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Die politische Kultur und Entwicklung der Parteienlandschaft in Griechenland befinden sich in einem ebenso tiefen Umbruch, wie ihn die Wirtschaft und Gesellschaft des Landes erleben. Dieser Wandel vollzieht sich vor dem Hintergrund Jahrhunderte dauernder Fremdherrschaft und einer von politischen Extremen geprägten Geschichte.
In einer chronologisch geprägten Betrachtung vollziehen wir diese Entwicklung im links- wie, in neuester Zeit, vor allem auch im rechtsextremen Spektrum der griechischen politischen Landschaft nach.
Von Kriegen und fremder Einflussnahme
Die Geschichte des selbständigen, modernen griechischen Staates ist eine kurze: Nach Jahrhunderte andauernder Herrschaft der Osmanen über das Land sicherten sich westliche Schutzmächte lange Zeit Einflusszonen und politische Mitsprache in Griechenland und leiteten eine Phase zwischen Monarchie und wechselnden Diktaturen ein. Auseinandersetzungen zwischen Royalisten und Republikanern, die später im Kampf zwischen Kommunisten und Anti-Kommunisten ihre Fortsetzung fanden, waren über Jahrzehnte virulent und spalteten das Land. In der Zeit zwischen den Weltkriegen prägte das totalitäre Regime von Ioannis Metaxas die Politik mit einem System des monarchischen Faschismus, in dem Zensur, Verhaftungen und Verbannungen bis hin zu Folter an der Tagesordnung waren. Die fortgeführten Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Partisanen mündeten später in einen Bürgerkrieg, der das Land – nach dem Zweiten Weltkrieg ohnehin bereits tief gezeichnet – wirtschaftlich und politisch zu Boden warf. Schikane gegen linke Kräfte, Terror und Todesurteile prägten die politische Tagesordnung.
Nach Ende des Bürgerkrieges wurde Griechenland demokratisch verfasst, doch die sogenannten „steinernen Jahre“ waren durch die Dominanz von Polizei, Militär, Gendarmerie und Geheimdiensten geprägt, die eng im Parakrátos („Nebenstaat“) kooperierten. Den demokratischen Tiefpunkt erreichte diese Entwicklung mit der Militärdiktatur zwischen 1967 und 1974, in der unter der Obristen-Junta politische Repressionen und die Unterdrückung demokratischer Bestrebungen in staatlichem Terror von Gleichschaltungen, Ausnahmezuständen, Massenverhaftungen und -deportationen in Lager kulminierten.
Allein in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Militärputsch lösten sich 42 Regierungen in Griechenland ab. Diese schwierigen Phasen der Extreme prägen die politische Kultur des Landes in ihrer Entwicklung bis heute.
Stabiles Zweiparteiensystem
Mit der sogenannten Metapolítefsi setzte der gemeinhin als gelungen angesehene Übergang Griechenlands von der Diktatur zurück zur Demokratie ein. Damit verbunden waren erhebliche politische und soziale Errungenschaften sowie wohlfahrtsstaatliche Zugewinne. Mit der Demokratisierung nach Ende der Junta 1974 und den ersten Wahlen nach 10 Jahren sehnte sich die griechische Bevölkerung nach Stabilität. Diese boten vor allem die neu gegründeten Parteien der Mitte, die an Vorgängerorganisationen aus der Zeit vor der Militärdiktatur anknüpften: die konservative Nea Dimokratia (ND) und die sozialdemokratische Panellínio Sosialistikó Kínima (PASOK). Fortan wurde die griechische Parteiengeschichte von einem ausgeprägten Dualismus geprägt: Dikomatismós beschreibt dieses faktische Zweiparteiensystem.
Die ND wurde am 4. Oktober 1974 gegründet. Erster Präsident der Partei war Konstantinos Karamanlis, der das Amt des Ministerpräsidenten von 1955 bis 1963 bekleidete und bis heute – überparteilich – als unbestrittene Symbolfigur der demokratischen Legitimität in Griechenland angesehen wird. Die ersten freien Parlamentswahlen nach dem Ende der Militärdiktatur gewann die ND mit einer absoluten Mehrheit von gut 54 Prozent. In der Folge ging die Karamanlis-Regierung den Weg einer klar pro-westlich und pro-europäisch orientierten Außenpolitik: vorrangiges Ziel war die europäische Integration Griechenlands. Ideologisch profilierte sich die ND als Partei des “radikalen Liberalismus”, welcher Regeln des freien Marktes mit entscheidenden Eingriffen des Staates zugunsten eines sozialen Ausgleichs zu verbinden suchte. Dennoch schreckte man nicht vor protektionistischer Wirtschaftspolitik zurück. Als die Volkspartei des Mitte-Rechts-Lagers sprach die ND allerdings auch immer wieder Minderheiten mit teilweise extremen rechtspopulistischen Ideen an, die sie auch in den Parteistrukturen tolerierte.
