Familie und Ausbildung
Geboren wurde Helmut Linssen als Sohn eines mittelständischen Unternehmers am 21. Juni 1942 in Krefeld am Niederrhein. Er wuchs in Geldern auf und legte dort am humanistischen Gymnasium 1961 das Abitur ab. Nach dem Tod seines Vaters übernahm Linssen bereits im Alter von 19 Jahren zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Bernd die Leitung der elterlichen Heinrich Linssen KG, einem Großhandelsunternehmen für landwirtschaftliche Produktionsmittel. Um sich Kenntnisse in der Unternehmensführung zu erwerben, absolvierte Linssen eine kaufmännische Lehre. Anschließend absolvierte er in Hamburg und München ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, welches er 1968 zum Diplom-Kaufmann abschloss. 1972 folgte die Promotion mit einer Arbeit über „Interdependenzen im absatzpolitischen Instrumentarium der Unternehmung“.
Politischer Aufstieg
Im Unterschied zu vielen anderen Politikern fand Linssen seinen Einstieg in die Politik erst spät, da er zunächst seine Priorität auf die der Sicherung der eigenen beruflichen Existenz setzte. Im Alter von 30 Jahren trat er 1972 in die CDU ein. Die Forderung aus Reihen der Sozialdemokraten, man müsse die Belastbarkeit der Wirtschaft erproben, brachte den Unternehmer und „strammen Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft“ (Linssen über Linssen) in die Politik.
1975 bewarb er sich erfolgreich um ein Mandat im Rat der Stadt Geldern. Darüber hinaus wurde er 1981 zum Schatzmeister des CDU-Kreisvorstandes Kleve gewählt. 1984 folgte die Wahl in den Landesvorstand der CDU-Mittelstandsvereinigung.
Bei seiner ersten Landtagskandidatur 1980 erzielte Linssen mit 59,9% das zweitbeste Wahlkreisergebnis für die CDU. In seiner ersten Wahlperiode wurde der Mittelständler ordentliches Mitglied im Wirtschaftsausschuss. Neben der Wirtschaftspolitik waren Fragen des Umweltschutzes und der Raumordnung Schwerpunkte seiner Arbeit im Landtag. Nach seiner Wiederwahl in den Landtag wurde Linssen zum Sprecher der rheinischen Abgeordneten gewählt. Im gleichen Jahr übernahm er das Amt des stellvertretenden rheinischen Landesvorsitzenden. In diesen Funktionen setzte er sich für eine Befriedung der zerstrittenen CDU in NRW ein. So leitete er gemeinsam mit dem Westfalen Heinrich Ostrop die Kommission, die den Zusammenschluss der bis dahin selbständigen Landesverbände Rheinland und Westfalen-Lippe vorbereitete.
Auf dem Tandem mit Norbert Blüm
Bei der turnusgemäßen Neuwahl des Fraktionsvorsitzenden 1987 wurde Linssen als aussichtsreicher Kandidat gehandelt. Er verzichtete jedoch aus Sorge um die berufliche Doppelbelastung als Politiker und Unternehmer. Er erklärte sich aber bereit, die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden zu übernehmen. Als die Auseinandersetzungen an der Spitze des neugegründeten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 1987 zu eskalieren drohten, fasste die Landtagsfraktion unter seiner Leitung am 5. Mai 1987 einen Beschluss, der die amtierende Landesspitze um ihren Vorsitzenden Kurt Biedenkopf und seinen Ersten Stellvertreter Dieter Pützhofen zum Rücktritt aufforderte. Damit begünstigte er zugleich die Wahl von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm zum neuen Landesvorsitzenden. Mit 86,7% wurde Linssen auf Vorschlag Blüms beim Landesparteitag am 23.05.1987 in Essen zum ersten und hauptamtlichen Generalsekretär der CDU NRW gewählt. Blüm bezeichnete Linssen als „zweiten Mann auf dem Tandem“. Während Blüm für den Kurs zuständig war, sollte Linssen für die nötige Schubkraft sorgen. So stand Linssen denn auch als Generalsekretär loyal zum Landesvorsitzenden Norbert Blüm.
