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SED-Verbrechen

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Fakten statt Fiktionen. Aufklärung über die Verbrechen der SED-Diktatur bleibt Daueraufgabe

Wie repräsentative Umfragen zeigen, mangelt es gerade nachwachsenden Generationen vielfach an Kenntnissen über das SED-Regime und seine Opfer. Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach bemerkt: „Ganz offensichtlich ist es nicht gelungen, das Wissen über den Charakter des SED-Regimes an die nachwachsenden Generationen weiterzureichen“. Aber auch unter Älteren schwinden und verblassen im rasanten Wandel der Zeit einige Erinnerungen an die SED-Diktatur. Umso wichtiger ist es, Geschichte zu vergegenwärtigen und die Erinnerung an sie zu verinnerlichen.Die Auseinandersetzung mit den historischen Realitäten kann das politische Urteilsvermögen schärfen und gegen Extremismus verschiedener Richtungen immunisieren. Damit kann die Beschäftigung mit Geschichte die rechtsstaatliche Demokratie stärken.

 

SED betrieb Diktatur und Unrechtsstaat

Dass die SED zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen und in der DDR einen Unrechtsstaat betrieben hat, bezweifeln heute lediglich Schönredner und -färber der SED-Diktatur. Obwohl die SED weder Millionen Menschen fabrikmäßig ermordet noch einen mörderischen Weltkrieg entfesselt hat: Auch sie hat Menschenrechte grob missachtet und mit Füßen getreten.1

Im Mai 1952 begann die SED damit, die innerdeutsche Grenze hermetisch mit Stacheldraht abzuriegeln und an ihr ein Sperrgebiet zu errichten. Aus SED-Sicht politisch unzuverlässige Personen lässt die Diktaturpartei zwangsweise aussiedeln. Im Zuge dessen vertreibt die SED viele Familien aus ihren Häusern im Grenzgebiet, um sie ins Innere der DDR zu verschleppen. Die grausame, bis heute selten erwähnte Vertreibungsaktion unter dem menschenverachtenden Decknamen „Aktion Ungeziefer“ richtete sich gegen tausende Menschen, die aus SED-Sicht schlicht als Kriminelle zu gelten hatten.

1953 ließ die SED, die als Arbeiterpartei auftrat, auf unschuldige Arbeiter schießen – der erste Volksaufstand im Ostblock.2 Damals töteten sogn. „Antifaschisten“ wehrlose Menschen, um die 2. deutsche Diktatur zu sichern. Über 50 Personen, darunter viele Jugendliche, ließ die SED – unterstützt von der Sowjetarmee - damals erschießen, totprügeln oder von Panzern überrollen. Mit dem Ziel, von Ursachen, Verlauf und Folgen des 17. Juni 1953 abzulenken, nannte die SED den Aufstand einen „faschistischen Putsch“ von „Klassenfeinden“ aus dem Westen. Damit fungierte die „antifaschistische“ Doktrin der Diktaturpartei auch 1953 als deren agitatorisch-propagandistische Vielzweckwaffe.

Acht Jahre später, 1961, errichtete die SED die mörderische Mauer. Viele „Republikflüchtlinge“ ließ sie von hinten erschießen. Im Widerspruch zur SED-Propaganda war die Mauer kein „antifaschistischer Schutzwall“. Denn die Maschinengewehre zielten nach innen auf DDR-Bürger. Bis zu ihrem Ende fungierte die Mauer primär als Schutzwall für die SED und ihre „Diktatur des Proletariats“, die faktisch eine Diktatur des Politbüros über das Proletariat war. Der SED-Schießbefehl an Mauer und Stacheldraht basierte auf purer Menschenverachtung. Über die Mauer hatte John F. Kennedy bemerkt: „Die Demokratie ist nicht perfekt. Aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer zu bauen, um die Menschen an der Abwanderung zu hindern und bei uns zu halten...Die Mauer ist das abscheulichste und stärkste Zeichen für das Versagen des kommunistischen Systems.“

1968, weitere sieben Jahre später, unterstützte die SED die Niederschlagung des „Prager Frühlings“.3 Den reformkommunistischen Aufstand nannte die SED eine „Konterrevolution“. Selbst während der Entspannungszeit ließ die SED unschuldige Menschen zersetzen, quälen und ermorden, obwohl Honecker 1975 die KSZE-Schlussakte unterzeichnet hatte. Das Dokument garantierte nicht nur den damaligen Status-Quo, sondern verpflichtete die Signatarstaaten, universelle „Menschenrechte und Grundfreiheiten...zu achten“, darunter das Recht auf Freizügigkeit und Meinungsfreiheit.

