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Demokratie
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In der Auseinandersetzung mit politischen Extremisten fordern nicht-extremistische Kräfte immer wieder: „Wir Demokraten müssen zusammenstehen!“. Die Formulierung unterstellt einen Gegensatz von Extremismus und Demokratie, der so nur besteht, wenn die liberale, rechtsstaatliche Demokratie gemeint ist. Etliche Extremisten nutzen die Unschärfe des Begriffs Demokratie, um sich als die „wahren“ Demokraten darzustellen. Denn nur ein Teil der politischen Extremisten strebt offen eine autoritäre Diktatur an – viele gerieren sich als Demokraten, verbinden damit aber ganz andere Vorstellungen. Im Folgenden werden zunächst kurze Beispiele der Inanspruchnahme des Begriffs der Demokratie im Rechts- und Linksextremismus gezeigt, bevor auf die Gemeinsamkeiten rechts- und linksextremistischer Umdeutungen des Demokratiebegriffs eingegangen wird.
Beispiele im Rechtsextremismus
Dass Rechtsextremisten sich als die wahren Demokraten gerieren, ist nicht neu. Die 1964 gegründete NPD (heute Die Heimat) verwendete den Begriff in ihrem Namen (Nationaldemokratische Partei Deutschlands), von dem sie sich nicht wegen des Demokratiebezugs getrennt hat, sondern wegen des negativen Images. Angesichts der autoritären politischen Vorstellungen innerhalb der Partei ließe sich das Eintreten für Demokratie als Propaganda zurückweisen, doch dies würde zu kurz greifen. Die Partei fordert „die Ablösung der Regierung durch demokratische Entscheidungen“ und meint damit Entscheidungen, die das „deutsche Volk“ trifft.1 Dazu zählen erwartungsgemäß nur diejenigen, die von Deutschen abstammen und damit Teil der Volksgemeinschaft im Sinne der NPD sind2 – für alle „Fremden“ fordert das Programm eine „Rückkehrpflicht“.3 Im Zentrum des Demokratieverständnisses steht somit ein biologistisches Verständnis des „demos“, des Volkes.
Während bei Die Heimat ein demokratischer Anspruch zwar erhoben wird, ihm aber in der Programmatik und innerhalb der Partei keine wesentliche Bedeutung zukommt, spielt er in der Neuen Rechten und in den extremistischen Teilen der AfD eine wichtige Rolle. Hier ist zunächst eine Präzisierung der Abgrenzungen erforderlich. Unter der „Neuen Rechten“ werden alle Akteure gefasst, die sich positiv auf die Ablehnung der liberalen, parlamentarischen und pluralistischen Demokratie durch Vertreter der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik wie u. a. Carl Schmitt, Edgar Julius Jung, Arthur Moeller van den Bruck beziehen und deren theoretische Konzepte auf die Gegenwart übertragen. Zu diesen Akteuren zählen u. a. das Institut für Staatspolitik, dessen Veranstaltungsaktivitäten von Götz Kubitschek seit Mai 2024 in dem Unternehmen „Menschenpark fortgeführt werden, Verlage wie Antaios und Jungeuropa, Fundraising- und Vernetzungsorganisationen wie „Ein Prozent“ und aktionsorientierte Organisationen wie die Identitäre Bewegung. Die Neue Rechte spielt für die AfD mittlerweile eine starke, wenn nicht sogar dominierende Rolle; ihr stehen Politiker wie u. a. Björn Höcke (Thüringen), Hans-Christoph Berndt (Brandenburg), Matthias Helferich (Nordrhein-Westfalen), Maximilian Krah (Sachsen), Hans-Thomas Tillschneider (Sachsen-Anhalt) und Sebastian Münzenmaier (Rheinland-Pfalz) nahe.
