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Erich Köhler, Präsident des Deutschen Bundestags. Erich Köhler, Präsident des Deutschen Bundestags. © SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo

Erich Köhler

Volkswirt, Bundestagspräsident Dr. sc. pol. June 27, 1892 Erfurt October 23, 1958 Wiesbaden
by Christopher Beckmann
Sein Gesicht ist immerhin recht vielen Zeitgenossen bekannt: Immer dann, wenn in Dokumentationen zu Leben und Wirken Konrad Adenauers die Szene seiner erstmaligen Vereidigung als Bundeskanzler gezeigt wird, ist auch Erich Köhler zu sehen, der als Parlamentspräsident dem Kanzler und seinem Kabinett dem Amtseid abnahm. Darüber hinaus ist der erste Präsident des Deutschen Bundestages heute weitgehend in Vergessenheit geraten.

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Geboren wurde Erich Köhler am 27. Juni 1892 in Erfurt. Dem Besuch des dortigen Königlichen Realgymnasiums „Zur Himmelspforte“ folgte ein Studium der Volkswirtschaft und der Staatswissenschaften in Marburg, Berlin, Leipzig und Kiel. Unterbrochen wurde Köhlers akademischer Werdegang durch den Ersten Weltkrieg: Von 1914 bis 1918 war er Soldat und wurde unter anderem mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet. Nach Kriegsende schloss er 1919 sein Studium mit der Promotion zum Dr.rer.pol. ab. Im selben Jahr wurde Köhler in Kiel Geschäftsführer des Bundes der Arbeitgeber, des Hafenbetriebsvereins und des Landesverbandes des Nordwestdeutschen Handwerkerbundes.

Politisch engagierte er sich während der Weimarer Republik in der national-liberalen Deutschen Volkspartei. Er gehörte sowohl dem schleswig-holsteinischen Landesvorstand als auch dem Berliner Zentralvorstand der Partei an. Da seine Frau Helene (geb. Freund) Jüdin war, verlor er im September 1933 seine berufliche Existenz. Erst 1939 fand Köhler wieder eine Beschäftigung als Versicherungsagent. Im September 1943 wurde dem Paar die Wohnung gekündigt und Helene Köhler zur Zwangsarbeit in einer Druckerei verpflichtet.

 

Mitgründer der hessischen CDU

Erst nach dem Ende von NS-Diktatur und Zweitem Weltkrieg konnte Erich Köhler wieder beruflich und politisch tätig werden. 1945 wurde er Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Wiesbaden. Dort gehörte er im selben Jahr zu den Mitgründern der hessischen CDU und übernahm 1946 den Vorsitz der Landtagsfraktion seiner Partei. 1947 wurde er Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrates, der als Parlament des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, der sog. Bizone, fungierte. Hier wählten ihn die von den Landtagen entsandten Abgeordneten zum Präsidenten. Köhler wirkte in dieser Funktion immer wieder und offenkundig zu allseitiger Zufriedenheit ausgleichend zwischen den Fraktionen von CDU/CSU und SPD.

 

Präsident des ersten Deutschen Bundestags

Bei den Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 gewann Köhler das Direktmandat im Wahlkreis Wiesbaden. Als stärkste Fraktion hatten CDU und CSU das Vorschlagsrecht für das Amt des Bundestagspräsidenten. Angesichts seiner Erfahrungen und seines guten Rufs aus Frankfurter Zeiten fiel die Wahl auf Erich Köhler. Ein weiteres Motiv war dessen Zugehörigkeit zum evangelischen Flügel der CDU. Mit Köhlers Wahl in das zweithöchste Staatsamt wollte man die gleichberechtigte Stellung der Protestanten innerhalb der jungen überkonfessionellen Volkspartei herausstellen. In der konstituierenden Sitzung des Bundestages am 7. September 1949 wurde Erich Köhler mit überwältigender Mehrheit zum ersten Präsidenten des Parlaments gewählt.

Allerdings war er, der als Präsident des zunächst 52, dann 104 Mitglieder zählenden Wirtschaftsrates eine gute Figur gemacht und sich allgemeinen Respekt erworben hatte, mit der Leitung des fast viermal so großen Bundestages von Anfang an überfordert. Er vermochte es nicht, die oftmals aufgrund von Provokationen der kommunistischen Fraktion, aber auch wegen grundsätzlicher Differenzen zwischen CDU/CSU und SPD hochgehenden Wogen zu glätten. Des Öfteren verschärfte er durch heftige Reaktionen und überzogene Sanktionen die Situation noch zusätzlich. So wurde der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher nach seinem berühmten Zwischenruf in der Debatte über das Petersberger Abkommen (24./25. November 1949), Konrad Adenauer sei „der Kanzler der Alliierten“, für 20 Sitzungstage ausgeschlossen. Nach einer Aussprache zwischen Schumacher und Adenauer wurde diese Sanktion wenige Tage später aber bereits wieder zurückgenommen. Auch wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Heinrich von Brentano, mit Recht feststellte, gravierender „ als das zeitweilige Versagen von Dr. Köhler“ sei „die Disziplinlosigkeit des Parlaments“, wuchs die Kritik an der Amtsführung des Präsidenten. Im Frühjahr 1950 bereitete die SPD gar einen – in der Geschäftsordnung des Bundestages indes nicht vorgesehenen – Missbilligungsantrag gegen ihn vor.

Köhler, der ohnehin gesundheitliche Probleme hatte, litt sehr unter den Vorwürfen, auch an der Kritik, die Bundeskanzler Adenauer wiederholt an seiner Amtsführung äußerte. Als er sich auch noch öffentlichen Angriffen ausgesetzt sah, weil er die Presse wegen angeblich zu negativer Berichterstattung über die Arbeit des Bundestages kritisiert hatte, erlitt Köhler einen Zusammenbruch. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1950 trat er vom Amt des Bundestagspräsidenten zurück. Der angestrebte Wechsel in den diplomatischen Dienst scheiterte trotz der Unterstützung Adenauers.

Erich Köhler, der sich nach dem Amtsverzicht gesundheitlich wieder erholte, blieb daraufhin bis zum Ende der zweiten Legislaturperiode 1957 Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Im selben Jahr wurde er von Bundespräsident Theodor Heuss mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er starb am 23. Oktober 1958 in Wiesbaden.

Curriculum vitae

  • Volkswirtschaftsstudium in Marburg, Berlin, Leipzig und Kiel
  • 1914–1918 Kriegsdienst
  • 1919 Promotion
  • vor 1933 DVP, Mitglied des Zentralvorstands in Berlin
  • 1919 Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Kiel
  • 1933 entlassen („Mischehe“), arbeitslos
  • 1939–1945 Versicherungsagent
  • 1945–1949 Hauptgeschäftsführer der IHK Wiesbaden
  • 1947–1949 Vorstand des Verwaltungsrats der Landeszentralbank Hessen
  • Mitgründer der CDU Hessen
  • 1946–1949 stellvertretender Landesvorsitzender
  • 1946 Mitglied der Verfassungsberatenden Landesversammlung Hessen
  • 1946-47 MdL, Vorsitzender der CDU-Fraktion
  • 1947–1949 Mitglied des Wirtschaftsrates und dessen Präsident
  • 1949–1957 MdB
  • 1949-50 1. Präsident des Deutschen Bundestages

 

Veröffentlichungen

  • Ohne Illusionen. Politik der Realität. Reden (1949).

 

Literatur

Michael F. Feldkamp: Der noble, aber kranke Präsident, in: Das Parlament Nr. 51/52 (2010).

 

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