Gerade die Entstalinisierung in der Sowjetunion wirkt bis heute ambivalent. Einerseits thematisierte sie vergangene Menschenrechtsverletzungen kommunistischer Regime, um andererseits gerade dadurch Illusionen über einen „demokratischen Kommunismus“ zu nähren, der einer vegetarischen Metzgerei ähnelt. Tatsächlich begingen kommunistische Regime eben auch nach Stalin zahlreiche, schwere Menschenrechtsverletzungen. Solche Menschenrechtsverletzungen gehören, wie die Geschichte verdeutlicht, mehr oder minder zu den Wesensmerkmalen kommunistischer Regime und bedeuten damit keine Ausnahmen oder Entgleisungen.

 

Opferschicksale verdeutlichen Charakter des SED-Regimes

Wie die SED Menschen unterdrückte und terrorisierte, veranschaulichen und verdeutlichen konkrete Opferschicksale. Zu den SED-Opfern gehört Gisela Mauritz mit ihrem Sohn.4 Die SED lässt sie 1974 verhaften, weil sie mit ihrem vierjährigen Sohn die DDR verlassen wollte, und steckte sie viereinhalb Jahre ins Frauengefängnis Hoheneck, das zu den grausamsten Gefängnissen der DDR zählte. Währenddessen wird ihr Sohn von einem linientreuen Ehepaar zwangsadoptiert. Trotz aller Einschüchterungsversuche sucht Gisela Mauritz nach ihrer Entlassung erneut nach ihrem Kind. Deswegen lässt die SED sie zum zweiten Mal verhaften. Nach ihrer erneuten Entlassung verbietet die SED ihr, die Hauptstadt der DDR zu betreten, wo ihr Sohn lebt. Erst fünf Jahre später, 1988, gelingt es der Bundesregierung, Gisela Mauritz freizukaufen. Als Mauritz ihren Sohn später durch das Fernsehmagazin „Report“/München wiederfindet, fehlte dem inzwischen Achtzehnjährigen jede Erinnerung an seine Mutter. Die fast 15-jährige Trennung hatte beide stark voneinander entfremdet.

 

SED-Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen

Insgesamt verantwortet die SED hunderte von Toten an Mauer und Stacheldraht: Erschossene, ertrunkene und zerfetzte Ausreisewillige, die im SED-Jargon  „Grenzbrecher“ hießen. Noch im Februar 1989 ließ die SED Chris Gueffroy, damals 21 Jahre alt, an der innerdeutschen Grenze erschießen, weil er von Deutschland nach Deutschland wollte. Die vier daran beteiligten Grenzer erhielten für ihre Todesschüsse auch noch Prämien. Nach der Niederschlagung des studentischen Aufstandes in Peking auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ mit vielen Todesopfern lobte die SED-Führung im Sommer 1989 demonstrativ und drohend die chinesische Parteiführung mit den Worten, es sei "etwas getan worden, um die Ordnung wiederherzustellen".

Darüber hinaus trägt die SED nicht nur die Verantwortung für Zwangsadoptionen von Kindern andersdenkender Eltern, sondern auch für eine sechsstellige Zahl an politischen Gefangenen in der DDR - inklusive Isolationsfolter in dunklen, feucht-kalten Haftzellen und andere Arten von Psychoterror.