Vertreter der Neuen Rechte verstehen unter Demokratie die Umsetzung des Volkswillens durch die Regierung. Prioritär ist für sie die Frage, wie sich der Volkswille herausbildet – nämlich auf der Grundlage eines ethnisch und kulturell homogenen Volkes. In diesem Punkt knüpfen sie an der identitären Demokratietheorie des Staatsrechtlers Carl Schmitt an, der in seinen parlamentarismus- und liberalismuskritischen Schriften der 1920er Jahre die Bedeutung der Homogenität des Volkes als Voraussetzung für die Herausbildung des Volkswillens betont hat. Mit ethnisch-kultureller Homogenität meint die Neue Rechte: Nur in einer Gemeinschaft von Menschen gleicher Abstammung kann sich eine gemeinsame Kultur und eine Wertegemeinschaft herausbilden. Anders als in der Partei Die Heimat ist dies zumindest nach außen hin nicht mit offenem Rassismus verbunden. Vielmehr wird mit dem Ethnopluralismus die These aufgestellt, dass es eine Vielheit von Völkern gibt, denen das gleiche Recht zukommt, ihren jeweiligen Willen auf der Grundlage einer solchen homogenen Gemeinschaft zu verwirklichen.
Diese Demokratiekonzeption enthält zwei wichtige Implikationen: Zum einen geht sie davon aus, dass eine Regierung einen homogenen Volkswillen umsetzen soll. Damit wenden sich Vertreter der Neuen Rechten wie bereits Carl Schmitt gegen das Konzept einer pluralistischen, liberalen Demokratie, in der die Vielheit der im Volk vertretenen politischen Vorstellungen und Interessen in Parteien gebündelt, im Parlament repräsentiert und in der parlamentarischen Arbeit in Kompromissen und Aushandlungsprozessen in politische Entscheidungen umgesetzt wird.
Zum anderen beruht das Konzept der Homogenität von Carl Schmitt auf dessen Verständnis von Politik als Ergebnis der Dualität von Freund und Feind: Eine Gemeinschaft zieht ihre Identität nicht aus der positiven Bezugnahme auf das Eigene, sondern aus der Abgrenzung vom Feind, d. h. den anderen Völkern. Das ist der Grund dafür, dass sich die Völker nicht vermischen dürfen, weil dann die aus der Abgrenzung von anderen Völkern abgeleitete Identität verloren geht.
An dieser Dualität knüpfen Vertreter der Neuen Rechten bzw. der AfD an. Nach Maximilian Krah steht der Feind heute nicht außerhalb des eigenen Landes, sondern im eigenen Land. Der Feind, das sei die „Ideologie des woken Linksliberalismus“, die mit ihrer Politik auf nationaler und internationaler Ebene die Identität der Völker zerstören will. Auch die Politik von Russland und China deutet er als Verteidigung gegen die von den Vereinigten Staaten angeführte Wokeness.4 Der Kampf gegen diesen – international agierenden – Feind ist ein „Akt des Selbsterhalts“ – mit ihm kann es keinen Interessenausgleich geben.5 Aus dieser Zuspitzung folgt, dass die Beteiligung an den Verfahren der parlamentarischen Demokratie nicht dem politischen Wettbewerb unter Gegnern in Hinblick auf gute politische Lösung, sondern dem Kampf gegen den politischen Feind in Hinblick auf die Selbstdurchsetzung dient.
Im Linksextremismus gibt es in ähnlicher Weise eine Unterscheidung zwischen orthodoxen und neueren Umdeutungen der Demokratie wie im Rechtsextremismus. Die an Lenin orientierte DKP und alle weiteren orthodox marxistisch-leninistischen Akteure im Linksextremismus haben ein Demokratieverständnis, das mit dem der „Volksdemokratie“ in den bis 1989 von der Sowjetunion geprägten Staaten übereinstimmt. Die DKP nennt dies heute die „politische Macht des arbeitenden Volkes“6; gemeint ist die Diktatur des Proletariats, die nach Lenin zugleich Diktatur und Demokratie sein soll – Diktatur für die ehemaligen Kapitalisten, die unterdrückt werden müssen, und Demokratie für das Proletariat. Damit war nicht gemeint, dass das Proletariat Mitbestimmungsrechte bekommt, sondern dass die Partei auf der Grundlage ihrer besonderen Kenntnis der Bewegungsgesetze der Geschichte im Sinne des Proletariats Entscheidungen trifft – dies nannte Lenin Demokratie.7
Eine solche Demokratie, die tatsächlich eine offene Diktatur ist, lehnt eine Reihe von Linksextremisten ab. Während Autonome unter „wahrer Demokratie“ eine Selbstbefreiung der Menschen von jedweder Form der Herrschaft verstehen, die zunächst in den von Szeneangehörigen erkämpften Freiräumen praktiziert werden soll, knüpfen andere an radikaldemokratischen Positionen an, mit denen die Verbindung von parlamentarischer Demokratie und Kapitalismus überwunden werden soll.
