Ein Seminarbericht von: Ali Al-Saadi, Bruno Goebel, Verena Märker, Simon Mputu und Helene Schüle, Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studien- und Promotionsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Ein Seminar in der größten französischsprachigen Stadt der Welt
Staub liegt in der Luft, vermischt sich mit Abgasen und dem Essensduft der zahlreichen Stände. Autos hupen ununterbrochen, Menschen drängen sich an den Straßenrändern, Kinder laufen zwischen den Fahrzeugen hindurch. Mitten im Geschehen sind wir: 20 deutsche und 15 kongolesische Stipendiatinnen und Stipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung. Eine Woche lang tauchen wir ein in die größte französischsprachige Stadt der Welt und eine der größten Metropolen Afrikas: Kinshasa, Hauptstadt der DR Kongo.
Das Initiativseminar der Konrad-Adenauer-Stiftung ist organisiert von uns Stipendiatinnen und Stipendiaten – intensiv beraten und begleitet von Jakob Kerstan, Leiter des KAS-Auslandsbüro in der DR Kongo, sowie von Kristina Devine, Referentin für Kultur der KAS. Unser Ziel: Eine Woche lang wollen wir die faszinierende Kultur des Landes erleben und gleichzeitig die zahlreichen Probleme besser verstehen. Dazu sprechen wir mit Politikerinnen, Unternehmern und engagierten Menschen aus der Zivilgesellschaft.
Zwischen Atlantik, Regenwald und den Großen Seen
Die DR Kongo verdankt ihren Namen dem zweitlängsten und wasserreichsten Fluss Afrikas – dem Kongo. Schon auf der Karte beeindrucken die Ausmaße der DR Kongo: Das zweitgrößte Land Afrikas wird im Zentrum von einem der größten Regenwälder der Welt durchzogen. Die Größe und geografische Vielfalt prägen das wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Leben.
Das Land lässt sich grob in vier Regionen gliedern, die sich durch unterschiedliche Sprachen und regionale Zugehörigkeiten auszeichnen. Während Kinshasa im Westen über Matadi mit dem Atlantik verbunden ist, stellt der dichte Regenwald im Norden und Zentrum eine hohe Hürde für überregionale Zusammenarbeit dar. Der Süden ist infrastrukturell eng mit dem südlichen Afrika verbunden, was beispielsweise den Rohstoffexport aus Katanga über Hafenstädte wie Durban ermöglicht. Der konfliktreiche Osten liegt in der Region der Großen Afrikanischen Seen. Zwischen Kinshasa und Städten wie Lubumbashi im Süden oder Goma im Osten liegen rund 1.500 Kilometer – mehr als die Entfernung zwischen Köln und Madrid. Über den Landweg sind diese Strecken nur schwer passierbar, weshalb die meisten Reisen mit dem Flugzeug unternommen werden.
Schwacher Staat und überforderte Infrastruktur
Staatliche Institutionen fehlen in vielen Bereichen, besonders auf dem Land. Daher mangelt es häufig auch an grundlegenden öffentlichen Gütern wie zum Beispiel sichere Straßen. Das wird uns besonders beim Reisen bewusst: Für die 120 Kilometer von Kisantu nach Kinshasa brauchen wir über sieben Stunden. Auch die Stromversorgung und Abwasserentsorgung kommen kaum hinterher. Stromausfälle gehören zum Alltag, und die offene Kanalisation wird in der Regenzeit schnell zur Gefahr.
Die Gründe für diese Probleme sind vielfältig. Ein Hindernis ist die weit verbreitete Korruption, die staatliche Strukturen auf allen Ebenen schwächt. Auch wir Stipendiatinnen und Stipendiaten werden während des Seminars mehrfach von Sicherheitsbeamten festgehalten, die Geld von uns fordern. Zum Glück ist es uns immer durch freundliches und bestimmtes Auftreten gelungen, die Situationen zu lösen. Ein mulmiges Gefühl bleibt trotzdem.
