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Die Parlamentarischen Geschäftsführer: Herrschaft im Stillen
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Der Parlamentarische Geschäftsführer zählt zu den einflussreichsten Akteuren im Deutschen Bundestag. Beschrieben wird er als Dirigent der parlamentarischen Abläufe, Maschinist der Demokratie, Stabschef, Graue Eminenz oder auch Oberstrippenzieher. Dabei übt der PGF, wie er im Parlamentsjargon heißt, seine machtvolle Stellung eher im Verborgenen aus, weshalb auch von einer „Herrschaft im Stillen“ (Sönke Petersen) gesprochen wird.
☛ Die Rolle innerhalb der Fraktion
☛ Manager des politischen Betriebs
☛ Prägende Gestalten: Wolfgang Schäuble, Heinrich Krone und Will Rasner
☛ Das Amt des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers als Sprungbrett für höhere politische Ämter
Die Rolle innerhalb der Fraktion
Eine Darstellung der Aufgaben des Parlamentarischen Geschäftsführers lässt sich in der Arbeitsordnung der CDU/CSU-Fraktion nicht finden. Dafür ist eine Aufgabenbeschreibung von Will Rasner überliefert, der von 1955 bis zu seinem Tod 1971 dieses Amt bekleidete: Chef des Fraktionsbüros, ‚Finanzminister‘ und Einpeitscher der Fraktion, Sprecher der Fraktion im Ältestenrat und gegenüber der Presse sowie Verbindungsmann zur Koalitions- und Oppositionsfraktion. Das umfangreiche Tätigkeitsfeld des PGF spiegelt sich in dieser Aufzählung wider.
Der erste große Aufgabenbereich und seine Basis ist die Fraktion selbst, die ihn auf Vorschlag des Fraktionsvorsitzenden wählt. Das Vorschlagsrecht liegt ausschließlich beim Fraktionsvorsitzenden, den ein besonderes Vertrauens- und Loyalitätsverhältnis mit dem PGF verbindet. Ohne eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Führungsfiguren litte „die Performanz der gesamten Fraktion“ (Sebastian Heer). Für das Amt des PGF gibt es keine formellen Voraussetzungen. Vielmehr wird erwartet, dass er den parlamentarischen Betrieb sehr gut kennt, also kein Parlamentsneuling ist. Verwaltungserfahrung und eine juristische Ausbildung sind für die Ausübung des Amtes hilfreich, schließlich liegt in der Verantwortung des PGF die Zuständigkeit für die Mitarbeiter und die Finanzen der Fraktion. Auch sollte er über eine breite Akzeptanz in der Fraktion verfügen, was praktisch ausschließt, dass er Exponent einer bestimmten Gruppe ist, beispielsweise Sprecher einer der inzwischen sechs soziologischen Gruppen. Dadurch kann er „die Aufgabe eines Seismographen für bestehende oder sich anbahnende Spannungen innerhalb der Fraktion“ (Sebastian Heer) wahrnehmen.
Für Präsenz und Geschlossenheit der Fraktion im Deutschen Bundestag zu sorgen, zählt zu den vornehmsten Aufgaben des PGF. Gleichwohl sieht er sich nicht in der Funktion eines Einpeitschers der Fraktion. Bei der Koordination der Fraktionsarbeit ist vielmehr Fingerspitzengefühl gefragt, auch und gerade zu Beginn einer Wahlperiode, wenn die Besetzung der Bundestagsausschüsse und die Zuteilung der Abgeordnetenbüros anstehen. Die Mitgliedschaft im Fraktionsvorstand und auch im Geschäftsführenden Fraktionsvorstand, dem Machtzentrum der CDU/CSU-Fraktion, unterstreicht die herausragende Bedeutung des PGF, die über die Grenzen der eigenen Fraktion hinausreicht.
