Seemann
Friedrich Wilhelm Lübke wurde am 25. August 1887 in Enkhausen im Sauerland geboren. Er war der ältere Bruder des späteren Bundespräsidenten Heinrich Lübke, mit dem er zeitlebens in engem Kontakt stand. Die Familie war katholisch und betrieb einen kleinen Bauernhof. Außerdem arbeitete der Vater als Schuhmacher. Lübke besuchte zunächst die Volksschule in Enkhausen und wechselte anschließend auf ein Gymnasium in Meppen im Emsland. Da es sein großer Wunsch war, zur See zu fahren, verließ er 1901 die Schule und heuerte mit Hilfe eines Onkels in Bremen als Schiffsjunge auf einem Segelschiff an. Nachdem er zehn Jahre über alle Weltmeere gefahren war, legte er 1911 in Bremen sein Steuermannsexamen ab. 1913 erwarb er in Elsfleth auch das Kapitänspatent für große Fahrt. Im 1. Weltkrieg diente Lübke bei der Kaiserlichen Marine; zunächst als Leutnant auf einem Torpedoboot, dann auf dem Schlachtschiff „Friedrich der Große“ und bei Kriegsende war er Kommandant eines U-Bootes, das aber nicht mehr zum Einsatz kam. Nach Kriegende beteiligte er sich 1919 an den Kämpfen zwischen Deutschen und Polen in Oberschlesien über die künftige Zugehörigkeit des Gebietes. Er heiratete 1920 in Bremen Sophie Rodenburg und beendete seine Karriere als Seemann. Aus der glücklichen Ehe gingen vier Kinder hervor.
Landwirt
Nach der Hochzeit arbeitete Friedrich Wilhelm Lübke zunächst in der Molkerei der Schwiegereltern mit. 1922 kaufte der junge Familienvater jedoch einen Hof in Augaard im Landkreis Flensburg und wurde Landwirt. Da die Landwirtschaft aber nur schlecht die größer werdende Familie ernähren konnte, übernahm Lübke zusätzlich noch die Stelle des Geschäftsführers des Schleswig-Holsteinischen Bauernvereins. Die Anregung dazu war von seinem Bruder Heinrich ausgegangen, der die Geschäftsstelle des Reichsverbandes landwirtschaftlicher Klein- und Mittelbetriebe in Berlin leitete. Der Bauernverein unterstützte vor allem kleine und mittlere Landwirte bei der Neuansiedlung. Schließlich betätigte sich Lübke in dieser Zeit auch als Schriftsteller: Er schrieb mehrere Jugendbücher mit Seefahrergeschichten, die sich gut verkauften und teilweise auch in andere Sprachen übersetzt wurden.
Den aufkommenden Nationalsozialismus lehnte der Katholik Lübke ab. Nach der Machtübernahme 1933 trug er sich mit dem Gedanken, auszuwandern. Deshalb reiste er im Februar 1934 nach Brasilien. Bei seiner Rückkehr im Mai 1934 wurde er vom Schiff weg verhaftet. Ihm wurde vorgeworden, Gelder des Schleswig-Holsteinischen Bauernvereins veruntreut zu haben. Als sich die Vorwürfe jedoch als haltlos erwiesen, wurde Lübke nach vier Wochen aus der Haft entlassen und kehrte nach Augaard zurück.
Bei Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde Friedrich Wilhelm Lübke erneut zur Kriegsmarine einberufen. Zunächst diente er als Kapitänleutnant beim Oberkommando der Marine und ab 1943 leitete er die Seetransportstelle der Wehrmacht in Aarhus (Dänemark). Dort trug er im September 1943 dazu bei, die Deportierung der dänischen Juden in NS-Vernichtungslager zu verhindern. Vermutlich schon im Juli 1945 kehrte Lübke aus Aarhus nach Hause zurück. In Augaard traf er auf seinen Bruder Heinrich, der dort das Kriegsende abgewartet hatte.