So strebt die postautonome „Interventionistische Linke“ in einem neuen Grundsatzdokument eine umfassende Vergesellschaftung an, mit der radikaldemokratische Vorstellungen politischer Entscheidungsfindung umgesetzt werden sollen: „Vergesellschaftung meint die umfassende Demokratisierung von Produktion und Reproduktion, indem sie aus der Kontrolle von Staat und Kapital befreit werden.“ Hierfür bedarf es einer neuen Eigentumsstruktur, bei der das Privateigentum durch kollektives Eigentum abgelöst wird, einer neuen demokratischen Entscheidungsstruktur über die Verfügung über dieses Eigentum und einer Änderung des Zwecks des Eigentums – weg von der Profitmaximierung, hin zur Bedürfnisbefriedigung.8
Wenngleich die Umdeutung des Demokratieverständnisses durch radikaldemokratische Positionen im Linksextremismus auf den ersten Blick sehr verschieden ist von denjenigen im Rechtsextremismus, gibt es auf der grundsätzlichen Ebene eine wesentliche Gemeinsamkeit: Sie knüpfen an der identitären Demokratiekonzeption von Jean-Jacques Rousseau an, auf den sowohl Carl Schmitt als auch radikaldemokratische Theoretiker sich berufen.
Nach Rousseau besteht die Voraussetzung für demokratische Politik darin, dass die Regierung den Gemeinwillen, die „volonté générale“, umsetzt. Der Gemeinwille bildet sich, wenn alle Glieder der Gemeinschaft sich in gleicher Weise dem gemeinsamen Willen unterwerfen.9 Das aber funktioniert nach Rousseau nur, wenn alle im Volk an der Willensbildung beteiligt sind – die parlamentarische Demokratie lehnt er ab. Zudem muss das Volk die unangefochtene Entscheidungsinstanz sein: Jede Form von Gewaltenteilung gefährde die Einheit des Gemeinwillens und damit die Demokratie.10
Nach Rousseau setzt die Regierung den einheitlichen Volkswillen um. Dieses Konzept wird anknüpfend an Carl Schmitts Formulierung, dass die Identität des Wollens von Regierenden und Regierten angestrebt wird, identitäre Demokratietheorie genannt. Sie steht in diametralem Gegensatz zur pluralistischen Demokratie, in der die Vielheit der unterschiedlichen politischen Vorstellungen und Interessen nicht durch einen Prozess der „Homogenisierung“ überwunden wird.11 Vielmehr sollen sie im Parlament repräsentiert werden, wo es mittels Aushandlungsprozessen zu Kompromissen und Mehrheitsentscheidungen (unter Respektierung von Minderheitenrechten) kommen soll.
Vor dem Hintergrund des Gegensatzes von identitärer und pluralistischer Demokratie sowie der Tatsache, dass zahlreiche extremistische Positionen sich auf identitäre Demokratiekonzeptionen in der einen oder anderen Variante berufen, wird deutlich, wie wesentlich es ist, in der politischen Auseinandersetzung die Forderung nach „Verteidigung der Demokratie“ zu qualifizieren und zu betonen, dass es nicht um Demokratie schlechthin, sondern um eine bestimmte Demokratie geht.
