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Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Europa, referierte Prof. Dr. Biedenkopf einerseits über die Zukunft der Europäischen Union. Wie wird sich die Europäische Union in Zukunft entwickeln und welche Rolle wird sie in Zukunft bei der Lösung globaler Herausforderungen spielen?
Auch hier unterstrich Prof. Dr. Biedenkopf, dass die gegenwärtige Krise nicht als eine Währungskrise, sondern als eine Krise der europäischen Institutionen sowie der jungen demokratischen Staaten zu verstehen sei. Demokratien wie Spanien, Portugal und Griechenland konnten der Versuchung nicht widerstehen, ihre ursprünglich günstige Schuldenaufnahme zur Ankurbelung der Wirtschaft auf ein realistisches Maß zu begrenzen. Mit der Bankenkrise in den USA fingen internationale Banken dann an, die Liquidität dieser europäischen Nationalbanken zu hinterfragen. Im Gegensatz zu Deutschland hatten sich diese Staaten zu lange notwendigen Strukturanpassungen widersetzt und auf Wirtschaftswachstum durch Schuldenaufnahme gesetzt. Auch deswegen sprach sich Biedenkopf gegen amerikanische Aufforderungen nach einer erhöhten Liquidität aus. Diese würde nicht zwangsläufig die Produktivität steigern, stattdessen hätte diese Haltung das heutige Problem mit bedingt.
Andererseits thematisierte Prof. Dr. Biedenkopf auch den allgemeinen Wachstumsbegriff. Er kritisierte dabei, dass unsere Gesellschaften sich immer noch nicht darauf eingestellt hätten, dass der Planet eine Weltbevölkerung von über 7 Milliarden erreicht hatte. Es wäre daher durchaus akzeptabel, wenn das Wachstum in den OECD-Ländern nur wenige Prozent betragen würde – hätten diese Länder mit ihren alternden Gesellschaften doch bereits einen relativen Wohlstand erreicht. Im Gegensatz dazu wäre es wünschenswert, wenn Entwicklungsländer deutliche Wachstumsraten zu verzeichnen hätten. Biedenkopf warnte daher auch vor Polemikern, die mit Verweis auf Chinas Wachstum, eine Rivalität herbeibeschwören würden.
Stattdessen sollten sich unsere Gesellschaften (aber auch Entwicklungsländer) darüber Gedanken machen, wie sich unsere alternden Gesellschaften in Zukunft gestalten würden. Angesichts der Überalterung westlicher Gesellschaften, prophezeite er eine Zukunft, in der 90 Jährige von 70 Jährigen versorgt würden. Auch verwies Biedenkopf auf Veränderungen im Konsumverhalten unserer Bevölkerungen - insbesondere Aspekte der „shared economy“ würden in Zukunft zwar zu größerer Effizienz, aber nicht unbedingt Wachstum führen. Deswegen dürfe Wachstum nicht als das Hauptziel von demografisch alternden Demokratien definiert werden. Laut Biedenkopf käme einer dezentralisierten Bürgergesellschaft dabei große Bedeutung bei der Neuausrichtung gesellschaftlicher Werte zuteil. „Genug ist genug“ und eine selbstauferlegte ’Armut’ hinsichtlich kommerzieller Ansprüche würden von non-materieller Selbsterfüllung ersetzt werden (müssen). Europa wäre daher ein ’Labor,’ um grundlegende soziale Fragen zu überdenken und gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln.