Vorgeschichte
Nach dem Ausscheiden Sloweniens und Kroatiens aus dem jugoslawischen Staatsverband kam es innerhalb Bosnien-Herzegowinas zu Spannungen zwischen den drei dort lebenden Volksgruppen. Bosniaken (Muslime) und Kroaten wollten nicht in Jugoslawien verbeiben, während die Serben dies forderten.
Am 15. Oktober 1991 wurde im Parlament Bosnien-Herzegowinas, gegen die Stimmen der serbischen Vertreter, ein Memorandum für die Unabhängigkeit verfasst. Dies führte zum Auszug der serbischen Abgeordneten, die in Banja Luka ein eigenes Parlament bildeten. Dieses proklamierte am 9. Januar 1992 die „Serbische Republik in Bosnien und Herzegowina“, welche ab August 1992 nur noch „Republika Srpska“ oder „Serbische Republik“ hieß.
In Sarajevo fand am 12. November 1992 eine Demonstration von mehr als 100.000 Menschen statt, die für ein friedliches Zusammenleben der drei Volksgruppen eintraten.
In einem von den Serben boykottierten Referendum am 29. Februar und 1. März 1992 stimmten, bei einer Wahlbeteiligung von 63 Prozent, 99,4 Prozent der Bürger für die Unabhängigkeit. Als direkte Folge der Abstimmung trat Bosnien-Herzegowina aus dem Bundesstaat Jugoslawien aus, was die Serben allerdings nicht akzeptierten. Mit der internationalen Anerkennung Bosnien-Herzegowinas im April begann die Belagerung Sarajevos durch die bosnischen Serben und in weiten Teilen des Landes brachen Kämpfe aus.
Nach dem am 27. April 1992 erfolgten Zusammenschluss von Serbien und Montenegro zur Bundesrepublik Jugoslawien überließ die jugoslawische Armee den bosnischen Serben, neben dem Oberbefehl über die jugoslawischen Streitkräfte, eine große Anzahl an schweren Waffen und einige Kampfflugzeuge. Dies führte zu einer materiellen Überlegenheit der serbischen Seite im Konflikt.
Internationale Bemühungen zur Konfliktlösung und das Flugverbot
Seit Beginn des Konfliktes in Jugoslawien hatten sich die Europäische Gemeinschaft und etwas später die Vereinten Nationen als Vermittler in den Konflikt eingeschaltet. Im Falle von Bosnien-Herzegowina gingen alle Vermittlungsbemühungen von der territorialen Integrität des Gesamtstaates aus. Unter dieser Prämisse erfolgte auch die internationale Anerkennung des Staates. Während der kriegerischen Auseinandersetzungen, die seit dem Frühjahr 1992 stattfanden, wurden Rest-Jugoslawien und die bosnischen Serben als Aggressoren durch die internationale Staatengemeinschaft benannt. Mit der UNO-Resolution 757 wurden am 30. Mai zunächst Wirtschaftssanktionen verhängt, die aber kaum zu Änderungen der serbischen Politik führten. Auf der Jugoslawienkonferenz von UNO und EG im August 1992 in London wurde nochmals auf die Unverletzlichkeit der Grenzen hingewiesen. Die beteiligten Kriegsparteien einigten sich zwar auf 13 Grundsätze zur Konfliktlösung, so unter anderem auf eine Auflösung der Internierungslager und die Beendigung der Kampfhandlungen. Trotzdem ging die militärische Offensive der Serben mit ethnischen Säuberungen und Massakern weiter. Ebenso fanden Luftangriffe der bosnischen Serben auf zahlreiche Ortschaften statt, so auf Gradačac und Maglaj.
Am 9. Oktober 1992 wurde im Sicherheitsrat der UNO die Resolution 781 verabschiedet. Diese beinhaltete ein Verbot militärischer Flüge über Bosnien-Herzegowina mit Ausnahme von Flugzeugen der Vereinten Nationen. Eine gewaltsame Durchsetzung des Flugverbots sah diese Resolution allerdings nicht vor. Sollten sich die Serben nicht an das Verbot halten, so sollte in einer zweiten Resolution das Flugverbot gewaltsam durchgesetzt werden. Nachdem sich die NATO zur Überwachung des Flugverbots bereit erklärt hatte, wurden ab dem 16. Oktober 1992 AWACS (Airborne Early Warning and Control System)-Flugzeuge des Typs Boeing „E-3A Sentry“ im Rahmen der NATO-Operation „Sky Monitor“ eingesetzt. Diese Maschinen gehörten unter anderem einem multinationalen integrierten Verband der NATO an, zu dem auch deutsche Soldaten gehörten.
Im November 1992 boten NATO und WEU weitere militärische Hilfe an. Das Embargo zur See wurde bereits mit Hilfe von Kriegsschiffen und Überwachungsflugzeugen im Rahmen der Resolution 787 überwacht.