Manager des politischen Betriebs
Im Zusammenspiel mit den Parlamentarischen Geschäftsführern der anderen Fraktionen wirkt er als Manager des Parlaments. Die langjährige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth bezeichnete die Parlamentarischen Geschäftsführer als „die entscheidenden Dirigenten der parlamentarischen Arbeitsabläufe“. Die interfraktionelle Zusammenarbeit erfolgt formell im Ältestenrat des Deutschen Bundestages, in dem der PGF als Sprecher seiner Fraktion auftritt, und informell in den sogenannten PGF-Runden, die sich durch eine besondere Form der Vertraulichkeit und Kollegialität auszeichnen. Schließlich übt der PGF im Verhältnis seiner Fraktion zur Bundesregierung und dem Bundesrat „eine wichtige Schaltstellenfunktion“ (Sönke Petersen) aus. Als Teilnehmer der ständigen Koalitionsrunden, die sich im politischen System der Bundesrepublik Deutschland zu einem bedeutenden informellen Gremium der Entscheidungsfindung entwickelt haben, und Mitglied im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat besetzt er die Rolle eines einflussreichen Mitgestalters auf der bundespolitischen Bühne.
Prägende Gestalten im Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers: Wolfgang Schäuble, Heinrich Krone und Will Rasner
Die Schilderung dieser machtvollen Position bezieht sich auf den Ersten PGF der CDU/CSU-Fraktion. Eine Hierarchisierung der Parlamentarischen Geschäftsführung und damit verbunden die Einrichtung des Amtes eines Ersten PGF fand erst in der 9. Wahlperiode nach dem Regierungswechsel vom Oktober 1982 unter dem Fraktionsvorsitz von Alfred Dregger statt. Wolfgang Schäuble wurde in das neu geschaffene Amt gewählt, in dem er sich als „forscher Vordenker mit Planungsanspruch“ (Sebastian Heer) einen Namen machte.
Die politische Gestaltungsmacht des Ersten PGF ist abgängig von dem Handlungsspielraum, den ihm der Fraktionsvorsitzende gewährt. Eine vergleichbar starke Stellung nahm Heinrich Krone ein, der 1951 erster PGF der Unionsfraktion wurde. Nach der Bundestagswahl 1949 wurde zunächst nur ein Fraktionsbüro eingerichtet, das vornehmlich organisatorisch-administrative Aufgaben wahrnahm. Der Fraktionsvorsitzende Heinrich von Brentano fehlte wegen seiner Mitgliedschaft in der Beratenden Versammlung des Europarates und der Gemeinsamen Versammlung der Montanunion in Bonn häufig. In dessen Abwesenheit erfüllte Krone praktisch die Aufgaben des Fraktionsvorsitzenden, ehe der erfahrene Politiker der Weimarer Republik 1955 nach Brentanos Berufung zum Bundesaußenminister offiziell an die Spitze der Fraktion gewählt wurde.
Als PGF folgte ihm der Flensburger Bundestagsabgeordnete Will Rasner, der während seiner 16-jährigen Amtszeit zu einem „der einflussreichsten Politiker außerhalb der Bundesregierung unter den Kanzlern Adenauer, Erhard und Kiesinger“ (Eduard Ackermann) avancierte. In diesen Jahren kam es auch zu einer Ausdifferenzierung der Parlamentarischen Geschäftsführung. Die vielfältigen und stetig wachsenden Aufgaben konnten von einem PGF allein nicht mehr erledigt werden. Die Zahl der Amtsinhaber wuchs auf bis zu fünf Personen während der parlamentarischen Opposition in den 1970er-Jahren an.
Das Amt des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers als Sprungbrett für höhere politische Ämter
Als Helmut Kohl 1976 die Rolle des Oppositionsführers im Deutschen Bundestag übernahm, entwickelte sich ein enges Vertrauensverhältnis zu dem PGF Philipp Jenninger, den Kohl nach dem Regierungswechsel von 1982 als Staatsminister mit ins Kanzleramt nahm. Für die Koordination der Regierungspolitik bringt der PGF beste Voraussetzungen mit, weshalb Kohl nach Jenningers Wahl zum Präsidenten des Deutschen Bundestags im November 1984 den Ersten PGF Wolfgang Schäuble zum Chef des Bundeskanzleramtes im Rang eines Bundesministers für besondere Aufgaben berief. Auch bei Rudolf Seiters, Friedrich Bohl und Peter Altmaier führte die Ernennung zum Chef des Bundeskanzleramtes über das Amt des Ersten PGF, das sich als Sprungbrett für höhere politische Aufgaben erwies. Jürgen Rüttgers und Norbert Röttgen erlangten ebenfalls Ministerwürden, Volker Kauder stieg 2005 in der Nachfolge von Angela Merkel zum Fraktionsvorsitzenden auf.