Die PASOK wurde nach der Militärdiktatur als Nachfolgerin der linksbürgerlichen Zentrums-Union ins Leben gerufen. Nach den Jahren des rechten politischen Terrors traten der Bewegung viel Intellektuelle, Künstler und Aktivisten der 1968er Jahre bei. Insbesondere unter dem mächtigen Parteivorsitzenden und späteren Ministerpräsidenten Andreas Papandreou bediente sich die Partei aber zusehends radikaler außenpolitischer Positionen und einer ausgeprägten Polemik gegen Europa und die USA. So formulierte Andreas Papanderou im Wahlkampf 1981: „EG und NATO, dasselbe Syndikato“. Diese Strategie stieß beim Wahlvolk auf Zuspruch, wollte man sich doch möglichst wenig auf weitere Einmischung von außen in die griechische Politik einlassen. So sehr man sich zunächst gegen den EG-Beitritt Griechenlands wandte, so gerne nahm später gerade die PASOK die Gelder aus Brüssel zur Bindung ihrer Klientel an. Insbesondere unter Papandreou wurden Polarisierungen und Populismus – gepaart mit verantwortungsloser Verausgabung öffentlicher Mittel – im Zentrum der griechischen Parteienlandschaft als gängiges Instrument etabliert und auch die übrigen Parteien schwenkten strategisch auf diesen Kurs ein.
Jenseits der beiden großen Parteien, die sich ab 1974 in der Regierungsverantwortung abwechselten, fanden sich in Griechenland stets zahlreiche kleine Parteien an den Rändern des politischen Spektrums – wie so oft in Ländern mit derart ausgeprägtem parteipolitischem Dualismus. Zum Teil konnten diese Klein(st)-Parteien mit erstaunlich kontinuierlichem Zuspruch auf niedrigem Niveau rechnen, damit aber selten den Sprung in das Parlament oder gar in die Regierungsverantwortung schaffen. Vor allem Parteien mit ausgeprägt linken Positionen sind darunter über die Jahrzehnte immer mit großer Kontinuität zu finden gewesen.
Linksextremistische Kontinuitäten mit schwacher politischer Bedeutung
Die 1924 in Folge sozialer Unruhen nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Kommunistische Partei (Kommounistikó Kómma Elládas, KKE) ist bis heute eine der griechischen Parteien mit der höchsten inhaltlichen Konsistenz. KKE verfolgt ein starres ideologisches Programm und hält auch an einer rigiden internen Organisationsstruktur fest. Der Zuspruch der Wähler liegt kontinuierlich bei um die acht Prozent. Dieser gründet sich zum einen auf dem Prestige des Widerstandskampfes gegen die Nazis während der deutschen Okkupation, andererseits auf der charismatischen Führung der Partei durch Aleka Papariga, langjährige Parteivorsitzende der KKE. Sie hat die orthodox marxistische Partei, die auch überzeugte Stalinisten in ihren Reihen versammelt, von 1991 bis 2013 geführt. Ziel der Partei ist nicht der Klassenkampf, sondern die griechische nationale und soziale Befreiung. Die stark nach Moskau orientierte KKE hatte ihr Zentralkomitee zwischen 1949 und 1974 in Bukarest angesiedelt. Heute ist die Partei wohlhabend und besitzt Immobilien in Athen, mit Rizopástis eine eigene Zeitung, Rundfunk- und bis vor kurzem sogar Fernsehstationen sowie einen starken Einfluss auf die von der KKE kontrollierte Gewerkschaft PAME, inklusive dort zu vergebender Posten. Doch ihre politische Bedeutung ist, jenseits der historischen, die ihr nach wie vor zugestanden wird, gering. Dazu trägt auch das Bündnis der radikalen Linken bei, neuerdings der entscheidende Akteur im politischen Linksspektrum Griechenlands.