Im Vorfeld von Gesprächen im Sicherheitsrat der UNO über die Durchsetzung des Flugverbots erklärte die NATO ihre Bereitschaft, trotz vorhandener interner Meinungsverschiedenheiten die UNO bei der Durchsetzung zu unterstützen.
Die Überwachungsflüge der NATO enthüllten über 500 Verletzungen des Flugverbots durch bosnisch-serbische Kampfflugzeuge und Hubschrauber infolge der stark zunehmenden Kampfhandlungen vor allem im Osten Bosniens und in der Herzegowina.
Am 31. März 1993 beschloss daraufhin der UN-Sicherheitsrat unter Berufung auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen die Resolution 816 zur Durchsetzung des Flugverbots. Die Resolution ermächtigte die Un-Mitgliedstaaten, das Flugverbot einzeln oder durch regionale Allianzen mit Wirkung zum 7. April 1993 durchzusetzen.
Die NATO, mit dem deutschen Generalsekretär Manfred Wörner, beschloss am 2. bzw. 8. April, der UNO die Bereitschaft zu erklären, das Flugverbot ab dem 12. April 1993 militärisch durchzusetzen.
Deutsche Diskussion und Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts um die Beteiligung an AWACS-Einsätzen
Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland war es strittig, ob sich die Bundeswehr und damit deutsche Soldaten an dieser Mission beteiligen dürfen. Diskutiert wurde vor allem die Frage, ob eine Änderung des Grundgesetzes nötig sei.
Die SPD lehnte aus grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Gründen eine Beteiligung ab. Ebenso hatte die FDP als Koalitionspartner schwere Bedenken.
Die Bundesregierung beschloss dennoch am 2. April 1993 die Mitwirkung an der Durchsetzung des Flugverbots. Die FDP-Minister gaben eine Erklärung ab, in der sie zwar die Zielsetzung des Beschlusses befürworteten, aus verfassungsrechtlichen Gründen stimmten sie ihr jedoch nicht zu. Gleichzeitig stellten sie vor dem Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Teilnahme deutscher Soldaten an der Mission. Dies führte zu dem Kuriosum, dass ein Teil der Bundesregierung gegen ihren eigenen Beschluss klagte.
Die SPD, die bereits gegen die Beteiligung der Bundeswehr an der Überwachung des UNO-Embargos in der Adria klagte, erweiterte ihre Klage nun auf die Durchsetzung des Flugverbots.
Eine einstweilige Anordnung gegen die Teilnahme von Bundeswehrsoldaten an den Aufklärungsflügen lehnte das Bundesverfassungsgericht, mit fünf zu drei Stimmen, am 8. April 1993 ab. In der Begründung führte das Gericht aus, dass der NATO-AWACS-Verband als voll integrierter Verband betrieben und unterhalten werde und diesem eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung des Flugverbots zukomme. Die Entscheidung der Bundesregierung beruhe auf der Autorisierung durch die Resolution 816 des Sicherheitsrates der UNO, die Maßnahmen im Rahmen des Friedensauftrages nach Kapitel VII der UNO-Charta vorsah. Damit sei zu erwarteten, dass Mitgliedstaaten oder regionale Organisationen sich daran beteiligten. Im Falle einer Verweigerung würde die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der UNO und der NATO die Erwartungen der Partner enttäuschen und einen Vertrauensverlust verursachen. Deutlich stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass sich die Tätigkeit des AWACS-Verbandes im Rahmen des Beschlusses des Weltsicherheitsrates vom 31. März 1993 bewege und im Einklang mit den Zielen der Charta der Vereinten Nationen stehe. Unabhängig davon sei die Frage zu behandeln, ob die Bundesregierung diesen Einsatz anordnen durfte. Dies müsse in der Hauptverhandlung geklärt werden.
Damit stand der Beteiligung deutscher Soldaten an der Mission nichts mehr im Weg und auch die Koalition aus CDU/CSU und FDP konnte weiter arbeiten. In der Presse, so zum Beispiel in der „Zeit“, wurde angemerkt, dass der „Kampfeinsatz“ in den AWACS-Flugzeugen wesentlich ungefährlicher sei, als die sogenannten humanitären Einsätze deutscher Sanitäter in Kambodscha und der Einsatz von Transall-Transportern der Luftwaffe für die Luftbrücke nach Sarajevo.
In der Hauptverhandlung am 12. Juli 1994 entschied das Bundesverfassungsgericht im Organ-Streitverfahren zum Einsatz der Bundeswehr beim Adria-Embargo und dem Flugverbot über Bosnien-Herzegowina, dass die Bundesrepublik sich beteiligen dürfe. Das Grundgesetz verpflichte allerdings die Bundesregierung dazu, für den Einsatz die Zustimmung des Bundestages einzuholen.
Quellen: ACDP, Pressearchiv
Literatur:
- Koslowski, Gerd: Die NATO und der Krieg in Bosnien-Herzegowina, Kölner Arbeiten zur Internationalen Politik, Band 2, Vierow 1995.
- Meier, Viktor: Wie Jugoslawien verspielt wurde, 3. Aufl. München 1999.