Während bei Die Heimat ein demokratischer Anspruch zwar erhoben wird, ihm aber in der Programmatik und innerhalb der Partei keine wesentliche Bedeutung zukommt, spielt er in der Neuen Rechten und in den extremistischen Teilen der AfD eine wichtige Rolle. Hier ist zunächst eine Präzisierung der Abgrenzungen erforderlich. Unter der „Neuen Rechten“ werden alle Akteure gefasst, die sich positiv auf die Ablehnung der liberalen, parlamentarischen und pluralistischen Demokratie durch Vertreter der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik wie u. a. Carl Schmitt, Edgar Julius Jung, Arthur Moeller van den Bruck beziehen und deren theoretische Konzepte auf die Gegenwart übertragen. Zu diesen Akteuren zählen u. a. das Institut für Staatspolitik, dessen Veranstaltungsaktivitäten von Götz Kubitschek seit Mai 2024 in dem Unternehmen „Menschenpark fortgeführt werden, Verlage wie Antaios und Jungeuropa, Fundraising- und Vernetzungsorganisationen wie „Ein Prozent“ und aktionsorientierte Organisationen wie die Identitäre Bewegung. Die Neue Rechte spielt für die AfD mittlerweile eine starke, wenn nicht sogar dominierende Rolle; ihr stehen Politiker wie u. a. Björn Höcke (Thüringen), Hans-Christoph Berndt (Brandenburg), Matthias Helferich (Nordrhein-Westfalen), Maximilian Krah (Sachsen), Hans-Thomas Tillschneider (Sachsen-Anhalt) und Sebastian Münzenmaier (Rheinland-Pfalz) nahe.
Vertreter der Neuen Rechte verstehen unter Demokratie die Umsetzung des Volkswillens durch die Regierung. Prioritär ist für sie die Frage, wie sich der Volkswille herausbildet – nämlich auf der Grundlage eines ethnisch und kulturell homogenen Volkes. In diesem Punkt knüpfen sie an der identitären Demokratietheorie des Staatsrechtlers Carl Schmitt an, der in seinen parlamentarismus- und liberalismuskritischen Schriften der 1920er Jahre die Bedeutung der Homogenität des Volkes als Voraussetzung für die Herausbildung des Volkswillens betont hat. Mit ethnisch-kultureller Homogenität meint die Neue Rechte: Nur in einer Gemeinschaft von Menschen gleicher Abstammung kann sich eine gemeinsame Kultur und eine Wertegemeinschaft herausbilden. Anders als in der Partei Die Heimat ist dies zumindest nach außen hin nicht mit offenem Rassismus verbunden. Vielmehr wird mit dem Ethnopluralismus die These aufgestellt, dass es eine Vielheit von Völkern gibt, denen das gleiche Recht zukommt, ihren jeweiligen Willen auf der Grundlage einer solchen homogenen Gemeinschaft zu verwirklichen.
Diese Demokratiekonzeption enthält zwei wichtige Implikationen: Zum einen geht sie davon aus, dass eine Regierung einen homogenen Volkswillen umsetzen soll. Damit wenden sich Vertreter der Neuen Rechten wie bereits Carl Schmitt gegen das Konzept einer pluralistischen, liberalen Demokratie, in der die Vielheit der im Volk vertretenen politischen Vorstellungen und Interessen in Parteien gebündelt, im Parlament repräsentiert und in der parlamentarischen Arbeit in Kompromissen und Aushandlungsprozessen in politische Entscheidungen umgesetzt wird.
Zum anderen beruht das Konzept der Homogenität von Carl Schmitt auf dessen Verständnis von Politik als Ergebnis der Dualität von Freund und Feind: Eine Gemeinschaft zieht ihre Identität nicht aus der positiven Bezugnahme auf das Eigene, sondern aus der Abgrenzung vom Feind, d. h. den anderen Völkern. Das ist der Grund dafür, dass sich die Völker nicht vermischen dürfen, weil dann die aus der Abgrenzung von anderen Völkern abgeleitete Identität verloren geht.
