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Warum liegt das Gewaltmonopol beim Staat?
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Relevante Teile des Linksextremismus, vor allem Anarchisten und Kommunisten, halten den „kapitalistischen“ Staat der Bundesrepublik, also Demokratie und Soziale Marktwirtschaft, für strukturell „repressiv“. Das gilt aus ihrer Sicht gerade auch für das Gewaltmonopol des demokratischen Staates. Gegen die „strukturelle Gewalt“ des „kapitalistischen“ Staates wehren sich Teile des Linksextremismus, vor allem Autonome, auch mit Gewalt. Aus ihrer Sicht ist es legitime Notwehr, Brandsätze in Kaufhäuser zu werfen, Bankgebäude zu „entglasen“ oder „Nobelkarossen abzufackeln“. Solche Gewalt ist aus ihrer Sicht anti-„kapitalistische“ und antistaatliche „Gegengewalt“. Mit ihr wollen sie letztlich eine herrschaftsfreie Gesellschaft durchsetzen.
Eine solche Gesellschaft ist jedoch Utopie. Das zeigt die historische Erfahrung. In allen kommunistischen Diktaturen wucherte die Staatlichkeit, statt abzusterben, wie ihre Ideologie es vorsah. Der sozialistische Staat missbrauchte sein Gewaltmonopol, um Menschenrechte zu verletzen und die eigene Herrschaft mit repressiven Mitteln gegen legitime Kritik zu verteidigen. Oftmals verunglimpfen Diktatoren bis heute antidiktatorisch-demokratische Opposition als „Terrorismus“. Ein staatliches Gewaltmonopol ist also nicht per se unproblematisch, es kommt sehr wohl auf seine Ausgestaltung an.
Der Begriff „staatliches Gewaltmonopol“ meint heute den Verzicht der Bürger, etwa durch Selbstjustiz Gewalt auszuüben, um eigene Interessen und Wertvorstellungen durchzusetzen. Stattdessen beauftragen die Bürger in einer rechtsstaatlichen Demokratie in den Wahlen zur Legislative die Exekutive und die Judikative, die Interessen und Wertvorstellungen der Mehrheit und die Wahrung von Minderheitenrechten durchzusetzen – auf Basis der demokratischen Verfassung sowie der demokratischen Verordnungen und Gesetze.
Ein Gewaltmonopol existiert, wenn alle legitime Ausübung von Gewalt, sei es mit oder ohne Waffen, innerhalb eines Gemeinwesens von einer Stelle ausgeht, nämlich dem Staat, der zur Durchsetzung des Rechts, etwa zur Abwehr von Terrorismus, Gewalt anwenden darf – nach festgelegten Regeln des demokratischen Rechtsstaates. In einer rechtsstaatlichen Demokratie beanspruchen Exekutive und Judikative mit Armee, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten legitimerweise das staatliche Gewaltmonopol. Körperliche Gewalt anwenden dürfen staatliche Stellen freilich nur dann, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen.
Ausnahmsweise dürfen auch die Bürger selbst Gewalt anwenden, etwa dann, wenn sie sich gegen rechtswidrige Angriffe wehren, also in Notwehr handeln. Notwehr ist erlaubt, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, sich gegen einen rechtswidrigen Angriff zu verteidigen.
Wenn die staatliche Rechtsordnung selbst versagt oder der Staat selbst zur Bedrohung für die Rechte der Bürger wird, ist Widerstand erlaubt. Im Grundgesetz heißt es dazu in Artikel 20, Absatz 4: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Der letzte Halbsatz ist nicht nebensächlich, sondern eine notwendige Bedingung. Das Widerstandsrecht kann darüber hinaus nicht als Recht auf die Errichtung einer Diktatur umgedeutet werden.
Zweck des staatlichen Gewaltmonopols ist es, willkürliche Machtausübung durch einzelne Bürger und die gewaltsame Durchsetzung von Partikularinteressen einzelner Personen oder Interessengruppen zu verhindern. Das Gewaltmonopol bedeutet damit auch die Absage an Fehde und Blutrache. Bereits 1792 bemerkte Wilhelm von Humboldt: „Denn bei der Zwietracht entstehen Kämpfe aus Kämpfen. Die Beleidigung fordert Rache, und die Rache ist eine neue Beleidigung. Hier muss man also auf eine Rache zurückkommen, welche keine neue Rache erlaubt – und diese ist die Strafe des Staats.“
Ohne staatliches Gewaltmonopol regierte in einer freien Gesellschaft das Recht des Stärkeren, also eine Art Sozialdarwinismus oder Urwaldrecht. Das wäre das Ende von Minderheitenrechten und von Rechten Schwächerer.
Im Ergebnis leistet das staatliche Gewaltmonopol einen großen Beitrag dazu, Konflikte in einer demokratischen Gesellschaft friedlich auszutragen und vor allem Schwächeren zu ihrem Recht zu verhelfen.
Wenn der Staat sein Gewaltmonopol unzureichend wahrnimmt, also rechtsfreie Räume duldet, kann die Neigung zur Selbstjustiz und zum Faustrecht wachsen, das Schwache und Minderheiten benachteiligt. Umso wichtiger ist es in einer Demokratie, das staatliche Gewaltmonopol nach Recht und Gesetz auszuüben – gleichermaßen maßvoll und konsequent. Gerade im schwachen Staat erklingt der Ruf nach dem starken Mann.
Harald Bergsdorf