Stefan Marx
Liste der Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
1. Wahlperiode 1949–1953 | ||
---|---|---|
Heinrich Krone | CDU | ab Aug. 1951 |
2. Wahlperiode 1953–1957 | ||
Heinrich Krone | CDU | bis 15.06.1955 |
Will Rasner | CDU | ab 06.07.1955 |
Josef Rösing | CDU | ab Nov. 1955 |
Gerhard Wacher | CSU | Parl. Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, ab Nov. 1955 |
3. Wahlperiode 1957–1961 | ||
Will Rasner | CDU | |
Josef Rösing | CDU | Stv. Parl. Geschäftsführer |
Gerhard Wacher | CSU | Parl. Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe |
4. Wahlperiode 1961–1965 | ||
Will Rasner | CDU | |
Bruno Heck | CDU | bis 14.12.1962 |
Josef Rösing | CDU | ab 1965 |
Gerhard Wacher | CSU | bis Jan. 1963 |
Leo Wagner | CSU | ab 22.01.1963 |
5. Wahlperiode 1965–1969 | ||
Will Rasner | CDU | |
Josef Rösing | CDU | |
Leo Wagner | CSU | |
6. Wahlperiode 1969–1972 | ||
Heinrich Köppler | CDU | bis 08.08.1970 |
Will Rasner | CDU | ab 09.11.1971 |
Will Rasner | CDU | bis 15.10.1971 |
Rudolf Seiters | CDU | ab 09.11.1971 |
Josef Rösing | CDU | |
Leo Wagner | CSU | |
Olaf Baron von Wrangel | CDU | |
7. Wahlperiode 1972–1976 | ||
Leo Wagner | CSU | bis 20.02.1975 |
Paul Röhner | CSU | ab 20.02.1975 |
Rudolf Seiters | CDU | |
Wilhelm Rawe | CDU | |
Olaf Baron von Wrangel | CDU | bis 19.09.1973 |
Gerhard Reddemann | CDU | ab 19.09.1973 |
Paul Mikat | CDU | 04.02.1973–19.09.1973 |
Philipp Jenninger | CDU | ab 19.09.1973 |
8. Wahlperiode 1976–1980 | ||
Philipp Jenninger | CDU | |
Wilhelm Rawe | CDU | |
Paul Röhner | CSU | |
Walter Wallmann | CDU | bis 14.06.1977 |
Gerhard Kunz | CDU | ab 06.09.1977 |
9. Wahlperiode 1980–1983 | ||
Philipp Jenninger | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, bis 04.10.1982 |
Wolfgang Schäuble | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, ab 04.10.1982 |
Paul Röhner | CSU | bis 11.05.1982 |
Wolfgang Bötsch | CSU | ab 11.05.1982 |
Gerhard Kunz | CDU | bis 15.06.1981 |
Wolfgang Schäuble | CDU | 23.06.1981–04.10.1982 |
Wilhelm Rawe | CDU | bis 04.10.1982 |
Rudolf Seiters | CDU | ab 14.10.1982 |
Dorothee Wilms | CDU | bis 04.10.1982 |
Agnes Hürland | CDU | ab 14.10.1982 |
10. Wahlperiode 1983–1987 | ||
Wolfgang Schäuble | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, bis 15.11.1984 |
Rudolf Seiters | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, ab 15.11.1984 |
Wolfgang Bötsch | CSU | |
Agnes Hürland | CDU | |
Rudolf Seiters | CDU | bis 15.11.1984 |
Friedrich Bohl | CDU | ab 15.11.1984 |
11. Wahlperiode 1987–1990 | ||
Rudolf Seiters | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, bis 21.05.1989 |
Friedrich Bohl | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, ab 25.04.1989 |
Wolfgang Bötsch | CSU | bis 25.04.1989 |
Rudolf Kraus | CSU | ab 25.04.1989 |
Friedrich Bohl | CDU | bis 25.04.1989 |
Jürgen Rüttgers | CDU | ab 25.04.1989 |
Ingrid Roitzsch | CDU | |
Clemens Schwalbe | CDU | ab 04.10.1990 |
12. Wahlperiode 1990–1994 | ||
Friedrich Bohl | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, bis 25.11.1991 |
Jürgen Rüttgers | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, ab 25.11.1991 |
Rudolf Kraus | CSU | bis 05.05.1992 |