In jeweils changierender Intensität unterdrückte die SED bis 1989 sowohl Meinungsfreiheit und Opposition als auch Juden, Christen und Kulturschaffende. Eklatant war auch der geistige Mangel zum Beispiel an westlicher Literatur, die es oft, wenn überhaupt, nur unter der Ladentheke gab. Auch Wissenschaftsfreiheit fehlte vielfach. Zum Beispiel leugneten DDR-Historiker noch im August 1989 die Existenz des geheimen Zusatzprotokolls des Hitler-Stalin-Paktes vom 23. August 1939 zur Besetzung und Unterjochung Osteuropas durch NS-Deutschland und die Sowjetunion. Bis zum Ende ihrer Diktatur kollaborierte die SED bzw. das MfS als Komplize obendrein mit gesuchten Terroristen der RAF.5

Nie haben die Menschen mehrheitlich für die SED gestimmt. Vielmehr schützte das MfS die SED-Diktatur mit mörderischen Methoden. Hierbei folgte sie Lenins Lehrsatz, wonach jede kommunistische Monopolpartei für den eigenen Machterhalt, der über allem rangiert, vor allem einen terroristischen Geheimdienst braucht und benötigt. Über weite Teile der DDR-Gesellschaft hatte die Stasi daher im SED-Auftrag ein immer dichter geknüpftes Netz an hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern geworfen, u.a. über viele Fluchthilfegruppen. Im Kontrast zur marxistischen Ideologie starb im DDR-“Realsozialismus“ damit eher die Gesellschaft als der Staat. Umso höher sind Mut und Widerspruch gegen das Regime einzuschätzen, das niemals eine demokratische Republik war. Vielmehr waren die Menschen in der DDR aus SED-Sicht eher Untertanen als Bürger. Lediglich Sowjetmacht, Stasi und Schießbefehl verhinderten einen höheren Anstieg von Abwanderung und Protest („exit and voice“).

 

Ablenkungsmanöver der SED

Um nach dem Zusammenbruch ihres Unrechtsregimes von ihrem Versagen und ihren Verbrechen abzulenken, brauchte die SED nach dem Mauerfall aus ihrer Sicht "Sündenböcke". Daher beschloss die alt-neue Parteiführung Ende 1989 im kleinen Kreis, das MfS öffentlich als Hauptschuldigen für die SED-Diktatur darzustellen und zu präsentieren.6 Das Ziel dessen bestand darin, die SED möglichst reinzuwaschen und ungeniert bis heute unter anderem Namen fortzuführen.

Im Widerspruch dazu fungierte die SED stets als Auftraggeber des MfS, das auch viele Westdeutsche als IM führte. Das MfS agierte in der SED-Diktatur nicht wie ein Staat im Staate, sondern operierte, wie bereits bei Lenin für jede kommunistische Partei vorgesehen, als Hauptherrschaftsinstrument und Befehlsempfänger der SED. Ausdrücklich verstand sich und agierte das MfS als „Schild und Schwert der Partei“. Genau das wollen Schönfärber der SED-Diktatur bis heute kaschieren und camouflieren. Daher gilt es, die Perspektiven zu weiten und nicht allein oder primär über die Machenschaften kleiner Stasispitzel zu diskutieren, sondern stärker auch die Hauptverantwortung der SED für die Verbrechen des MfS herauszuarbeiten.

 

Mehrheit der DDR-Bürger eher Opfer als Täter

Trotz aller Verbrechen weigern sich Anwälte und Advokaten des SED-Regimes bis heute, die SED-Diktatur einen Unrechtsstaat zu nennen, unter dem die übergroße Mehrheit der DDR-Normalbürger litt, die nicht SED-Mitglied war. Gerade deshalb befand eine Resolution des Deutschen Bundestages bereits 1994: "Die politisch-moralische Verurteilung der SED-Diktatur bedeutet keine Verurteilung der ihr unterworfenen Menschen, im Gegenteil. Die Deutschen in der SBZ/DDR trugen den schwereren Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte."

Lediglich ein Fünftel der Erwachsenen gehörte als Mitglied zur SED. Nur ein Prozent der DDR-Bevölkerung kollaborierte mit dem MfS. Ein hoher Anteil der Anwerbungsversuche des MfS scheiterte an der Ablehnung der Angesprochenen. Besonders ausgeprägt war die Linientreue dagegen unter Lehrern und Journalisten als Zuständigen für die „Volkserziehung“. Von alledem wollen SED-Apologeten bis heute ablenken, indem sie Kritik an der SED-Diktatur und ihren Funktionseliten als Schmähung aller ehemaligen DDR-Bürger grob verzerren, die in ihrer überwältigenden Mehrheit eben keine Täter waren.

