustellen und die erneute Installierung amerikanischer Militärbasen zu verhindern. Stabilität entspricht zudem ganz ihren wirtschaftlichen Interessen, die auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen sind.

Als für die internationale Gemeinschaft bedeutsamstes Ergebnis stellte sich die angekündigte Erweiterung des Mitgliederkreises der SOZ dar. Gerade durch die Gewinnung neuer Mitgliedstaaten sollen der Anti-Terrorkampf und die Sicherheit in der Region gestärkt werden, ließ ein chinesischer Offizieller verlautbaren . Während der Iran und Pakistan ihre Mitgliedschaft bereits beantragt hatten, reichte nun auch Indien seinen Antrag auf Vollmitgliedschaft ein. Wie SOZ-Diplomaten bekannt gaben, können vor allem Indien und Pakistan mit einem zügigen Beitritt rechnen. Diese werden vermutlich schon beim nächsten Gipfel im Jahr 2015 in die Organisation aufgenommen. Da SOZ-Regeln von UN-Sanktionen betroffene Länder von der Mitgliedschaft ausschließen, wurde die Aufnahme des Iran bis auf Weiteres verschoben. Da sicherheitspolitische Interessen die treibende Kraft zur Zusammenarbeit darstellen, beruhte ein Augenmerk des multilateralen Austausches auf der Terrorismusbekämpfung. Auch China als dominierende Kraft der Organisation fürchtet religiösen Extremismus in seinen östlichen Provinzen und Nachbarstaaten. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping unterstrich auf dem Gipfeltreffen daher die Wichtigkeit beständiger Konsultationen und verfolgt damit das Ziel, dass von der SOZ geführte regionale Akteure Stabilität sicherstellen, um ein Eingreifen überregionaler Akteure, wie der USA, überflüssig zu machen.

Bezüglich des labilen Sicherheitszustandes Afghanistans ließen die Gipfel-Teilnehmer verlauten, dass sie einen afghanischen Aufbau- und Versöhnungsprozess mit allen Mitteln unterstützen werden, sodass das Land in absehbarer Zeit selbständig Stabilität gewährleisten könne. Dies entspricht ganz der auch auf früheren Gipfeln hervorgehobenen Absicht, „eine größere Rolle in Afghanistans friedlichem Aufbau zu spielen“. Weitere Einigkeit konnte mit der ablehnenden Haltung gegenüber einer Ausdehnung von Raketenabwehrsystemen erzielt werden. Derartige unilaterale militärische Projekte würden die internationale Sicherheitssituation unterminieren. Vor allem Russland und China fühlen sich durch Pläne, derartige Abwehrsysteme in ihren US-verbündeten Nachbarstaaten zu installieren, bedroht. Auch die aktuelle Krise in der Ostukraine fand Erwähnung auf dem Gipfeltreffen. Trotz verbreiteten Unbehagens gerade unter den zentralasiatischen Staaten hinsichtlich des russischen Vorgehens mit seinem Nachbarland, sahen die anwesenden Staatsoberhäupter von Kritik an der russischen Führung ab und betonten die Wichtigkeit, den Verhandlungsprozess in der Ukraine fortzusetzen, um einen Ausgleich zwischen den Konfliktparteien zu finden. Nicht zuletzt wurde die Intensivierung wirtschaftlicher Kooperationen angeregt. Insbesondere im Zuge des chinesischen Werbens um einen „Wirtschaftsgürtel Seidenstraße“ wird die ökonomische Integration der SOZ mehr und mehr in den Vordergrund gerückt. So verhandelten am Rande des Gipfels China, Russland und die Mongolei bereits konkret über einen Ausbau des Straßen- und Schienenverkehrs sowie eine vereinfachte Zollabfertigung. Langfristig streben einige Mitgliedstaaten eine solche Entwicklung für den gesamten SOZ-Raum an. Als Ort des nächsten Treffens wurde das russische Ufa, Hauptstadt der Republik Baschkortistan, bestimmt. Damit wird Russland nun nach Tadschikistan den Vorsitz der Organisation für ein Jahr übernehmen.

Die Mitgliedstaaten der SOZ zeigen eine ablehnende Haltung gegenüber den vom Westen dominierten Institutionen, sei es die Weltbank oder der IWF. Die Herangehensweise des Westens an internationale Angelegenheiten nehmen sie als monopolistisch und als politisches Diktat war, dem sie eine institutionalisierte Alternative entgegensetzen wollen. Gerade im Zusammenhang mit den gemeinsam durchgeführten Militärmanövern wurde sie im Westen daher bereits öfters als Anti-NATO-Organisation angesehen. Zumeist wird ihr dabei mehr eine anti-US-amerikanische als eine grundsätzlich anti-westliche Haltung attestiert.

Gegen eine solche Motivation spricht jedoch, dass die Zusammenarbeit auch auf ökonomischen Verflechtungen und einem Sicherheitsinteresse vor allem in Zentralasien basiert. Dabei besteht das Feindbild vor allem aus religiösen Extremisten und Separatisten. Der chinesische Ministerpräsident betonte, dass es sich vielmehr um ein gänzlich neues Modell internationaler Beziehungen handle – Partnerschaft anstelle von Allianz. Immer wieder wird von den Mitgliedstaaten die neue Organisationsform in Abgrenzung zu bestehenden Staatenbündnissen hervorgehoben. Angesichts der leitenden Funktion Chinas und Russlands ist dieser neue kooperative Umgang bislang jedoch verschleiert geblieben.

Welchen Einfluss die SOZ tatsächlich auszuüben in der Lage ist, bleibt derweil ungewiss. Bislang wird die Integration vor allem durch Absichtserklärungen vorangetrieben und es bleibt offen, wie viele Ressourcen die Mitgliedstaaten bereit sind, in die Kooperation zu investieren. Als hinderlich für ein weiteres Zusammenwachsen und damit für erweiterte Machtmöglichkeiten kann trotz des gestiegenen Vertrauens in militärische Belange der Mangel einer einheitlichen zentralasiatischen Perspektive betrachtet werden. Kasachstan gilt zwar grundsätzlich eher als russlandfreundlich, lehnt jedoch einen zu starken russischen Einfluss vor allem angesichts der Krim-Krise vehement ab. Tadschikistan und Kirgistan hingegen sind sowohl wirtschaftlich als auch ökonomisch stark von Russland abhängig, während Usbekistan sich mal China mal Russland und mal den USA zuwendet, um ein größtmögliches Maß an Handlungsfreiheit zu bewahren.

Zudem haben sich die Mitgliedstaaten dem Prinzip der Nichteinmischung verschrieben. Als es im Jahr 2010 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Usbeken und Kirgisen im Süden Kirgistans kam, die hunderte Tote forderten und zu großen Flüchtlingsbewegungen führten, blieb die Organisation prinzipientreu und verhielt sich im Großen und Ganzen passiv. Da die Vollmitgliedschaft momentan bislang auf sechs Staaten beschränkt ist, kann die SOZ leicht als ein „Spielplatz“ für russische und chinesische außenpolitische Initiativen bewertet werden. Sollte sich die Organisation weiter ausdehnen, wäre damit eine neue Dynamik eingeleitet. Russland und China ist es aber schon mit der SOZ durchaus gelungen, die amerikanischen Ambitionen und den westlichen Einfluss auf die Region zu begrenzen.

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