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KAS - Luis Brückner

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Projektwoche: Brüche und Umbrüche – Jugend in der DDR

35 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und der Friedlichen Revolution ist es keine einfache Aufgabe, die Erinnerung an den DDR-Unrechtsstaat wachzuhalten. Es braucht junge Menschen, die bereit sind, für die Werte unseres Zusammenlebens einzustehen – und Zeitzeugen wie Nadja Klier und Ingo Hasselbach, die erzählen, wie das Leben auf der anderen Seite der Mauer war.

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Wenn sie den Schülerinnen und Schülern das Video vom Fall der Mauer zeigen, sind sie beide, noch heute, sichtlich bewegt. Nadja Klier, Tochter der DDR-Bürgerrechtsaktivistin Freya Klier und ihr Mann Ingo Hasselbach, ebenfalls Verfolgter unter dem SED-Regime, haben eine ganz eigene Art, zu erzählen: Sie erzählen persönlich, mitreißend und nahbar. Damit gelingt es ihnen, die Schülerinnen und Schüler in ihrer Lebenswirklichkeit abzuholen, und sie in ihre damalige – als sie etwa im gleichen Alter waren wie die Jugendlichen heute – mitzunehmen.

 

Innerhalb von fünf Tagen haben Nadja Klier und Ingo Hasselbach gemeinsam mit Christian Schleicher von der Konrad-Adenauer-Stiftung fünf Schulen besucht und ihre Geschichte knapp 400 Schülerinnen und Schülern erzählt. Sie waren in Steglitz, Reinickendorf und Mitte, sowie im Bezirk Schöneberg. Die Gestaltung der Vormittage ist dabei so vielfältig wie das Publikum. Sie hat wenige feste Eckpunkte, und ergibt sich dadurch fast ausschließlich aus den Interessen der anwesenden Schülerinnen und Schülern. „Wir wolln Euch mal wat fragen“ heißt der Film, der zu diesen wenigen festen Eckpunkten gehört, und an allen Schulen zu Beginn der Veranstaltung gezeigt wird. Gedreht wurde er während der Corona-Pandemie, als persönliche Veranstaltungen wie diese an Schulen nicht möglich waren. Heute dient es als bildhafter Einstieg, und setzt gleichzeitig den Ton für die darauffolgenden Stunden: Die Fragen der Schülerinnen und Schüler zur DDR stehen im Zentrum, sie bestimmen die inhaltlichen Schwerpunkte und sind nicht selten Ausgangspunkt für intensive Diskussionen.

 

Brüche und Umbrüche haben beide erlebt: Ingo Hasselbach, der im Film mit einer Gruppe Jugendlicher in einer ehemaligen Haftanstalt der DDR zu sehen ist, in der auch er für einige Zeit eingesessen hat, hält klimpernd die Schlüssel zu jenen Gittertüren in der Hand, die ihn damals noch seiner Freiheit beraubten. Man meint, in seinem Grinsen ein bisschen den Stolz zu erkennen. Hasselbach, 1967 in Ost-Berlin geboren, wird als Punk schon in seiner Jugendzeit vom Staat schikaniert und mit gerade einmal 18 Jahren für den Satz „Die Mauer muss weg!“ nicht weniger als sieben Monate inhaftiert. Der Auseinandersetzung mit dem Staat folgen weitere, er verbringt am Ende einen großen Teil seiner Jugend in DDR-Gefängnissen. Den Jugendlichen erzählt er auch, was nach seiner Flucht in die Bundesrepublik passierte. Wie es ihm nicht gelang, die Ankunft im Westen als Neuanfang zu nutzen, und er tief in die Neonaziszene abrutschte. Ingo Hasselbach zeichnet aus, dass er auch das erzählt, was er vielleicht selbst lieber vergessen würde – weil es wichtig ist. Ihm gelingt schließlich der Ausstieg aus der Szene, er gründet den Verein „Exit“, der zukünftigen Aussteigern das Leben erleichtern soll. Das alles kann man als Erzählung über Vergangenes auffassen – man kann, wie es die Wortbeiträge der Schülerinnen und Schüler nahelegen, aber auch eine Lehre und einen Auftrag für die Gegenwart darin sehen.

 

Nadja Klier kann nicht nur die Oppositionserfahrungen ihrer Mutter in zweiter Generation weitertragen, sie kann auch in einzigartiger Lebendigkeit erzählen, wie es sich anfühlte, als 14-Jährige nahezu rund um die Uhr vom eigenen Staat überwacht zu werden. Im Film sitzt sie am Schreibtisch von Erich Mielke, dem Minister für Staatssicherheit in der DDR, und liest den Jugendlichen aus ihrer Stasi-Akte vor. In dieser war ihr halbes Leben minutiös dokumentiert. So war sogar der Plan vermerkt, einen anderen Jugendlichen als inoffiziellen Mitarbeiter auf sie anzusetzen, der sich gezielt ihr Vertrauen erwerben und dann besonders sensible Informationen sammeln und an die Behörde weitergeben sollte. Sie erzählt von ihren Erfahrungen mit Repression und Bespitzelung, aber auch wie es sich anfühlte, ihre Heimat und ihre Freunde zu verlieren, als sie und ihre Familie 1988 in die Bundesrepublik Deutschland ausgebürgert wurden. Vieles davon hat sie in ihrem Buch „1988: Wilde Jugend“ aufgeschrieben. Wenn sie daraus vorliest, fühlt es sich beinahe an, als wäre man selbst dabei gewesen. Den anwesenden Zehnt-, Elft- und Zwölftklässlern stellt sich anschließend dieselbe Frage: Wie hätte ich mich in dieser Situation gefühlt? Hier brechen sich die großen Ungerechtigkeiten des Systems auf ein persönliches, ganz reales Schicksal herunter.

 

Es ist, wie Christian Schleicher (KAS) in seinem Impuls erwähnt, eine Veranstaltung, die jedem, der dabei war, den Wert von Frieden, Freiheit und Demokratie deutlich gemacht hat. Damit diese Werte erhalten bleiben ist das Engagement von jedem und jeder einzelnen nötig. Und so tragen die Biografien von Nadja Klier und Ingo Hasselbach sowie die Offenheit und Entschlossenheit der Heranwachsenden gemeinsam dazu bei, die Erinnerung weiterzutragen und demokratische Überzeugungen in einer Generation, die die Erfahrung von Diktatur nicht mehr kennt, fest zu verankern.

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Christian Schleicher

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Stellvertretender Leiter Politische Bildungsforen und Leiter Politische Bildungsforen Süd

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