Vom Rand an die Spitze
Im Zuge der Spaltung der Kommunisten während der Militärdiktatur entstand 1968 der eurokommunistische Flügel mit der KKE-Essoterikoú – der Inlands-KKE. Ihre Kader saßen zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis oder waren im Untergrund aktiv. Aus dieser Bewegung ging dann nach dem Sturz der Obristen das Synaspismós Rizospastikís Aristerás, das Bündnis der radikalen Linken SYRIZA hervor. Dieser weniger dogmatische, intellektuelle Flügel der KKE wurde in dem Bündnis vereint. Dennoch umfasst SYRIZA bis heute ein breites Spektrum linker und linksextremer Vertreter von Trotzkisten und Maoisten bis zu gemäßigter Sozialisten.
Lange bewegte sich SYRIZA bei Wahlen in Griechenland bei Werten um die 5 Prozent. Mit den Parlamentswahlen 2012, die den Absturz der PASOK einleiteten, änderte sich dies: SYRIZA wurde mit knapp 17 Prozent zur zweitstärksten Partei nach der ND. Linksextreme Positionen wurden plötzlich zur möglichen Regierungsfähigkeit erhoben. Radikal waren und sind die Positionen von SYRIZA insbesondere im Hinblick auf die zwischen Griechenland und den internationalen Kreditgebern vereinbarten Spar- und Reformmaßnahmen, die im sogenannten „Memorandum“ fixiert wurden: SYRIZA drohte nach dem ersten Parlamentswahlgang 2012 konkret damit, die Kreditvereinbarung einseitig aufzukündigen, um dem „Spardiktat“ der ausländischen Unterstützer aus dem Wege zu gehen. Der Austritt Griechenlands aus der Eurozone war zu diesem Zeitpunkt sehr greifbar und führte beim zweiten Wahlgang im Juni 2012 schließlich zu einer proeuropäisch geprägten Wahlentscheidung der Griechen, die ND und PASOK, gemeinsam mit den gemäßigten Linken der Dimar, in die Regierungsverantwortung einer Koalition hob. Seitdem bemüht sich SYRIZA einen schwierigen Spagat zwischen linksextremen Positionen und gemäßigtem pro-europäischem Bekenntnis zu vollziehen, um die linksbürgerlichen Kreise ehemaliger PASOK-Wähler zu gewinnen. Der Aufstieg der Partei unter ihrem jungen, charismatischen Parteivorsitzenden Alexis Tsipras ist beachtlich, doch die Regierungsfähigkeit bleibt, trotz wachsender Wählerzustimmung, bisher noch fraglich. Dies stellte sich auch im Mai 2014 bei den Lokal- und Kommunalwahlen in Griechenland ebenso wie bei den Ergebnissen der Europawahl heraus: die Partei blieb hinter den von SYRIZA zunächst erhofften Zugewinnen zurück.
Linksextremismus mit historischen Wurzeln
Gewaltanwendung von Vertretern aus dem linken oder autonomen Spektrum haben in Griechenland nach der Militärdiktatur sehr stark Fuß gefasst. Erstaunlich ist die hohe gesellschaftliche Akzeptanz sowie der öffentliche Bewegungs- und Artikulationsspielraum für diese Gruppierungen. So befindet sich Athen jedes Jahr am 17. November und am 6. Dezember im Ausnahmezustand, wenn Studenten und Gewerkschaften an zwei wichtige Ereignisse der jüngeren Vergangenheit erinnern: am 17. November 1973 wurde der Studentenaufstand am Polytechnio, der technischen Universität Athens, gegen das Regime der Militär-Junta brutal niedergeschlagen. Dabei kamen mindestens 24 Menschen ums Leben. Und am 6. Dezember 2008 wurde der 16-jährige Alexis Grigoropoulos im Zuge einer gewaltvollen Auseinandersetzung zwischen der Polizei und einer Gruppe Autonomer von einem Polizisten in Athen erschossen. Daran knüpfen bis heute in der Regel von gewaltvollen Auseinandersetzungen mit der Polizei geprägte Demonstrationen und Ausschreitungen an.