Bis heute wird das Land durch seine koloniale Vergangenheit geprägt – auf institutioneller, politischer und wirtschaftlicher Ebene. Ein eindrucksvolles Beispiel für institutionelle Kontinuität ist der „ordre de mission“. Belgien hat dieses Dokument in den 1920er Jahren eingeführt, um die Schlafkrankheit zu bekämpfen. Auch heute braucht man diese schriftliche Genehmigung für fast jede überregionale Reise im Land. Die DR Kongo ist damit eines der wenigen Länder der Welt, das inländische Migration und individuelle Mobilität in diesem Ausmaß institutionell beschränkt – eine Kolonialstruktur, die bis heute das Leben der Menschen erschwert.
Die Kirche als zentraler Akteur
Wir erleben die katholische Kirche als eine zentrale Kraft in der DR Kongo. Besonders außerhalb Kinshasas, wo der Staat kaum präsent ist, prägt sie das gesellschaftliche Leben und gibt Orientierung. Sie steht in engem Kontakt zur Bevölkerung und wirkt als einflussreiche kritische Instanz gegenüber der politischen Elite. Obwohl sie ihre Unabhängigkeit betont, spüren wir eine gewisse Nähe zur Politik. Mit ihrem landesweiten Einfluss könnte sie Missstände stärker ansprechen und politische Teilhabe fördern – ein Potenzial, das bisher nicht vollständig genutzt wird.
Der vergessene Konflikt im Osten des Landes
Im Osten der DR Kongo liefern sich Sicherheitskräfte und verschiedene Rebellengruppen immer wieder gewaltsame Gefechte. Sie ringen um politischen Einfluss, Land und den Zugang zu wertvollen Rohstoffen. An unserem Seminar nehmen auch kongolesische Stipendiatinnen und Stipendiaten aus Goma und Bukavu teil – zwei Städte in unmittelbarer Nähe zum Kriegsgeschehen. Sie berichten von der zentralen Rolle der Zivilgesellschaft für das Leben in der Region sowie der unfassbaren Resilienz der lokalen Bevölkerung. Besonders betroffen machen uns die Berichte über die dramatische Lage der inzwischen rund sieben Millionen Binnenvertriebenen. Mangelnde Hygiene und Armut verschärfen die Zustände in den Flüchtlingslagern. Krankheiten breiten sich aus, zuletzt führte das zu einem Mpox-Ausbruch. Das ist eine virale Infektionskrankheit, die durch engen Kontakt zwischen Menschen oder Tieren übertragen wird und oft Fieber, Hautausschläge sowie geschwollene Lymphknoten verursacht.
Die kongolesischen Stipendiatinnen und Stipendiaten sehen auch die internationale Staatengemeinschaft in der Verantwortung. Sie fragen, wie der Westen von der Weltgemeinschaft erwarten könne, Russland für die Verletzung der Souveränität der Ukraine zu sanktionieren, während gleichzeitig europäische Staaten Ruanda finanziell unterstützen, das mit mehreren tausend Soldaten auf kongolesischem Boden aktiv sei und die Souveränität der DR Kongo verletze. Zudem fragen sie: Warum nutzen westliche Staaten ihren Einfluss nicht, um Ruanda für die Unterstützung der Rebellengruppe “M23” entschieden zu sanktionieren – wie zuletzt erfolgreich im Jahr 2012? Diese Fragen unserer kongolesischen Stipendiatinnen und Stipendiaten diskutieren wir im Seminar intensiv, aber finden keine abschließenden Antworten.
Flexible Selbstverwaltung und Resilienz im Alltag
Der Krieg hat im Osten des Landes die staatlichen Strukturen fast vollständig zerstört. In anderen Regionen haben die Menschen sich an die schwierigen Bedingungen angepasst. Das informelle Minibus- und Fernverkehrssystem zeigt das eindrücklich: Ohne staatliche Unterstützung sorgen Bürgerinnen und Bürger eigenständig für ihre Mobilität.