Politiker
1945 war Schleswig-Holstein von Flüchtlingen überschwemmt – auch der Landkreis Flensburg. Um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und eine demokratischen Nachkriegsordnung aufzubauen, gehörte Lübke im Herbst 1945 zusammen mit Peter Jensen zu den Gründern einer christlich-demokratischen Partei im Landkreis Flensburg. Auf der ersten Kundgebung der CDU im Kreis Flensburg am 29. Januar 1946 war er der Hauptredner. Als im Februar 1946 der von der Britischen Besatzung eingesetzte Landrat aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, wurde Friedrich Wilhelm Lübke – nach anfänglichem Zögern – sein Nachfolger. Nach den ersten Kommunalwahlen im Oktober 1946 bestätigte ihn der Kreistag in seinem Amt. Als Landrat bemühte er sich vor allem um die Unterbringung der Flüchtlinge, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Seit dem 2. Dezember 1946 gehörte Lübke außerdem zu den Abgeordneten des 2. Ernannten Landtages von Schleswig-Holstein. Bei der ersten Landtagswahl am 20. April 1947 zog der Landrat erneut in den Landtag ein, dem er bis 1950 angehörte.
Daneben wurde Lübke auch in der Verbandsarbeit aktiv. 1946 reorganisierte er den Deutschen Grenzverein, der die Kultur- und Bildungsarbeit der deutschen Bevölkerung in Schleswig gegen den starken Einfluss Dänemarks und der dänischen Minderheit förderte. Lübke wurde zum Vorsitzenden des Grenzvereins gewählt und behielt dieses Amt bis zu seinem Tod 1954. Unter seiner Leitung baute der Verein ab 1951 die Grenzakademie Sankelmark auf. Schließlich gehörte Lübke im Februar 1947 noch zu den Mitgründern des Schleswig-Holsteinischen Bauernverbandes. Auf dem 1. Landesbauerntag 1949 in Rendsburg wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
Ministerpräsident und Landesvorsitzender
Nachdem Lübke im April 1950 zum hauptamtlichen Landrat des Landkreises Flensburg gewählt worden war, verzichtete er auf eine erneute Kandidatur für die Landtagswahl am 9. Juli 1950. Großer Gewinner der Wahl war die neue Partei „Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (BHE), die zusammen mit CDU, FDP und Deutscher Partei (DP), die sich zu einem Wahlblock zusammengeschlossen hatten, eine Regierungskoalition bildete. Zum Ministerpräsidenten wurde der Unternehmer Walter Bartram (CDU) gewählt. Schon bald geriet die Koalition jedoch in eine Krise: Von Teilen der CDU, darunter dem Landes-vorsitzenden Carl Schröter, wurde dem glücklosen Ministerpräsidenten vorgeworfen, den Forderungen des BHE zu sehr nachzugeben. Schröter selbst war durch eine Affäre um die Übernahme der „Kieler Nachrichten“ beschädigt. Zur Lösung der Krise fand am 3. Juni 1951 eine Besprechung in Oeversee statt, an der Schröter, der Bundestagsabgeordnete Detlef Struve, Landrat Lübke, Innenminister Paul Pagel und der Landtagsabgeordnete Kai-Uwe von Hassel teilnahmen. Es wurde beschlossen, dass Schröter zurücktreten solle, um der CDU einen Neuanfang zu ermöglichen. Kurz darauf trat auch Ministerpräsident Bartram zurück, nachdem ihm die CDU-Fraktion das Vertrauen entzogen hatte. Für beide Ämter wurde Friedrich Wilhelm Lübke vorgeschlagen, da er weder zur Gruppe um Schröter, noch zur Bartram-Gruppe gehörte. Am 23. Juni 1951 wählte ein außerordentlicher Landesparteitag in Rendsburg Lübke zum neuen Landesvorsitzenden. Zwei Tage später fand im Landtag seine Wahl zum Ministerpräsidenten statt. Da der BHE gegen ihn stimmte, wurde Lübke allerdings erst im 3. Wahlgang gewählt, bei dem die relative Mehrheit ausreichte.
Wirken und Wirkung
Direkt nach seiner Wahl reiste Lübke nach Bonn, um mit der Bundesregierung über neue finanzielle Hilfen für Schleswig-Holstein zu verhandeln. Nachdem Bundeskanzler Konrad Adenauer ihm auch schriftlich die Unterstützung der Bundesregierung zugesagt hatte, war der BHE zur Neuauflage der Regierungskoalition mit dem Wahlblock bereit. Ende Juli 1951 konnte Lübke die Koalitionsverhandlungen abschließen und eine neue Landesregierung bilden. Als Ministerpräsident musste er vor allem die wirtschaftliche Lage Schleswig-Holsteins verbessern und das Flüchtlingsproblem lösen und als CDU-Vorsitzender die zerstrittene Partei wieder einigen.