An dieser Dualität knüpfen Vertreter der Neuen Rechten bzw. der AfD an. Nach Maximilian Krah steht der Feind heute nicht außerhalb des eigenen Landes, sondern im eigenen Land. Der Feind, das sei die „Ideologie des woken Linksliberalismus“, die mit ihrer Politik auf nationaler und internationaler Ebene die Identität der Völker zerstören will. Auch die Politik von Russland und China deutet er als Verteidigung gegen die von den Vereinigten Staaten angeführte Wokeness.12 Der Kampf gegen diesen – international agierenden – Feind ist ein „Akt des Selbsterhalts“ – mit ihm kann es keinen Interessenausgleich geben.13 Aus dieser Zuspitzung folgt, dass die Beteiligung an den Verfahren der parlamentarischen Demokratie nicht dem politischen Wettbewerb unter Gegnern in Hinblick auf gute politische Lösung, sondern dem Kampf gegen den politischen Feind in Hinblick auf die Selbstdurchsetzung dient.
Im Linksextremismus gibt es in ähnlicher Weise eine Unterscheidung zwischen orthodoxen und neueren Umdeutungen der Demokratie wie im Rechtsextremismus. Die an Lenin orientierte DKP und alle weiteren orthodox marxistisch-leninistischen Akteure im Linksextremismus haben ein Demokratieverständnis, das mit dem der „Volksdemokratie“ in den bis 1989 von der Sowjetunion geprägten Staaten übereinstimmt. Die DKP nennt dies heute die „politische Macht des arbeitenden Volkes“14; gemeint ist die Diktatur des Proletariats, die nach Lenin zugleich Diktatur und Demokratie sein soll – Diktatur für die ehemaligen Kapitalisten, die unterdrückt werden müssen, und Demokratie für das Proletariat. Damit war nicht gemeint, dass das Proletariat Mitbestimmungsrechte bekommt, sondern dass die Partei auf der Grundlage ihrer besonderen Kenntnis der Bewegungsgesetze der Geschichte im Sinne des Proletariats Entscheidungen trifft – dies nannte Lenin Demokratie.15
Eine solche Demokratie, die tatsächlich eine offene Diktatur ist, lehnt eine Reihe von Linksextremisten ab. Während Autonome unter „wahrer Demokratie“ eine Selbstbefreiung der Menschen von jedweder Form der Herrschaft verstehen, die zunächst in den von Szeneangehörigen erkämpften Freiräumen praktiziert werden soll, knüpfen andere an radikaldemokratischen Positionen an, mit denen die Verbindung von parlamentarischer Demokratie und Kapitalismus überwunden werden soll.
So strebt die postautonome „Interventionistische Linke“ in einem neuen Grundsatzdokument eine umfassende Vergesellschaftung an, mit der radikaldemokratische Vorstellungen politischer Entscheidungsfindung umgesetzt werden sollen: „Vergesellschaftung meint die umfassende Demokratisierung von Produktion und Reproduktion, indem sie aus der Kontrolle von Staat und Kapital befreit werden.“ Hierfür bedarf es einer neuen Eigentumsstruktur, bei der das Privateigentum durch kollektives Eigentum abgelöst wird, einer neuen demokratischen Entscheidungsstruktur über die Verfügung über dieses Eigentum und einer Änderung des Zwecks des Eigentums – weg von der Profitmaximierung, hin zur Bedürfnisbefriedigung.16
Wenngleich die Umdeutung des Demokratieverständnisses durch radikaldemokratische Positionen im Linksextremismus auf den ersten Blick sehr verschieden ist von denjenigen im Rechtsextremismus, gibt es auf der grundsätzlichen Ebene eine wesentliche Gemeinsamkeit: Sie knüpfen an der identitären Demokratiekonzeption von Jean-Jacques Rousseau an, auf den sowohl Carl Schmitt als auch radikaldemokratische Theoretiker sich berufen.
