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Reportajes internacionales

Bulgarien nach den Parlamentswahlen

de Josef Gruber

erste personelle Konsequenzen

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Medienberichterstattung in Bulgarien steht nach den Wahlen vom 17. Juni interessanterweise nicht die siegreiche Simeons-Bewegung (NDS II).

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Vielmehr starren alle Journalisten und Beobachter weiterhin gebannt auf die Prozesse in der SDS, der größten Kraft in der bisherigen Regierungskoalition ODS. Der SDS-Vorsitzende Iwan Kostov übernahm die Verantwortung für die Wahlniederlage und erklärte seinen Rücktritt. Zur neuen Parteivorsitzenden wurde die bisherige Generalsekretärin Ekaterina Michailova gewählt. Sozialistenchef Georgi Parwanov hingegen konnte seinen Posten trotz des Wahldebakels seiner Partei behaupten.

Auf der ersten Sitzung des Nationalrates (Parteivorstand) der SDS nach den Wahlen am 26. Juni 2001 erklärte der Parteivorsitzende Iwan Kostov seinen Rücktritt. Er gab vier Gründe für diesen Schritt an. "Der Parteivorsitzende muss die Hoffnung konzentrieren. Ich aber verkörpere keine solche Hoffnung", war der erste. Der zweite Grund liege in der Tatsache, dass sich in der SDS Misstrauen breitgemacht habe und der Dialog unterbrochen sei. "Ich rufe die Menschen, die Grund für dieses Misstrauen sind, auf, sich ebenfalls zurückzuziehen." Das betreffe auch regionale Parteifunktionäre, jedoch hat Kostov keine konkreten Namen genannt. Über die Wahlniederlage sagte er: "Das ist eine demütigende Niederlage, besonders in Sofia und Plovdiv."

Der dritte Grund seien die Anschuldigungen wegen Klientelismus. "Wenn die SDS eine Sache ist, wird sie überleben, wenn wir Klientelisten sind - nicht. Ich erkläre meinen Rücktritt, damit wir nicht des Klientelismus beschuldigt werden". Der letzte Grund sei die generelle Diskrepanz zwischen der SDS und der Gesellschaft. "Jemand muss den Preis zahlen. Ich reiche meinen Rücktritt ein, damit unsere Wähler von 1997 zurückkommen. Sie müssen den Schuldigen finden."

Kostovs Rücktritt wurde auf seinen Wunsch hin vom Nationalrat nicht erörtert und keiner Abstimmung unterzogen.

Zur neuen Parteivorsitzenden wurde mit 70 Stimmen bei 3 Enthaltungen die bisherige Generalsekretärin der Partei, Eketarina Michailova, gewählt. Die im Vorfeld als wahrscheinlichste Nachfolgerin von Kostov gehandelte, noch amtierende Außenministerin Nadeshda Michailova wurde einstimmig zur künftigen Fraktionsvorsitzenden gewählt. Neuer Generalsekretär der Partei wurde einhellig der Regionalgouverneur von Kardshali, Plamen Iwanov.

Iwan Kostov behielt seinen Sitz im Nationalen Exekutivrat (Parteipräsidium). Die neue Führung wird ihre Funktionen bis zur nächsten Parteikonferenz, dem höchsten Forum der SDS, wahrnehmen.

Im Vorfeld der Sitzung übte der populäre Sofioter Oberbürgermeister Stefan Sofianski, der jedoch in der Parteihierarchie lediglich einfaches Mitglied ist, scharfe Kritik an der Parteiführung, verlangte den Rücktritt von Iwan Kostov, des gesamten Nationalen Exekutivrates und plädierte nachdrücklich für eine Koalition mit der bei den Wahlen siegreichen Simeons-Bewegung (NDS II), um "das Erreichte zu bewahren" und "diesen jungen, unerfahrenen Leuten" (in der Zarenbewegung) zu helfen. Sofiansi verfügt über einen sehr heißen Draht zur Zarenbewegung sowie zu Simeon selbst und wurde bzw. wird als möglicher Premier in einer Koalitionsregierung zwischen der NDS II und den ODS gehandelt.

Beobachter werteten die Personalentscheidungen als "Triumph der Linie Kostov" in der Partei. Ekaterina Michailova sei eine kompromißlose "Verfechterin der wahren Linie" und werde weiter den Kurs von Iwan Kostov verfolgen.

Der "Hardliner" Plamen Iwanov als Generalsekretär sei ein klares Zeichen, dass die SDS keinerlei Absichten habe, eine Koalition mit der NDS II einzugehen und sich auf die Oppositionsrolle verlegen werde. Manche glauben, dass Kostovs Rückzug lediglich ein taktisches Manöver darstelle und er geschickt die Fäden der neuen Parteiführung im Hintergrund ziehen werde, um in nicht allzu ferner Zukunft "auf einem weißen Pferd und mit wehender blauer Fahne" zurückzukehren. Für den BSP-Chef Georgi Parwanov ist die neue Führungsspitze der SDS "eine 100%-ige Verkörperung der Linie "Kostov"".

Weniger dramatisch und von den Medien kaum beachtet verlief die innerparteiliche Debatte auf dem Plenum des Obersten Parteirates (Parteivorstand) des gleichfalls sehr großen Wahlverlierers - der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP). Sie hat nach vier Jahren in der Opposition 200 000 Stimmen gegenüber ihrem ohnehin schwachen Abschneiden 1997 eingebüßt und ist drittstärkste politische Kraft geworden.

Auf dem Plenum übten der Vorsitzende der orthodoxen Plattform "Offenes Forum", Krassimir Premjanov, der "Parteistratege" Alexander Lilov und Iwan Genov moderate Kritik an Parteichef Georgi Parwanov. Gefordert wurde ein Sonderparteitag sowie die "Übernahme der politischen Verantwortung". Parwanov kam eventuellen Rücktrittsforderungen zuvor und stellte die Vertrauensfrage. 71 Sozialisten unterstützten ihn bei 27 Gegenstimmen.

Beobachter sehen in diesem Ergebnis eine Bestätigung der These, dass die Sozialisten nicht über einen starken, überzeugenden Politiker verfügen, der das Werk von Parwanov fortsetzen könnte.

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Thorsten Geißler

Thorsten Geißler

Leiter des Auslandsbüros Bulgarien

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