Durch seine erfolgreiche Regierungstätigkeit und mit Unterstützung des Bundes gelang es Lübke bis 1954, die Zahl der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein von 24% auf 12% zu halbieren. Dazu trug allerdings auch die fortlaufende Umsiedlung der Heimatvertriebenen bei. Untrennbar verbunden mit Lübkes Namen ist das 1953 gestartete „Programm Nord“, das in West-Schleswig erheblich zur Verbesserung der Agrarstruktur, zur Modernisierung der Landwirtschaft, zur Verkehrserschließung und zum Schutz der Küsten beitrug. Zusammen mit Dänemark konnte der Ministerpräsident außerdem die noch ungelösten Minderheiten-probleme auf beiden Seiten der deutsch-dänischen Grenze bereinigen. Schließlich gab Großbritannien am 1. März 1952 die Insel Helgoland wieder an die Bundesrepublik Deutschland - und damit an Schleswig-Holstein – zurück.
Als Landesvorsitzender führte Lübke die CDU aus der Krise heraus und vergrößerte ihren Einfluss auf die Regierungspolitik. Dabei kam ihm der Übertritt von Abgeordneten der FDP- und der DP-Fraktion zur CDU 1953 zur Hilfe, wodurch die CDU-Fraktion zur stärksten Fraktion im Landtag wurde. Auch bei der Landtagswahl am 12. September 1954 gewann die CDU stark hinzu und bekam mit 32,3% der Stimmen fast so viele Stimmen wie die SPD mit 33,2%. Verlierer der Wahl waren der BHE und die DP, die nicht mehr in den Landtag einzog.
Aufgrund einer schweren Krankheit konnte Lübke die Koalitionsverhandlungen mit dem BHE und der FDP nach der Wahl jedoch nicht mehr selbst führen. Nachdem er sichergestellt hatte, dass sein Vertrauter, Kai-Uwe von Hassel, sein Nachfolger werden würde, trat Lübke von seinem Amt als Ministerpräsident zurück. Der Landtag wählte daraufhin von Hassel am 11. Oktober 1954 im ersten Wahlgang zum neuen Ministerpräsidenten.
Bereits am 16. Oktober 1954 starb Friedrich Wilhelm Lübke auf seinem Hof in Augaard. Entsprechend seinem Wunsch wurde er in der Grenzakademie in Sankelmark aufgebahrt und danach auf dem Friedhof in Oeversee bestattet. An der Trauerfeier der Landesregierung im Kieler Stadttheater nahmen Bundespräsident Theodor Heuss, Bundestagspräsident Hermann Ehlers, Vizekanzler Franz Blücher, Landtagspräsident Walther Böttcher und Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel teil. Der im Rahmen des Programms Nord entstandene Koog in Nordfriesland wurde 1956 zur Erinnerung an den Ministerpräsidenten „Friedrich-Wilhelm Lübke-Koog“ getauft.
Curriculum vitae
- 1901–1920 Seemann, Erwerb des Steuermanns- und des Kapitänspatents für große Fahrt
- 1914–1918 Leutnant zur See
- 1920 Erwerb und Bewirtschaftung eines Hofes in Augaard
- ab 1925 führend in agrarwirtschaftlichen Organisationen, bäuerlichen Vereinigungen und in der praktischen Siedlung tätig
- 1939–1945 Verwendung im Oberkommando der Marine
- 1945 CDU
- 1946–1954 Landrat des Landkreises Flensburg
- 1948–1954 MdL
- 25.06.1951–11.10.1954 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, 25.06.–27.07.1951 geschäftsführender Minister für Finanzen und Ernährung, 25.06.–08.10.1951 geschäftsführender Minister für Justiz
- 1951–1954 Vorsitzender der CDU Schleswig-Holstein.
Literatur
- Landesregierung von Schleswig-Holstein (Hg.): Friedrich Wilhelm Lübke – Mensch und Politiker, Flensburg 1955.
- Hartwig Schlegelberger: Friedrich Wilhelm Lübke, in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.): Christdemokraten der ersten Stunde, Bonn 1966, S. 267-293.
- Wilfried Lagler: Friedrich Wilhelm Lübke. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, Band 7, Neumünster 1985, S. 127-130.
- Wilfried Lagler: Friedrich Wilhelm Lübke, in: NDB, Bd. 15, Berlin 1987, S. 441f.
- Claus Ove Struck: Die Politik der Landesregierung Friedrich Wilhelm Lübke in Schleswig-Holstein (1951-1954). (Kieler Werkstücke: Reihe A, Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 15), Frankfurt am Main-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien 1997.