Im ersten Jahr seiner Amtszeit wurde seine Arbeit von Teilen der Landespartei eher kritisch betrachtet. So wurde ihm vorgeworfen, sich zu sehr mit administrativen Aufgaben zu beschäftigen und seine politischen Führungsaufgaben zu vernachlässigen. Dennoch gewann er zunehmend an Zustimmung und Anerkennung. So hatte er entscheidenden Anteil an der erfolgreichen Zusammenführung der unterschiedlichen Parteiflügel sowie der Modernisierung der Partei insgesamt. Durch seine Doppelfunktion als führendes Landesvorstandsmitglied und Abgeordneter war auch die Verzahnung zwischen Parteiführung und Landtagsfraktion sichergestellt.
Nach der Niederlage Blüms als Spitzenkandidat der CDU bei der Landtagswahl 1990 stand Linssen als Fraktionsvorsitzender zur Verfügung und wurde mit 80 von 88 möglichen Stimmen gewählt. Damit rückte er zum politischen Statthalter Norbert Blüms auf. Zusammen mit dem neuen Generalsekretär Herbert Reul ordnete Linssen das politische Tagesgeschäft in NRW, während Blüm den Landesverband auf Bundesebene vertrat.
Unter der Führung Linssens präsentierte sich die Landtagsfraktion als schlagkräftige und profilierte Oppositionskraft, die die Auseinandersetzung mit der Landesregierung bewusst suchte und dabei auch Erfolge erzielen konnte. So setzte sie 1994 gegen den Widerstand einer Mehrheit in der SPD eine grundlegende Reform der Kommunalverfassung mit der Abschaffung der Doppelspitze aus ehrenamtlichem Bürgermeister/Landrat und hauptamtlichem Stadtdirektor/Oberkreisdirektor durch. Die nunmehr hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte werden seit dieser Zeit per Direktwahl durch die Bürger gewählt. Mit diesem Weg wurde der Grundstein für den triumphalen Wahlsieg der CDU bei den Kommunalwahlen 1999 gelegt.
Spitzenkandidat zur Landtagswahl 1995
Zur Landtagswahl 1995 bewarb sich Linssen mit Unterstützung Blüms um die Spitzenkandidatur für die CDU. In einer Mitgliederbefragung unter den CDU-Mitgliedern in NRW im Mai 1994 setzte er sich mit 59,6% gegen seinen Mitbewerber, den Vorsitzenden des Bezirksverbandes Ruhr und den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Norbert Lammert, durch. Dieses Ergebnis wurde auf einem Landesparteitag in Aachen mit rund 94% bestätigt. In seinem Wahlkampf setze er auf die Themen Arbeitslosigkeit, Innere Sicherheit und Schulpolitik. Während des Wahlkampfes entging Linssen am 21. April 1995 in Schwelm nur knapp einem Attentat durch einen Drogenabhängigen.
Der Ausgang der Landtagswahl vom 14. Mai 1995 markiert einen Einschnitt in die Geschichte Nordrhein-Westfalens. Die SPD verlor nach 15 Jahren ihre absolute Mehrheit und bildete eine Koalition mit den erstarkten Grünen. Die CDU konnte mit einem leichten prozentualen Plus auf 37,7% erstmals seit 1975 einen erkennbaren Zugewinn erzielen, obgleich sie an absoluten Wählerstimmen verlor. Linssen blieb Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. In der Folgezeit baute er seinen Einfluss weiter aus. Zwar wurde Norbert Blüm im Januar 1997 erneut zum Landesvorsitzenden gewählt. Er zog sich jedoch immer mehr aus der Landespolitik zurück und designierte Linssen für die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2000. Zu diesem Zeitpunkt galt Linssen als der heimliche Vorsitzende und starke Mann der NRW-CDU. In der Presse wurde dieser Landesparteitag auch als „faktischer Machtwechsel“ (Die Welt vom 20. Januar 1997) bezeichnet.