Um von SED-Verbrechen abzulenken, versuchen SED-Apologeten darüber hinaus bis heute, grundlegende Unterschiede zwischen SED und den sogn. Blockparteien einzuebnen und zu nivellieren. So heißt es, SED und Blockparteien hätten in der DDR im Grunde ähnlich agiert und agitiert. Das verdreht und vernebelt historische Fakten. Zwar waren die Blockparteien weit davon entfernt, demokratische Kräfte zu sein. Vielmehr fungierten sie als Mitläuferparteien, die der SED in der Regel folgten. Doch es war die SED, die führende Blockpartei, die ihre Konkurrenten nach der Hitler-Diktatur - mit Propaganda und Terror - gleichgeschaltet und zu weitgehend linientreuen Vasallen geformt hatte. In den entscheidenden Gremien der SED-Diktatur, dem SED-Politbüro und SED-Zentralkomitee, operierte über vierzig Jahre natürlich ausschließlich die SED.

Das MfS als eines ihrer Hauptinstrumente fungierte eben als „Schild und Schwert“ der SED, nicht der Blockparteien. Schon in der DDR-Verfassung war die führende Rolle der SED festgeschrieben. Die SED-Diktatur war eine Einparteidiktatur – die Blockparteien sollten sowohl Parteienpluralismus als auch das Ende des „Klassenkampfes“ lediglich simulieren. In der DDR-Realität fungierte die SED als Architekt und Polier, die Blockparteien gehörten lediglich zu ihren Handlangern. Für Misswirtschaft, Mangelökonomie und Menschenrechtsverletzungen in der DDR war die SED als führende Partei klar hauptverantwortlich.

Die ideologischen Wurzeln dessen finden sich bereits bei Marx und nicht erst bei Lenin, Stalin und Mao. So hatte Marx frühzeitig betont, seine Doktrin lasse sich nur durch Gewalt durchsetzen, weshalb es abwegig und irrig scheint, bis heute zu behaupten, realsozialistische Diktatoren hätten durch ihre mehr oder minder massenhaften und massiven Menschenrechtsverletzungen – faktisch mehrheitlich an Arbeitern und Bauern - die Lehren von Marx entstellt, pervertiert und politisch missbraucht. Denn bereits im „Kommunistischen Manifest“ erklären Engels und Marx am Schluss in konziser Klarheit: „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung“.

Später, im „Kapital“, heißt es, Gewalt müsse als „Geburtshelfer der neuen Gesellschaft“ fungieren. Denn die „kapitalistische Klasse“ werde kaum freiwillig von ihrer Macht lassen. Ausdrücklich zielt Marx daher auf eine „Diktatur des Proletariats“, die in der realsozialistischen Praxis üblicherweise zu einer Diktatur des Politbüros über das Proletariat führte. Tatsächlich verliefen sozialistische Revolutionen, deren Urheber sich vor allem auf Marx beriefen, in der politischen Realität stets und weltweit mehr oder minder gewaltsam. Marxistisch-leninistische Regime begingen üblicher- und typischerweise  Menschenrechtsverletzungen in jeweils unterschiedlicher Qualität und Quantität. Das zeigt die Geschichte überdeutlich.

 

Harald Bergsdorf

 


Vgl. Kielmansegg, Peter Graf: Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland, Berlin 2000, S. 555ff.; Wilke, Manfred: Der SED-Staat. Geschichte und Nachwirkungen, Köln 2006; Hermann Weber: Die DDR 1945-1986, München 1988.

Vgl. Heydemann, Günther: Die Innenpolitik der DDR, München 2003, S. 16ff.

Ebd., S. 25ff.

Vgl. Aretz, Jürgen; Stock, Wolfgang: Die vergessenen Opfer der DDR. 13 erschütternde Berichte mit Original-Stasi-Akten, Bergisch-Gladbach 1997, S. 48ff.

Vgl. Bergsdorf, Harald: Täter-Opfer-Umkehr: Die Propaganda der RAF 1970-1998 zwischen Fiktionen und Fakten; in: Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2020/21, hrsg. von Martin H.W. Möllers; Robert Chr. van Ooyen, Frankfurt am Main 2021, S. 299ff.

Vgl. Berghofer, Wolfgang: Interview (mit Wilke, Manfred); in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung, 2007, S. 396 ff.

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