Als „Erben“ des Polytechnio-Aufstandes sahen sich auch die Mitglieder der zwischen 1975 und 2002 über 25 Jahre aktiv wirkenden Terrorzelle „Revolutionäre Organisation 17. November“. Auf das Konto der marxistischen, antikapitalistischen Terrorgruppe gingen 103 Anschläge und 23 Morde, zunächst an Mitgliedern der Junta sowie Unterstützern derselben. Geheimdienstmitarbeiter, Diplomaten, Politiker, Bankiers, Unternehmer und andere als „Repräsentanten des Kapitalismus“ eingestufte Opfer folgten. Der Gruppe des 17. November fiel auch der Ehemann von Dora Bakoyannis, ehemalige griechische Außenministerin und Bürgermeisterin von Athen, zum Opfer. 2002 wurde die Organisation zerschlagen und die Haupttäter zu hohen Haftstrafen verurteilt. Doch mit der Flucht ihres prominentesten Mitglieds, dem Kopf der Zelle Christodoulos Xiros, Anfang des Jahres 2014 ist die Gruppe erneut in die Schlagzeilen geraten. Dies umso mehr, als jüngste, brutal ausgeführte Anschläge wie auf die Residenz des deutschen Botschafters sowie der Bombenanschlag auf die griechische Nationalbank im Vorfeld des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel im April 2014 auch im Milieu von Xiros verortet werden. Xiros bewegt sich dabei in einem Umfeld von insgesamt 87 Terrororganisationen, die es derzeit im linken politischen Spektrum in Griechenland gibt. Zu ihnen zählen Gruppierungen wie die „Volksrächer“ oder die „Militanten Revolutionären Volkskräfte“. Letztgenannte bekannten sich Ende 2013 zum Mord an zwei Mitgliedern der rechtsradikalen Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte). Auf das Konto der linken Terrorgruppen gehen darüber hinaus – weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtet – zahlreiche Bomben- und Gaskartuschenanschläge im griechischen Alltag, die sich zum Glück meist auf Sachschäden beschränken. Bombendrohungen gehen in diesem Kontext bis heute regelmäßig an den Leiter der griechischen Zentralbank, Journalisten und andere prominente Vertreter des „Systems“.
Erheblich gestärkte Kräfte am rechten Rand
Rechtsextreme Parteien haben, auch vor dem Hintergrund der sehr präsenten Erinnerungen an die Schrecken der Militärdiktatur, in Griechenland lange eine untergeordnete Rolle gespielt. Lange Zeit schaffte keine der Parteien, die rechtsextremes Gedankengut vertreten, den Sprung aus der Bedeutungslosigkeit. Dies änderte sich erstmals, als 2007 mit 3,8 Prozent der Wählerstimmen zehn Abgeordnete der nationalistisch und fremdenfeindlich aufgestellten Laikós Orthódoxos Synagermós (L.A.O.S., Völkische Orthodoxe Sammlung) in das griechische Parlament einzogen. Die damit geschaffene öffentliche Plattform für rechtsextremes Gedankengut war für Griechenland ein Novum. Dennoch konsolidierte sich dieser Weg mit dem Zugewinn von weiteren fünf Abgeordneten für L.A.O.S. bei den Parlamentswahlen 2009. 2011 bis 2012 beteiligte sich die Partei kurzzeitig an der technokratischen Regierung unter Ministerpräsident Loukas Papadimos, bevor sie sich aus Protest gegen die von der Regierung verfolgte Sparpolitik zurückzog.
Damit war das Terrain für einen noch tieferen Bruch im für Griechenland und seine Parteienlandschaft sehr bedeutenden Wahljahr 2012 geebnet: Im ersten Parlamentswahlgang Anfang Mai 2012 zog mit knapp 7 Prozent die rechtsradikale Partei Chrysi Avgi in das griechische Parlament ein. Dieses Ergebnis konnte – nach gescheiterter Regierungsbildung – bei den zweiten Wahlen im Juni 2012 gehalten werden – und brachte die entsprechende Schwächung der L.A.O.S. mit sich, die bei den Europawahlen 2014 nur noch 2,7 Prozent Zustimmung erhielt.
Die 1983 gegründete, neofaschistische Partei Chrysi Avgi stieg aus völliger Bedeutungslosigkeit plötzlich als politisch relevante Kraft auf. Die Vorbereitung dafür erfolgte in intensiver lokaler Arbeit, in der die Partei suggerierte, die „Ordnung“ wiederherzustellen, die der Staat durch seinen krisenbedingten Rückzug vernachlässigt habe. Dies betraf vor allem die hohe Präsenz von Chrysi Avgi in prekären Stadtteilen Athens, in denen sich – auch krisenbedingte – soziale Probleme von Arbeitslosigkeit und irregulärer Zuwanderung ballten. Die Rechtsradikalen zeigten Präsenz in Form von Bürgerwehren und Schlägertrupps, die vor tätlichen Angriffen gegen Migranten und Linke nicht zurückschreckten. Mehrere Morde gehen seit 2012 auf das Konto von Chrysi Avgi. Einen vorläufigen Höhepunkt fand diese Entwicklung im September 2013, als der in der linken Musikszene beliebte Rapper Pavlos Fyssas in Peirama, einem von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Stadtteil Athens, von zwei Parteimitgliedern der Chrysi Avgi mit mehreren Messerstichen getötet wurde. Die Situation eskalierte und tagelange Proteste aus dem linken, aber auch aus dem bürgerlichen politischen Spektrum folgten.
