Reiner Kunze ist ein zurückhaltender und bescheiden auftretender Mensch, was ihn allerdings nicht daran hinderte, sich gegen das Unrecht in der DDR aufzulehnen, indem er wesentlich mit Worten Widerstand leistete. Er war nie laut, aber immer klar und präzise. Der Autor war und ist ein Kämpfer für die Freiheit, vor allen Dingen für die Freiheit des Wortes. In der DDR machte er schmerzliche Erfahrungen, wozu besonders die jahrelange Verfolgung durch die Staatssicherheit zählte. 1959 brach er aus politischen Gründen seine Universitätslaufbahn ab und arbeitete in der Produktion. Im August 1968, als russische Panzer den „Prager Frühling“ niederwalzten“, gab er sein Parteibuch zurück. Als 1976 „Die wunderbaren Jahre“ im Westen erschienen, flog er aus dem Schriftstellerverband, was einem Berufsverbot gleichkam. 1977 wurde er aus der DDR-Staatsbürgerschaft entlassen und siedelte in die Bundesrepublik über.
Mit seinem Prosaband „Die wunderbaren Jahre“ legte Reiner Kunze die poetischste Auseinandersetzung mit dem schikanösen Alltag der SED-Diktatur vor. Er war einer der poetischen Wegbereiter des Zusammenbruchs der SED-Diktatur. Mit seinen Gedichten hat er Ideologie, Diktatur und Totalitarismus mit seinen Gedichten bloß gestellt.
Über das Schreiben sagte er: „Selbst wenn ich keine Leser hätte, würde ich schreiben. Es ist meine Art zu leben – manchmal auch zu überleben.“ Seine negativen Erfahrungen führten nicht zur Verbitterung. Neben der Aufarbeitung seiner umfangreichen Stasiakten („Deckname Lyrik“) widmete er sich in seinem Schreiben vor allen Dingen auch der Natur, der Kunst, der Kultur, der Stille und dem Schönen - war und ist dabei aber auch immer politisch. Dies kommt auch in einigen Gedichten aus seinem aktuellen Werk zum Ausdruck, in denen er vor demagogischen Kriegstreibern warnt und die Ukraine als verstümmeltes, veruntreutes und verratenes Land bezeichnet.
Revolutionsgedicht
Das in den Landesfarben angestrichene Klavier stand zwischen den Fronten…K.B., Kiew, Winter 2013/14
Ein blauer himmel über einem weizenfeld – so stand
bei minus zwanzig grad am straßenrand
das klavier
Und die einen spielten
die hymne und Chopin
und die anderen zielten
auf die hymne und Chopin
Reiner Kunze wies die Zuhörer darauf hin, dass Sie sich auf Zuruf das ein oder andere Gedicht zweimal vortragen lassen konnten, wovon sie auch häufig Gebrauch machten. Das Publikum – eine gute Mischung aus Alt und Jung, da auch Schüler/innen des Gymnasiums Steglitz und der deutschen Schule in Moskau anwesend waren – lauschte fasziniert und diszipliniert. Der Wohlklang des Cellos, famos gespielt von Lillian Keyes, verband die einzelnen Leseabschnitte der Gedichte zu einer wohlkomponierten Konzert-Lesung.
Reiner Kunze zeigte eine famose Bühnenpräsenz. Der Magier der Sprache untermalte seine Gedichte mit ausdrucksstarker Mimik sowie mit variabler und einfühlsamer Stimme. Er modellierte seine Worte geradezu, verlieh ihnen dadurch Klang, sodass die Gedichte des Poeten noch lange im Raum und in den Köpfen echoeten. Es war eine lang nachhallende Lesung, politisch in ihrer Spiegelung der Geschichte der deutschen Teilung und der Warnung vor demagogischen Kriegstreibern, poetisch in ihrer leisen und eindringlichen Lyrik. Es gibt keinen zweiten Dichter, der über eine solche Sprachgewalt verfügt und mit der Gabe gesegnet ist, mit wenigen präzisen Worten so viel ausdrücken zu können wie Reiner Kunze. Die Intensität und die Wirkung seiner Gedichte entfaltet sich durch eine meisterhafte Reduktion.
Den Vortrag seiner Gedichte aus seinem aktuellen Werk schloss er mit dem letzten Gedicht des Bandes ab, das den Titel „Abschied“ trägt.
Abschied
Fern kann er nicht mehr sein,
der tod
Ich liege wach,
damit ich zwischen abendrot und morgenrot
mich an die finsternis gewöhne
Noch dämmert er,
der neue tag
Doch sag ich, ehe ich`s
nicht mehr vermag:
Lebt wohl!
Verneigt vor alten bäumen euch,
und grüßt mir alles schöne.
Da eine Lesung nicht mit einem traurigen Gedicht enden dürfe, so Kunze, las er zum Abschluss noch einige heitere Gedichte für Kinder, die auch für Erheiterung beim älteren Publikum sorgten.
Scherzo für Nashorn
Das Nashorn ist
ein Nashornist,
der sich nie trennt
vom Instrument.
Am Ende eines wunderbaren Abends verneigten sich Publikum und Veranstalter mit langanhaltendem Applaus vor einer wunderbaren Musikerin und vor einem großen Dichter, der wie kein zweiter über die Freiheit und das Schöne schreibt sowie für Leser, „die im Herzen barfuß sind“.
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