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Wie wird man Linksextremist?

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Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie junge Menschen unglücklich in extremistische Gruppen stolpern können. Für die meisten ist das ein vorüber gehender Aufenthalt, der ihren Lebensweg zwar ein wenig behindert, aber nicht grundsätzlich auf die falsche Bahn bringt. Andere geraten auf diese falsche Bahn – und manchmal in einen lebenslänglichen Irrtum. Die Möglichkeiten, wie man Linksextremist wird, darzustellen und vor den Fangtechniken linksextremer Rattenfänger zu warnen, ist uns deshalb ein Anliegen.

 

Ein Blick in die Vergangenheit

In den späten 1960er Jahren waren revolutionäre, linksextremistische und menschenfeindliche Ideen für eine Vielzahl junger Menschen attraktiv. Die meisten kehrten nach einem solchen Ausflug wieder in demokratische Parteien zurück, andere benötigten etwas länger dafür – bis zur Auflösung ihrer maoistischen und stalinistischen Gruppen, die nach 1980 zumeist in den GRÜNEN aufgingen.

Für die sogenannten „1968er“ gab es mannigfaltige Gründe, sich radikal linken Ideen zuzuwenden: Die Amerikaner hatten zwar nach 1945 den Westdeutschen die Demokratie gebracht, führten aber einen Krieg in Vietnam, der mit diesen Prinzipien schwerlich in Einklang zu bringen war. Es gab nach dem kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er und 1960er Jahre erstmals Konjunktureinbrüche und Arbeitslosigkeit. Die Entspannungspolitik erhöhte die Attraktivität marxistischer Gesellschaftskritik: „Links“ zu sein war „in“. Und schließlich: Die 1964 gegründete NPD ließ eine Renaissance rechtsextremistischer Ideen befürchten. Zudem stand die damalige Politik und Justiz in dem Ruf, sich einer Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts zu entziehen. Das stimmte so nicht, wie man heute weiß. Aber es zog weitere junge Menschen nach „links“.

 

Einstiegsmodelle

Unglücklicherweise verfügt die Wissenschaft kaum über belastbare Daten zu den Bedingungen, unter denen junge Menschen in den Linksextremismus geraten. Wie viele linksextremistische Karrieren wie begonnen haben, können wir daher nicht empirisch belegen. Schon aber, dass es die folgenden Einstiegsmöglichkeiten gibt.

  • Der Eintritt in eine linksextremistische Organisation, meistens in diesem Falle eine Partei, kann auf einer jahrzehntealten Prägung einer Familie beruhen. Bis in die 1980er Jahre gab es in den großen Industriestädten Deutschlands noch regelrechte „proletarische Milieus“. Die Tradition als Kommunist hatte manchmal der Urgroßvater 1918 bei der Gründung der KPD begründet und dann über Generationen an die Kinder, Enkel und Urenkel weiter gereicht. Solche kommunistischen Familienclans bildeten die Grundlage der westdeutschen DKP und soweit erkennbar auch die eines Teils der SED-Herrschaftseliten. Oftmals war das mindestens während des Nationalsozialismus auch mit Verfolgung und Opfern verbunden. Allerdings lässt die Anziehungskraft solcher Dynastien nach.
  • Die kommunistische Ideologie enthält eine Vision, die einem jungen Menschen zunächst sympathisch vorkommen mag: Soziale Gleichheit in Harmonie, die Abwesenheit von Konflikten und Kriegen bilden ihre Eckpfeiler. Das kann eine reale Demokratie auch mit einer bestens ausgeprägten Sozialstaatlichkeit weder versprechen noch bieten. Wer sich also dem Ideal absoluter sozialer Gleichheit verschreibt, wird vielleicht nicht sofort erkennen, dass dieses Ideal mit dem menschlichen Bedürfnis nach Freiheit in scharfe Konfrontation geraten kann. In diesem Konflikt zeichnen sich Linksextremisten dadurch aus, dass sie keine Kompromisse zwischen Gleichheit und Freiheit dulden, wie dies in klarer Erkenntnis der widerstreitenden Werte sozialistische und sozialdemokratische Parteien tun. Wer also ohne Abwägung für möglichst radikale soziale Gleichheit eintritt, wird ein entsprechendes ideologisches Angebot eher bei Linksextremisten als bei linken Demokraten finden. Dass es nicht eingelöst werden kann, merkt er erst später.
  • Linksextremisten vertreten häufig nach außen Ziele, die für sich betrachtet auch Demokraten gut finden können (siehe auch Wie unterscheiden sich Linksextremisten von linken Demokraten? und Welche Fernziele verfolgen Linksextremisten?). Die dahinterstehende Option zur Errichtung einer Diktatur wird nicht immer gleich deutlich. Und manchmal erscheinen Linksextremisten als die konsequenteren und radikaleren Vertreter von Werten wie soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, Selbstbestimmung. Das fällt ihnen leicht, denn sie müssen nicht bei der konkreten Gestaltung von Politik diejenigen Kompromisse eingehen, die in einer pluralistischen Gesellschaft nun mal notwendig sind. Und: Häufig tritt Linksextremismus als „zivilgesellschaftliche Initiative“ auf, deren angeblich selbstloses Anliegen man erst mal sympathisch findet.
  • Genau deshalb erscheinen Linksextremisten oftmals auch als konsequentere Verfechter von Interessen junger Menschen. Sie knüpfen an Verunsicherung und fehlender Orientierung in neuen Lebenslagen an, versprechen schnelle und gründliche Lösungen – die sie natürlich nicht durchsetzen können, weil sie angeblich das kapitalistische System daran hindert. Anknüpfungspunkte sind neue Lebensphasen: der Eintritt ins Berufsleben mit seinen Zwängen zu Leistung und Arbeitsdisziplin zum Beispiel.
Gefährlich wird das Eingehen auf solche Angebote dann, wenn der nächste Schritt fällig ist: Die linksextremistische Gruppe fordert den Bruch mit der von ihr als rettungslos verderbt dargestellten realen Gesellschaft. Der Neueinsteiger, zunächst „anpolitisiert“ mit einem leicht bekömmlich erscheinenden Angebot, soll sich in Konfrontation mit seiner Umwelt begeben, soll sich der Revolte (bei den Autonomen) oder der Revolution (bei den revolutionären Marxisten) verschreiben. Wer sich darauf einlässt, wird auf den Weg einer Radikalisierung geschickt.

Mit etwas Glück schafft er irgendwann den Absprung. Nicht immer geling das. Manche Irrtümer verbiegen Lebenswege dauerhaft. Und manche führen in tödliche Fallen.

 

Rudolf van Hüllen

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Felix Neumann

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Counter-extremism and counter-terrorism

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