Unter dem Titel „Bedingt verteidigungsbereit? Sicherheitspolitische Herausforderungen für Deutschland und Europa“ lud die Konrad Adenauerstiftung zusammen mit dem Wirtschaftrat der CDU und der Gesellschaft für Sicherheitspolitik am 06. Oktober nach Stuttgart ein. Die Diskussion des hochkarätig besetzten Panels moderierte Martin Kugelmann, Managing Director der Spherea GmbH.
Mit dem Oberst a.D. Roderich Kiesewetter MdB und dem General a.D. Riho Terras MdEP waren zwei prominente Politiker mit tiefen Einblicken in europäische Streitkräfte eingeladen. Vervollständigt wurde das Panel von der renommierten Politikwissenschaftlerin Dr. Johanna Möhring, die als Chercheure associée am Centre Thucydide in Paris und als Associate Fellow am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) der Universität Bonn zum Thema Machtpolitik im 21. Jahrhundert forscht.
Die zugreifend anmoderierten Themen und zielgenau gestellten Fragen an die Expert:innen umfassten die Komplexe Europa, Ausstattung der Bundeswehr und die Frage um die Führungsmacht Deutschland. Wie sieht es mit der Umsetzung des „Sondervermögens“ und dem Willen aus, Verteidigungsbereitschaft auch nachhaltig finanziell zu unterlegen? Wie strategiefähig ist Europa überhaupt? Gibt es einen gemeinsamen Grundkonsens und Willen in Europa?
Roderich Kiesewetter (CDU) konnte dabei der angereisten Wirtschaftsprominenz die Entwicklung der Bundeswehr in den vergangenen Jahrzehnten und den Verschiebungen der Blickpunkte im politischen Berlin näherbringen. Durchaus selbstkritisch mit Blick auf die Verteidigungspolitik der vergangenen Jahre stellte er die Unverzichtbarkeit einer wirklichen Zeitenwende heraus, und bekräftigte die klare Forderung an die Bundesregierung, diese nicht an gestiegenen Baukosten oder Inflation scheitern zu lassen.
Zum Thema der Probleme in der Personalgewinnung verwies Kugelmann auf andere Ansätze hierzu in Europa. Besonders bereichernd waren dazu Frau Dr. Möhrings Einblicke in die aktuellen Bemühungen des französischen Staates zur Stärkung des Engagements junger Menschen. Auch ihre Ausführungen zur strukturellen Ausrichtung der deutschen und französischen Streitkräfte sowie deren Vereinbarkeit führten zu interessiertem Nicken und nachdenklichen Blicken im Raum. Das Bild der deutschen „Skelettarmee“, die durch seine Organisationsstruktur den Partnerarmeen ermögliche, koordiniert im Verbund zu agieren im Kontrast zur robusten französischen Struktur, erklärte sie unter anderem mit den Anforderungen der Überseegebiete und dem französischen Engagement in den ehemaligen Kolonien.
Der ehemalige Befehlshaber der estnischen Verteidigungsstreitkräfte Riho Terras zeigte eindrücklich auf, welche herausstechenden Verteidigungsfähigkeiten die baltischen Staaten relativ zu ihren personellen und wirtschaftlichen Fähigkeiten aufweisen können. Die besondere geschichtliche Situation und die exponierte Lage an der Grenze zu Russland führten zu einer Präsenz im Leben der Bevölkerung, wodurch eine starke zivile Unterstützung und Verankerung der Streitkräfte letztlich deren Wehrhaftigkeit zementiere. Als er ausführte, dass die estnischen Munitionsvorräte deutlich länger als zwei Wochen des intensiven Gefechts gewährleisten könnten, während die Deutschlands und anderer EU Staaten aktuell bei 2 Tagen lägen, ging ein Raunen durch den Saal.
Das gesamte Podium bekräftigte den Anspruch, diesen Zustand zu verändern, woraufhin Martin Kugelmann gekonnt zu den kriselnden europäischen und vor allem deutsch-französischen Rüstungsprojekten überleitete. Die beiden als zukunftweisend geltenden Projekte „Future-Combat-Air-System“ (FCAS) und „Main Ground Combat System“ (MGCS) machten zuletzt vor allem durch die konkurrierenden beteiligten Unternehmen aufmerksam. Dass diese Verstimmungen die Projekte insgesamt gefährden, zeigt auch, dass der deutsche Panzerbauer Kraus-Maffei Wegmann sich zuletzt auf eine Ausschreibung für ein mit MGCS konkurrierendes System bewarb, während der französische Flugzeughersteller Dassault öffentlich verlauten ließ, FCAS stände in ihrer Prioritätenliste hinter der neuen Rafale. Die schwerwiegenden industriepolitischen Auswirkungen der Entscheidung hinderten derweil die Regierungen dabei, dringend nötige Tatsachen zu schaffen.
Einigkeit bestand auch darüber, dass diese Projekte vor allem politischer Natur seien, an der wirtschaftlichen, technischen und militärischen Realität allerdings zu scheitern drohten. Dabei wurden auch Bedenken geäußert, ob es in Zukunft überhaupt noch „bemenschter“ (Kiesewetter) Panzer bedarf.
Nach zwei Stunden Diskussion über Verteidigungsbereitschaft und Europäische Sicherheit setzte Frau Dr. Möhring einen bemerkenswerten Schlusspunkt. Auf die abschließende Frage nach der größten Gefahr für Europa antwortete sie wie aus der Pistole geschossen: „Der Klimawandel“.
Im Anschluss gab es die Gelegenheit, mit den Expert:innen ins Gespräch zu kommen. Diese wurde reichlich genutzt, sodass die Veranstalter insgesamt ein sehr positives Gesamtfazit der Veranstaltung zogen.
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