Dennoch war Linssen innerparteilich nicht unumstritten. Bei der Wiederwahl zum Fraktionsvorsitzenden am 25. November 1997 erhielt er lediglich 78% der Stimmen. Das waren 10% weniger als bei seiner Wahl 1995. Kritiker warfen ihm fehlende Führungsfähigkeit vor. Nach der für die CDU verlorenen Bundestagswahl 1998 verzichtete Norbert Blüm auf eine erneute Kandidatur für das Amt des Landesvorsitzenden. Um seine Nachfolge bewarben sich neben Linssen Christa Thoben und der ehemalige Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers. Linssen warb für sich mit dem Argument, durch seine Wahl Fraktion, Partei und Spitzenkandidatur in eine Hand zu legen und damit dem Wähler auch personell eine deutliche Alternative zur amtierenden Landesregierung bieten zu können. Auf dem Parteitag am 29. Januar 1999 unterlag Linssen jedoch Jürgen Rüttgers mit 289 zu 353 Stimmen in der Stichwahl. Daraufhin trat Linssen als Fraktionsvorsitzender im Landtag zurück und verzichtete auch auf eine Bewerbung um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2000. Stattdessen legte Linssen seinen Schwerpunkt auf die Abgeordnetentätigkeit und den Vorsitz des Wirtschaftsausschusses des Landtags. Im Dezember 2000 wurde er zudem als Nachfolger des nach Berlin gewechselten Laurenz Meyer zum Landtagsvizepräsidenten gewählt.
Finanzminister in der Regierung Rüttgers
Am 22. Mai 2005 erreichte die CDU bei den Landtagswahlen zusammen mit der FDP eine Mehrheit. Jürgen Rüttgers wurde zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Mit der Ernennung des Unternehmers Linssen zum neuen Finanzminister setzte Rüttgers ein Signal für eine betont wirtschafts- und mittelstandsfreundliche Politik.
Linssens Hauptaugenmerk galt der Konsolidierung der Staatsfinanzen, die er mit den Mitteln des „ehrbaren Kaufmanns“ in Ordnung brachte. So gelang es ihm als erstem Finanzminister in NRW, die Schuldenschraube zurückzudrehen. Sein klarer Kurs und seine ersten Erfolge machten ihn zum „stärksten Minister“ (Süddeutsche Zeitung vom 31. Oktober 2006) in der Regierung Rüttgers. Ohne die Auswirkungen der Weltfinanzkrise auf die Finanzhaushalte der Länder, hätte Linssen 2008 sogar einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Die Rettung der WestLB und die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz waren weitere Schwerpunktthemen in Linssens Amtszeit.
Bei der Landtagswahl am 9. Mai 2010 bewarb sich Linssen nicht erneut um ein Abgeordnetenmandat. Durch die Wahlniederlage der Regierung Rüttgers und der Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung unter Führung von Hannelore Kraft verlor Linssen auch sein Amt als Finanzminister.
Am 15. November 2010 wurde Linssen auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe mit 97,2% der Stimmen zum Nachfolger von Eckart von Klaeden als Bundesschatzmeister der CDU gewählt.
Helmut Linssen ist katholisch, verheiratet und hat eine Tochter. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes lebt in Issum bei Geldern.
Curriculum vitae
- 21.06.1942 in Krefeld geboren
- 1961 Abitur, Leitung der Heinrich-Linssen KG, Groß- und Außenhandelslehre
- 1964-1968 Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Hamburg und München
- 1968 Abschluss zum Diplom-Kaufmann
- 1972 Promotion
- seit 1972 Mitglied der CDU
- 1975-1980 Ratsmitglied in Geldern
- 1980-2010 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen
- seit 1981 Schatzmeister des CDU KV Kleve
- 1985-1986 stellvertretender Vorsitzender der CDU Rheinland
- 1987-1991 Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalen
- 1987-1990 stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion
- 1990-1999 Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion
- 1990-2002 Mitglied des CDU-Bundesvorstandes
- 2000-2005 Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landtags von Nordrhein-Westfalen
- 2000-2005 1. Vizepräsident des Landtags von Nordrhein-Westfalen
- 2005-2010 Finanzminister von Nordrhein-Westfalen
- seit 2010 Bundesschatzmeister der CDU
Literatur
- Hitze, Guido: Verlorene Jahre? Die nordrhein-westfälische CDU in der Opposition 1975–1995 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 45), Düsseldorf 2010.