In der Hauptstadt Kinshasa erleben wir mehr Ordnung und Struktur, als wir vor der Reise erwartet haben. Wir bewegen uns frei und unbeschwert durch die Stadt. An Straßenständen tauschen wir problemlos hunderte US-Dollar um, ganz ohne zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen. Von den Händlern erhalten wir nach kurzen Verhandlungen faire Wechselkurse. Auch das Nachtleben überrascht uns: Wir besuchen Bars und Clubs, ohne uns eingeschränkt zu fühlen – ein starker Kontrast zu anderen afrikanischen Metropolen, wo die Straßen nach Einbruch der Dunkelheit oft wie ausgestorben wirken.
Wir erleben eine überraschende Mischung: Auf der einen Seite sehen wir immense strukturelle und politische Defizite, auf der anderen beeindruckt uns der kreative, unkomplizierte und positive Alltag. Dieser Gegensatz prägt unsere gesamte Seminarzeit in der DR Kongo.
Kongo: Weit mehr als nur Krisen
Das Seminar in der DR Kongo hinterlässt unvergessliche Erinnerungen: inspirierende Gespräche, spannende Begegnungen und durchweg positive Erfahrungen. Es zeigt uns, wie wichtig es ist, vorgefasste Erwartungen, etwa zur Sicherheit, zu hinterfragen und die Komplexität des Landes – jenseits akademischer Theorien – zu erleben. Besonders der Austausch mit kongolesischen Stipendiatinnen und Stipendiaten hat uns geholfen, lokale Strukturen besser zu verstehen. Die Gastfreundschaft vor Ort hat uns sehr beeindruckt, auch wenn wir nur einen kleinen Einblick in die Dynamik des Landes gewinnen konnten.
Nach dem Seminar können wir selbstbewusst sagen: Die DR Kongo ist weit mehr als Kriminalität und Instabilität – ein Bild, das in deutschen Medien oft dominiert. Ihr riesiger Regenwald, ihre wertvollen Ressourcen und die junge, wachsende Bevölkerung machen sie zu einem wichtigen Akteur mit globaler Bedeutung. Um dieses Potenzial zu nutzen, braucht es mehr Austausch, gegenseitigen Respekt und eine stärkere deutsch-kongolesische Zusammenarbeit. So resümiert Jakob Kerstan, Leiter des KAS-Auslandsbüros der DR Kongo: „Dass der Kongo nicht nur aus Krisen, Konflikten und Krieg besteht, haben die teilnehmenden deutschen Stipendiatinnen und Stipendiaten in eindrucksvoller Weise erfahren. Mit dieser Weitsicht werden sie glaubhafte Botschafter eines dringend notwendigen differenzierten Afrika-Bilds. Darüber hinaus hat das Initiativseminar engagierte junge Menschen aus beiden Ländern nachhaltig aneinander gebunden und somit die deutsch-kongolesischen Beziehungen und das gegenseitige Verständnis intensiviert.“ Dieses Ergebnis motiviert uns Stipendiatinnen und Stipendiaten sehr. Wir sind schließlich überzeugt: Nur gemeinsam können wir Lösungen für strukturelle Herausforderungen finden und das Bewusstsein dafür schärfen, dass der Kongo weit mehr ist als die Krisen, die die Schlagzeilen bestimmen.
Hinweise:
Ein Seminarbericht von: Ali Al-Saadi, Bruno Goebel, Verena Märker, Simon Mputu und Helene Schüle, Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studien- und Promotionsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung und Teilnehmende des Kompaktseminars „Zwei Länder im Herzen ihres Kontinents – Über die Verantwortung deutscher und kongolesischer Studierender angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ in Kinshasa.
Im Anschluss an das Seminar sind Ali Al-Saadi und Verena Märker mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Kinshasa nach Muanda an der Atlantikküste gereist. Ihre Eindrücke auf dieser persönlichen Reise sind in diesen Bericht mit eingeflossen.
Stipendiatische Leitung: Carl Christian Dreyer, Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung
Beratung und Begleitung: Jakob Kerstan, Leiter des KAS-Auslandsbüros in DR Kongo
Beratung: Kristina Devine, Referentin der Konrad-Adenauer-Stiftung
Παρέχεται από
Hauptabteilung Begabtenförderung und Kultur
Σχετικά με αυτή τη σειρά
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