Herr Lammert, die Konrad-Adenauer-Stiftung gibt ein neues Handbuch zur Geschichte der CDU heraus. Warum gerade jetzt?
Zum einen schließt das Handbuch eine Lücke in der Forschungsliteratur, denn seit über 30 Jahren ist keine umfassende Geschichte der CDU mehr erschienen. Zum anderen haben die Parteien, auch und gerade die Volksparteien, in jüngerer Zeit Ansehen, Vertrauen und Bindungskraft eingebüßt. Wir wissen: Parteien stehen nicht unter Denkmalschutz. Die CDU muss sich auf ihre traditionellen Stärken besinnen, programmatisch neu sortieren und präziser kommunizieren, wofür sie steht – zumal nach dem verheerenden Ergebnis bei der Bundestagswahl. Das Handbuch leistet dazu einen Beitrag, die besondere Verantwortung der CDU als Stabilitätsanker unserer Demokratie zu verdeutlichen.
„Eine gewisse Kenntnis der Geschichte ist ja doch die Grundlage jedes politischen Denkens“ – mit diesem Zitat Konrad Adenauers führen Sie in das Buch ein. Ist dieses Handbuch nur ein Blick zurück?
Als Handbuch deckt es ein breites Spektrum möglicher Fragestellungen an die Geschichte, Organisationsstruktur und Politik der CDU ab. Daher ist es natürlich auch ein Blick zurück, was aber vor dem Hintergrund von Adenauers Grundsatz durchaus geboten ist. Darüber hinaus hat die Konrad-Adenauer-Stiftung im CDU-Jubiläumsjahr 2020 einen Debattenband herausgegeben, in dem sich namhafte Autorinnen und Autoren aus der Geschichts- und Sozialwissenschaft sowie aus der Politik kritisch mit unterschiedlichen Aspekten der Geschichte der CDU auseinandersetzen und den Stellenwert sowie die Zukunft der Partei in Deutschland in den Blick nehmen.
Sind Volksparteien heute wichtiger denn je?
Ob sie heute tatsächlich wichtiger denn je sind, mögen Historiker irgendwann rückblickend einordnen. Fakt ist: Prägend war die CDU für die bundesrepublikanische Entstehungsgeschichte vor 75 Jahren, als sie als Partei der Mitte konfessions- und schichtenübergreifend gegründet wurde – eine „disruptive Innovation“, die die Erfolgsdeterminanten von Parteien einschneidend verändert hat. Dieser Tradition muss die Union weiterhin treu bleiben. Wenn ihr das – vor dem Hintergrund der vielfältigen gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahre und deren Auswirkungen auf das Wahlverhalten – gelingt, wird sie zumindest wichtig bleiben.
Sie sind seit 1966 Mitglied der CDU. Wann waren Sie besonders stolz auf Ihre Partei?
Als die CDU über Jahre und Jahrzehnte hinweg an der Deutschen Einheit festhielt, als viele längst nicht mehr an sie geglaubt hatten oder ausdrücklich gegen sie aussprachen. Und vor allem natürlich, als es unter Führung von Helmut Kohl schließlich gelang, die Einheit in Freiheit zu realisieren.
Und gab es auch Momente, in denen Sie mit ihr gehadert haben?
Gar nicht so selten. Ich habe gelegentlich gesagt, die einzige Partei, mit der ich restlos zufrieden wäre, würde aus einem Mitglied bestehen. Das wäre ich. Schon wenn meine Frau dazukäme, würde es kompliziert, weil wir zwar in den meisten, aber eben nicht in allen Fragen einer Meinung sind. Die konstruktive Arbeit innerhalb der Partei wie zwischen Parteien ist das Salz in der Suppe einer lebendigen Demokratie.
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