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Was verstehen Rechtsextremisten unter „Globalismus“?
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„Globalismus“ ist die unter Rechtsextremisten gängige Bezeichnung für „Globalisierung“, also die anscheinend immer schneller ablaufenden Strukturwandel in Wirtschaft, Politik und Kultur, verbunden mit einer die Nationalstaaten überschreitenden Vernetzung und gleichzeitig „Entgrenzung“ der genannten Felder. Ein solcher Wandel setzt wirtschaftliche Dynamik frei, produziert aber auch Verlierer und Verunsicherung. Es ist also nicht erstaunlich, dass politische Extremisten dieser Erscheinung der modernen Welt kritisch bis ablehnend gegenüber stehen.
Für Rechtsextremisten wird das oben beschriebene Phänomen einer Beschleunigung von gesellschaftlichem, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandel durch klar benennbare Täter zu dem Zweck ins Werk gesetzt, eine Ordnung des „Globalismus“ zu errichten. Diese zeichne sich aus durch eine völlige Zerstörung „gewachsener“ nationaler, politischer und kultureller Identitäten. Durch Auslösen von „Migrationsströmen“, ungehinderte weltweite Finanztransaktionen und die Internationalisierung der Warenproduktion und des Handels beraube die „Globalisierung“ die Staaten als natürliche Existenzform der Völker ihrer Steuerungsfähigkeit und ziele auf die weltweite Heranzüchtung eines standardisierten, heimatlosen „Welteinheitsmenschen“ ab, der als „Konsumidiot“ die Gewinne transnationaler Konzerne mehren solle.
Insofern ist Globalisierungskritik bei Rechtsextremisten auch Kapitalismuskritik und kann sich bei ihrer Artikulation in erheblichem Umfang auf das analytische Instrumentarium der linksextremen Konkurrenz stützen.
Trotz Berührungspunkten zwischen rechtsextremer und linksextremer Globalisierungskritik muss auf die gravierenden Unterschiede hingewiesen werden: Linksextremisten sind Internationalisten und bewerten das Zusammenwachsen der Welt im Wesentlichen positiv. Sie kritisieren aber die Dominanz kapitalistischer Verwertungsmechanismen, insbesondere die Verselbständigung der Finanzmärkte. Globalisierung in „neoliberaler“ Form einer Entregulierung von Finanz-, Waren- und Dienstleistungstransfers zerstöre durch ungehemmte Konkurrenz um die höchsten Profitraten soziale, demokratische und ökologische Standards und entsolidarisiere ganze Gesellschaften. Linksextremisten wollen den globalen Wandel unter Abschaffung des Kapitalismus, lehnen ihn aber nicht grundsätzlich ab.
Das Feindbild Kapitalismus bzw. Marktwirtschaft ist durchaus ein verbindendes Element von rechts- und linksextremer Globalisierungskritik. Während Linksextremisten bei einer Analyse wirtschaftspolitischer Abläufe aber bisweilen zumindest nachvollziehbare Kritik üben, begnügen sich Rechtsextremisten zur Kennzeichnung der angeblich Schuldigen mit ihren eingeübten Feindbildern und Verschwörungskonstruktionen. Im von Rechtsextremisten international verstandenen Code, schreiben die Politikwissenschaftler Thomas Grumke und Andreas Klärner, „sind ‘Globalisten’ auch ‘Ostküste’, ist der ‘Globalismus’ auch ‘New World Order’ (NWO), und sind die in diesem ‘Globalisierungsplan’ verwickelten Regierungen und Eliten auch ‘Zionist Occupied Government’“1.
Hinter den unverstanden bleibenden Innovationsschüben der letzten Jahrzehnte steht damit für völkisch denkende Rechtsextremisten ein alter Feind: „der“ Jude (siehe auch Was ist Antisemitismus?). Die Chiffre „Ostküste“ steht in neonazistischer Terminologie (siehe auch Rechtsextreme Codes) für New York, das angebliche Zentrum des jüdisch beherrschten Weltkapitals. ZOG, „Zionist Occupied Government“ (auch: „Zionist Occupation Government“), ist jede westliche Regierung, die sich in einem freundschaftlichen Verhältnis zu den USA befindet. Die Vereinigten Staaten sind für Rechtsextremisten auch aus „rassenideologischen“ Gründen der Feind Nr. 1: Da sie als Migrationsgesellschaft entstanden sind, bleiben sie für völkische Rechtsextremisten ein „Völkergemisch“ ohne nationale Identität, dazu bestimmt, die Machtbasis für Pläne zur Errichtung einer jüdischen Weltherrschaft abzugeben.
Rudolf van Hüllen
1 Thomas Grumke / Andreas Klärner, Rechtsextremismus, die soziale Frage und Globalisierungskritik. Eine vergleichende Studie zu Deutschland und Großbritannien seit 1990, hrsgg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung Forum Berlin, Berlin 2006, S.136, online