Eduard Oswald | CSU | ab 05.05.1992 |
Jürgen Rüttgers | CDU | bis 25.11.1991 |
Brigitte Baumeister | CDU | ab 03.12.1991 |
Ingrid Roitzsch | CDU | bis 05.05.1992 |
Joachim Hörster | CDU | ab 05.05.1992 |
Clemens Schwalbe | CDU | |
13. Wahlperiode 1994–1998 | ||
Joachim Hörster | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer |
Eduard Oswald | CSU | bis 04.01.1998 |
Peter Raumsauer | CSU | ab 15.01.1998 |
Brigitte Baumeister | CDU | |
Andreas Schmidt | CDU | |
Clemens Schwalbe | CDU | |
14. Wahlperiode 1998–2002 | ||
Hans-Peter Repnik | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer |
Peter Ramsauer | CSU | |
Brigitte Baumeister | CDU | bis 29.02.2000 |
Manfred Grund | CDU | |
Joachim Hörster | CDU | bis 29.02.2000 |
Eckart von Klaeden | CDU | ab 29.02.2000 |
Birgit Schnieber-Jastram | CDU | bis 06.11.2001 |
Ilse Falk | CDU | ab 06.11.2001 |
15. Wahlperiode 2002–2005 | ||
Volker Kauder | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, bis 25.01.2005 |
Norbert Röttgen | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, ab 25.01.2005 |
Peter Ramsauer | CSU | |
Ilse Falk | CDU | |
Manfred Grund | CDU | |
Eckart von Klaeden | CDU | |
16. Wahlperiode 2005–2009 | ||
Norbert Röttgen | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer |
Peter Ramsauer | CSU | bis 21.11.2005 |
Hartmut Koschyk | CSU | ab 28.11.2005 |
Manfred Grund | CDU | |
Bernhard Kaster | CDU | |
Martina Krogmann | CDU | ab 29.11.2005 |
17. Wahlperiode 2009–2013 | ||
Peter Altmaier | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, 27.10.2009–22.05.2012 |
Michael Grosse-Brömer | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer, ab 22.05.2012 |
Hartmut Koschyk | CSU | bis 29.10.2009 |
Stefan Müller (Erlangen) | CSU | ab 29.10.2009 |
Manfred Grund | CDU | |
Bernhard Kaster | CDU | |
Martina Krogmann | CDU | bis 01.04.2010 |
Michaela Noll | CDU | ab 01.04.2010 |
18. Wahlperiode 2013–2017 | ||
Michael Grosse-Brömer | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer |
Max Straubinger | CSU | |
Michaela Noll | CDU | |
Manfred Grund | CDU | |
Bernhard Kaster | CDU | |
19. Wahlperiode 2017–2021 | ||
Michael Grosse-Brömer | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer |
Stefan Müller | CSU | Stv. Parl. Geschäftsfüher |
Manfred Grund | CDU | |
Heike Brehmer | CDU | |
Patrick Schnieder | CDU |
20. Wahlperiode 2021–2025 | ||
---|---|---|
Thorsten Frei | CDU | 1. Parl. Geschäftsführer |
Stefan Müller | CSU | Stv. Parl. Geschäftsfüher |
Hendrik Hoppenstedt | CDU | |
Patrick Schnieder | CDU | |
Nina Warken | CDU |
Literatur
- Sebastian Heer: Parlamentsmanagement. Herausbildungs- und Funktionsmuster parlamentarischer Steuerungsstrukturen in Deutschland vom Reichstag bis zum Bundestag (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 168). Düsseldorf 2015.
- Sönke Petersen: Manager des Parlaments. Parlamentarischer Geschäftsführer im Deutschen Bundestag – Status, Funktion, Arbeitsweise (Forschung Politikwissenschaft, Bd. 67). Opladen 2000.
- Suzanne S. Schüttemeyer: Manager des Parlaments zwischen Effizienz und Offenheit. Parlamentarische Geschäftsführer im Deutschen Bundestag, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 36–37/1997, S. 8–17.