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Welche rechtsextremistischen Symbole sind strafbar?
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Der Gesetzgeber hat nach Gründung der Bundesrepublik beschlossen, die Zeichen und Symbole des untergegangenen Nationalsozialismus aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Das ist weltweit recht einmalig, hat aber gute Gründe: Den Überlebenden der NS-Opfer und ihre Nachkommen sollte nicht zugemutet werden, unversehens mit den Symbolen des Terrorregimes konfrontiert zu werden. Aus vergleichbaren Gründen haben auch einige osteuropäische Länder die Symbole kommunistischer Gewaltherrschaft verboten.
Die beiden einschlägigen Bestimmungen im Strafgesetzbuch beziehen sich auf die „Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ (§ 86 StGB) und auf das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ (§ 86a StGB). Die Organisationen sind vor allem die historische NSDAP, ihre sämtlichen Nebenorganisationen wie z.B. Hitlerjugend (HJ) und Deutsche Arbeitsfront (DAF), aber auch die vom Bundesverfassungsgericht oder den Innenministerien seit 1949 verbotenen rechtsextremistischen Organisationen. Kennzeichen, so bestimmt das Gesetz, seien „namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen“ (§ 86 a Abs. 2 StGB). Vereinfacht kann man sich merken: Das Zeigen und Verbreiten sämtlicher Symbole, die auch von den Organisationen der Nationalsozialisten verwendet wurden, fällt darunter. Das gilt im Prinzip auch dann, wenn deren Symbole von älteren, unbelasteten Vorbildern übernommen wurden. Das Hakenkreuz z.B. ist ursprünglich ein Fruchtbarkeitssymbol aus asiatischen Kulturen; und viele nordische und germanische Runen sind natürlich nicht als Symbole der Nazis entstanden. Strafbar sind diese nur, wenn sie in einem politischen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus oder dem heutigen Rechtsextremismus stehen. Wer also von einer Skandinavienreise einen mit Runen verzierten 200 Jahre alten Holzbecher mitgebracht hat, hat normalerweise nichts zu befürchten.
Staatsanwälte und Richter kennen andererseits die Tricks von Rechtsextremisten: Wenn der Holzbecher mit den auch von der Hitlerjugend verwendeten Runen den Tisch einer Geburtstagsfeier unter NPD-Mitgliedern ziert, wird es Ärger geben. Übrigens auch dann, wenn jemand einen selbstgeschnitzten Trinkbecher so verziert, dass die Verzierung den verbotenen Symbolen zum Verwechseln ähnlich sehen (§ 86 a, Abs. 2 S. 2 StGB).
Natürlich kann man die Abbildung von Hakenkreuzen und SS-Runen nicht aus Geschichtsbüchern oder historischen Dokumenten in Archiven tilgen. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 86 Abs. 3 und § 86a Abs. 3 Ausnahmen vorgesehen: Wer die verbotenen Schriften oder Symbole zur staatsbürgerlichen Aufklärung (etwa im Schulunterricht), zur Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen (etwa in Broschüren des Verfassungsschutzes), für Zwecke der Kunst (etwa in einer Ausstellung über NS-Kunst), der Wissenschaft (in einem Buch über den Nationalsozialismus), der Forschung oder der Lehre (an Universitäten z.B.), der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte (z.B. in Fernsehsendungen zur NS-Zeit oder zum aktuellen Rechtsextremismus) verwendet, macht sich nicht strafbar.
Grundsätzlich gilt aber: Das Kokettieren mit NS-Symbolen, das Grölen von entsprechenden Parolen, die saloppe Anspielung auf so etwas am Biertisch, das alles ist – egal ob strafbar oder nicht – keine „lustige“ Provokation. Es verletzt Menschen, die selbst oder deren Familien unter den Verbrechen des Nationalsozialismus gelitten haben, zutiefst. Und es sollte deshalb auch auf sofortigen couragierten Widerspruch stoßen, wenn man es bei anderen wahrnimmt.
Rudolf van Hüllen
Lesetipps:
- Die Homepages fast aller Verfassungsschutzbehörden bieten Broschüren zum Download darüber an, welche Symbole und Propagandamittel verboten und strafbar sind.
- Das wohl bekannteste „Propagandamittel“ des Nationalsozialismus war Adolf Hitlers „Mein Kampf“. Es konnte in Deutschland nicht nachgedruckt werden: Das Bundesland Bayern konnte das als „Rechtsnachfolger“ des damaligen Verlages (beschlagnahmtes NS-Vermögen) im Wege des Urheberrechts verhindern. Das galt bis Ende 2015 – abgesehen davon, dass man sich den Text natürlich schon lange zuvor über das Internet beschaffen konnte. Zu diesen schwierigen Fragen informiert man sich z. B. bei der Bundeszentrale für politische Bildung: „Aus Politik und Zeitgeschichte“ 43-45/2015 vom 19. Oktober 2015, online hier auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung verfügbar.