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Was ist Nationalsozialismus?

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Nicht nur zum „Faschismus“ gibt es allerhand Unklarheiten, was darunter zu verstehen ist, sondern auch zum „Nationalsozialismus“. Nicht jeder Rechtsextremismus ist „nationalsozialistisch“. Und deshalb ist auch nicht jeder Rechtsextremist gleich ein „Nazi“.

Mit „Nationalsozialismus“ bezeichnet man das politische Programm und die Herrschaft der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ (NSDAP). Und mit dieser Bezeichnung verbindet sich untrennbar die Erinnerung an einen beispiellosen Zivilisationsbruch: Die Errichtung einer Diktatur, die Unterwerfung Europas mit dem Ziel, die meisten durch die Wehrmacht besetzten Staaten dauerhaft auszulöschen und ihre Bevölkerung zu unterjochen bzw. auszurotten, schließlich die systematische Ermordung der europäischen Juden. Die Feindschaft des Nationalsozialismus war für seine Gegner tödlich, denn er hielt sie für rassisch minderwertig und sah ihre Ausrottung oder bestenfalls ihre Fortexistenz als Sklavenvölker vor. An Mindestmaßstäbe zivilisatorischer Übereinkünfte wie die Haager Landkriegsordnung oder die Genfer Konvention fühlten sich die Nationalsozialisten nicht gebunden.

Obwohl in vielen Punkten dem übrigen Rechtsextremismus ähnlich (Überschätzung der eigenen Nation, autoritäre Regierungsmodelle, Militarismus, systematische Verletzungen der Menschenrechte und grundsätzliche Feindschaft gegen demokratische und rechtsstaatliche Ordnungen), stellte der Nationalsozialismus damit eine qualitativ mit diesen nicht gleichsetzbare Form des Rechtsextremismus dar.

Der in seinem Namen aufscheinende Bestandteil „Sozialismus“ hat nichts mit dem Sozialismus der marxistisch inspirierten Arbeiterbewegung zu tun. Marx und Engels beschrieben in einem wissenschaftlichen Modell die Beziehungen zwischen Lohnarbeit und Kapital als gesellschaftliches Verhältnis, das sie zugunsten einer Emanzipation der Lohnarbeiter aufzuheben wünschten (siehe auch Was ist Kommunismus?). Diese Ziele - Freiheit und Gleichheit - entnahmen sie dem Ideenfundus der Aufklärung und der französischen Revolution. Der „Sozialismus“ des Nationalsozialismus hingegen bezieht sich auf die angeblich „natürliche“ Ordnung einer völkischen/ethnischen und rassischen/genetischen „Volksgemeinschaft“, der der Einzelne entweder von Geburt an zugehörte, von der er aber auch abgestoßen werden konnte. Das Verhältnis zu anderen ethnischen Gemeinschaften wird so nur vom Prinzip des Überlebenskampfes bestimmt, bei dem das stärkere Kollektiv obsiegt und das schwächere untergeht.

Solcher Rassismus und Sozialdarwinismus sind nicht allen zeitgenössischen Formen des Rechtsextremismus eigen. Es ist daher unangemessen, wenn man jeden Rechtsextremisten pauschal und undifferenziert als „Nazi“ bezeichnet - man verharmlost dabei unter Umständen auch noch die rassistische Qualität des Nationalsozialismus.

Selbstverständlich gibt es aber im zeitgenössischen Rechtsextremismus „Neonationalsozialisten“. Das sind mehr oder weniger offene Anhänger der seit 1945 unwiderruflich verbotenen NSDAP. Wer also das Programm der NSDAP von 1920 oder später schätzt, den Holocaust leugnet oder relativiert und sich einen völkischen Führerstaat anstelle der Demokratie wünscht, der darf durchaus als „Neonazi“ bezeichnet werden.

 

Rudolf van Hüllen

 

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