Vor dem 2. Weltkrieg lebten über sieben Millionen Juden in Mittel- und Osteuropa, in der Ukraine stellten Juden in vielen Städten der heutigen West- und Zentralukraine häufig sogar die Mehrheit der Bevölkerung. Jüdische Friedhöfe geben bis heute Auskunft darüber, auch wenn nach über 70 Jahren, nach der Ermordung von 1,5 Millionen Juden in den Jahren 1941/42 auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, viele Friedhöfe verwahrlost und ungeschützt oder auch gar keine Spuren mehr erhalten sind. Die historische Erinnerung an jüdisches Leben in der Ukraine war über Jahrzehnte verschüttet.
In den Jahren nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 begann die ukrainisch-jüdische Organisation VAAD, unterstützt seit 2006 von der belgischen Stiftung Lo Tishkach, mit der Zusammenstellung einer Datenbank jüdischer Begräbnisstätten. Die Datenbank enthält mittlerweile über 1.000 Eintragungen von jüdischen Friedhöfen und Begräbnisstätten in der Ukraine.
Ein wichtiges Anliegen der noch existierenden jüdischen Gemeinden und ihrer Dachorganisation war es, die Friedhöfe rein physisch zu erhalten. Die vorhandenen jüdischen Friedhöfe und Begräbnisstätten sollten gesäubert, ihre Grenzen festgelegt und die Gelände mit einem Zaun umgeben werden. Danach sollten sie „legalisiert“, d.h. den Kommunen sowie den jüdischen Gemeinden zur Nutzung übergeben werden.
Das Auswärtige Amt erteilte für das Jahr 2015 eine Finanzierung in Höhe von 1.000.000 Euro für das Projekt „Restaurierung jüdischer Friedhöfe in Osteuropa”.Als Durchführungsorganisation wurde die Konrad Adenauer Stiftung mit ihren Büros in Berlin, Kiew, Prag und Warschau in Kooperation mit dem ESJF, der Initiative für Jüdische Friedhöfe mit Sitz in Frankfurt, beauftragt.
In der Ukraine werden neben den Experten von VAAD weitere Spezialisten einbezogen. Israelische Rabbiner sind für die Festlegung der Friedhofsgrenzen und die Einhaltung der Halacha bei der Konstruktion der Mauern zuständig. Unter Leitung eines ukrainischen Ingenieurbüros erfolgt die Errichtung und Konstruktion der Zäune und der Eingangstore. Die auf diese Weise errichteten Umzäunungen sollen mindestens 20 Jahre lang halten. Auch ein Jurist arbeitet an der rechtlichen Seite des Projektes. Mit jeder Kommune, in der sich die Friedhöfe befinden, werden Verträge für deren Pflege und Instandhaltung abgeschlossen. Dafür wurden in jedem Ort Gespräche mit der Stadtverwaltung geführt, an der sich auch das KAS-Auslandsbüro Ukraine beteiligte.
Insgesamt wurden in der Ukraine in diesem Jahr 27 jüdische Friedhöfe komplett erfasst und restauriert. Viele der Gelände waren von der lokalen Bevölkerung zuvor als Müllhalden, Parkplätze oder landwirtschaftliche Flächen verwendet worden. Große Baumbestände, die über Jahrzehnte Friedhöfe überwuchert hatten, durften allerdings gemäß der Halacha nicht gerodet werden.
Mit der Errichtung der Zäune konnten die Flächen der Friedhöfe wieder zurückgewonnen und für ihre ursprünglichen Zwecke genutzt werden. Nunmehr können auch neue Grabstellen ausgewiesen werden.
Im Vorfeld wurden 53 Friedhöfe auf ihre Restaurierung hin untersucht, 26 konnten aus verschiedenen Gründen nicht in das Projekt einbezogen wurden. Mal ließen sich die Grenzen der Friedhöfe nicht genau feststellen, mal verliefen auf dem Gelände Straßen, Strom- und Wasserleitungen.
Regional unterscheiden sich die jüdischen Friedhöfe. In der Zentralukraine sind sie flächenmäßig sehr groß und in fast allen Fällen schlecht erhalten. Hier verliefen im 2. Weltkrieg heftig umkämpfte Frontabschnitte, es fanden sich bei den Aufräumarbeiten noch immer Reste von Munition. Anwohner gruben in der Vergangenheit häufig nach dieser Munition, um sie als Altmetall oder Erinnerungsstücke zu verkaufen.
In Transkarpatien (Westukraine) dagegen sind die Friedhöfe sehr viel kleinerund deutlich besser erhalten. Die lokale Bevölkerung ist dort religiöser und bewahrt die Erinnerung an die früheren jüdischen Gemeinden und deren Begräbnisstätten sehr sorgfältig. Doch auch in Transkarpatien wurden Gelände einiger jüdischer Friedhöfe von christlichen Friedhöfen vereinnahmt.
Dort, wo es noch jüdische Gemeinden gibt, werden Friedhöfe bis heute aktiv genutzt. Nach der Restaurierung wurden einige Friedhöfe im Rahmen einer feierlichen Zeremonie eröffnet, die alle an dem Projekt Beteiligten zusammen brachte: den Deutschen Botschafter, die KAS Kiew, Philip Carmel als Verteter des ESJF, Experten von VAAD, die Bürgermeister, Rabbiner und Vertreter der jüdischen Gemeinden. Mit solchen öffentlichen Veranstaltungen soll die Aufmerksamkeit der Kommunen auf das Problem der Erinnerung und Erhaltung jüdischer Friedhöfe gelenkt werden. Der langfristige Bestand der Friedhöfe soll in der Zukunft auch durch politische Bildung und Sensibilisierung der Jugend gesichert werden.