Nach Rousseau besteht die Voraussetzung für demokratische Politik darin, dass die Regierung den Gemeinwillen, die „volonté générale“, umsetzt. Der Gemeinwille bildet sich, wenn alle Glieder der Gemeinschaft sich in gleicher Weise dem gemeinsamen Willen unterwerfen.17 Das aber funktioniert nach Rousseau nur, wenn alle im Volk an der Willensbildung beteiligt sind – die parlamentarische Demokratie lehnt er ab. Zudem muss das Volk die unangefochtene Entscheidungsinstanz sein: Jede Form von Gewaltenteilung gefährde die Einheit des Gemeinwillens und damit die Demokratie.18
Nach Rousseau setzt die Regierung den einheitlichen Volkswillen um. Dieses Konzept wird anknüpfend an Carl Schmitts Formulierung, dass die Identität des Wollens von Regierenden und Regierten angestrebt wird, identitäre Demokratietheorie genannt. Sie steht in diametralem Gegensatz zur pluralistischen Demokratie, in der die Vielheit der unterschiedlichen politischen Vorstellungen und Interessen nicht durch einen Prozess der „Homogenisierung“ überwunden wird.19 Vielmehr sollen sie im Parlament repräsentiert werden, wo es mittels Aushandlungsprozessen zu Kompromissen und Mehrheitsentscheidungen (unter Respektierung von Minderheitenrechten) kommen soll.
Vor dem Hintergrund des Gegensatzes von identitärer und pluralistischer Demokratie sowie der Tatsache, dass zahlreiche extremistische Positionen sich auf identitäre Demokratiekonzeptionen in der einen oder anderen Variante berufen, wird deutlich, wie wesentlich es ist, in der politischen Auseinandersetzung die Forderung nach „Verteidigung der Demokratie“ zu qualifizieren und zu betonen, dass es nicht um Demokratie schlechthin, sondern um eine bestimmte Demokratie geht.
1 Parteiprogramm der Partei Die Heimat von 2010 in der Fassung von 2023, S. 13.
2 Ebd., S. 8f. und 11.
3 Ebd., S. 8.
4 Ebd., S. 204.
5 Ebd., S. 203.
6 Deutsche Kommunistische Partei: Programm der DKP, beschlossen auf der 2. Tagung des 17. Parteitages der DKP am 8. April 2006, 7. Auflage, September 2020 (https://dkp.de/wp-content/uploads/programmatik/DKP-Programm.pdf), Präambel.
7 W. I. Lenin, Staat und Revolution, in: Lenin: Werke, Bd. 25, Berlin, Dietz-Verlag, 1974, S. 397-507, hier: S. 473-478.
8 Interventionistische Linke: Zwischenstandspapier #2: Gegenmacht aufbauen, Gelegenheiten ergreifen. Il im Umbruch, Interventionistische Linke [IL], Juni 2024 (https://interventionistische-linke.org/zwischenstandspapier-2), S. 36.
9 Jean-Jacques Rousseau: Vom Gesellschaftsvertrag, Stuttgart, Reclam, 2018, Teil I, Kapitel 6.
10 Ebd., Teil II, Kapitel 1 und 2.
11 Vgl. dazu die Konzeption des Neopluralismus von Ernst Fraenkel: Strukturdefekte der Demokratie und deren Überwindung, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, 9. Aufl., Baden-Baden, Nomos, 2011, S. 91-113.
12 Ebd., S. 204.
13 Ebd., S. 203.
14 Deutsche Kommunistische Partei: Programm der DKP, beschlossen auf der 2. Tagung des 17. Parteitages der DKP am 8. April 2006, 7. Auflage, September 2020 (https://dkp.de/wp-content/uploads/programmatik/DKP-Programm.pdf), Präambel.
15 W. I. Lenin, Staat und Revolution, in: Lenin: Werke, Bd. 25, Berlin, Dietz-Verlag, 1974, S. 397-507, hier: S. 473-478.
16 Interventionistische Linke: Zwischenstandspapier #2: Gegenmacht aufbauen, Gelegenheiten ergreifen. Il im Umbruch, Interventionistische Linke [IL], Juni 2024 (https://interventionistische-linke.org/zwischenstandspapier-2), S. 36.
17 Jean-Jacques Rousseau: Vom Gesellschaftsvertrag, Stuttgart, Reclam, 2018, Teil I, Kapitel 6.
18 Ebd., Teil II, Kapitel 1 und 2.
19 Vgl. dazu die Konzeption des Neopluralismus von Ernst Fraenkel: Strukturdefekte der Demokratie und deren Überwindung, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, 9. Aufl., Baden-Baden, Nomos, 2011, S. 91-113.