Die Justiz wurde in der Folge aktiv und leitete gegen über 20 Parteimitglieder der Chrysi Avgi, darunter neun Parlamentsabgeordnete, ein Verfahren wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung ein. Die Beschuldigten sitzen seitdem in Untersuchungshaft, das Verfahren ist aufgrund seiner Komplexität und da es einen Präzedenzfall darstellt, noch anhängig. Ein Verbotsverfahren gegen Parteien ist in der griechischen Verfassung nicht vorgesehen. Trotz der andauernden Prüfung wurde Chrysi Avgi gemäß Beschluss des Staatsrates vom Mai 2014 zu den Europawahlen zugelassen und erzielte mit 9,38 Prozent weitere Zugewinne in der Wählergunst. Und bei den zeitgleich durchgeführten Kommunalwahlen bestätigte sich die lokale Verankerung dieser neofaschistischen Partei, die gezielte Kampagnen im Umfeld von Schulen, Sportvereinen und Gangs durchführt: vor allem in Athen und dem Großraum Attika konnte Chrysi Avgi weiteren Zuspruch sicherstellen. So erhielt der in Untersuchungshaft befindliche Bürgermeisterkandidat für Athen, Ilias Kasidiaris, 16 Prozent der Wählerstimmen.
Die erheblichen Friktionen in der griechischen Parteienlandschaft seit 2012 werden gerade am massiven Zulauf zu der rechtsextremen Chrysi Avgi überaus deutlich, handelt es sich doch um eine Entwicklung, die in dieser Form in Griechenland über Jahrzehnte undenkbar gewesen wäre.
Umbrüche und Radikalisierungen im Zeichen der Krise
Die erheblichen wirtschaftlichen Umbrüche in Griechenland zeitigen seit den Parlamentswahlen 2012 auch sehr deutlich politische Konsequenzen. Diese haben mit der Verschuldungskrise des Landes einen Auslöser gefunden, die eigentlichen Ursachen liegen jedoch in der besonderen politischen Kultur Griechenlands, in der sich lange historische Linien von Fremdbestimmung und internen Konflikten finden lassen. Darüber hinaus war ein über die letzten Jahrzehnte erstarrtes System zweier abwechselnd herrschender Parteien inhaltlich, strategisch und personell der Krisensituation des Landes nicht gewachsen. ND und PASOK verloren Wählerzustimmung von gemeinsamen 77,5 Prozent bei den Wahlen 2009 auf zusammen 32 Prozent im Jahr 2012. Insbesondere der Niedergang der PASOK – von einer absoluten Mehrheit bei den Parlamentswahlen 2009 kommend – auf rund 8 Prozent für das neue sozialdemokratische Bündnis, das bei den Europawahlen 2014 antrat, verleiht dem deutlichen Ausdruck. Der Wähler hat die Funktionalitäten des klassischen Zweiparteiensystems umgestürzt und neue Akteure in den Ring gehoben. Dies bringt – positiv betrachtet – auf absehbare Zeit die Notwendigkeit von Koalitionsbildungen und somit Kompromissfindung mit sich. Kritisch betrachtet sind jedoch insbesondere die extremen Ränder bei den letzten drei Wahlen gestärkt worden, da die politische Antwort aus der Mitte oder auch alternative Angebote zu den traditionellen beiden Volksparteien sowie deren inhaltliche und personelle Neuaufstellung noch ausstehen. Bis dahin bewegt sich Griechenland nun merklich in einer prekären Umbruchphase politischer Instabilität, die das Wahlvolk oftmals ratlos an die Urnen treten lässt. Der Trend zur Stärkung von Bewegungen, die immer seltener auf Politiker in der personellen Aufstellung setzen und sich „antisystemisch“ positionieren, ist dabei ebenfalls bedenklich. Dies ist der ideale Nährboden für den weiteren Zugewinn für extremistische Positionen – sei es am linken oder rechten Rand.