Reportajes internacionales
Das Ergebnis ihrer Verhandlungen verkündeten der japanische Außenminister Fumio Kishida und sein südkoreanischer Amtskollege Yun Byung-se nach einem knapp eineinhalbstündigen Treffen in Seoul vor Vertretern der Presse. Demnach soll von südkoreanischer Seite eine Stiftung zur "Wiederherstellung der Ehre und Würde der Opfer“ ins Leben gerufen werden. Die Projekte der Stiftung sollen von der japanischen Regierung mit staatlichen Mitteln finanziert werden.
Der beschönigende Begriff „Trostfrauen“ bezeichnet in Japan die Frauen, die von der japanischen Armee während des Zweiten Weltkriegs zur Prostitution gezwungen wurden. Die Zahl der Opfer wird von Historikern auf bis zu 200.000 geschätzt. Ein großer Teil der Zwangsprostituierten stammte aus Korea und China. Daneben wurden aber auch Frauen aus den Philippinen und aus Indonesien in die japanischen Militärbordelle gezwungen.
Die Regierung in Tokio sei sich, so Kishida, ihrer Verantwortung „schmerzlich bewusst“. Der japanische Außenminister bezeichnete das Schicksal der „Trostfrauen“ als einen „schweren Affront gegen die Ehre und Würde einer großen Zahl von Frauen“. Premierminister Abe erneuere seine „aufrichtigste Entschuldigung und Reue für alle Frauen, die unermessliche und schmerzvolle Erfahrungen erlebten und unheilbare physische und psychische Wunden erlitten“, bekräftige Kishida im Namen des japanischen Regierungschefs.
„Endgültig und unwiderruflich“
Die Vereinbarung vom Montag markiert nach dem Willen der japanischen und der südkoreanischen Regierung das Ende der jahrzehntelangen Auseinandersetzung über das Thema. Außenminister Kishida bekräftigte nach dem Treffen mit seinem Amtskollegen in Seoul, „dass dieses Problem (mit der jetzt getroffenen Vereinbarung) endgültig und unwiderruflich (…) beschlossen“ worden sei. Als Voraussetzung dafür nannte er, dass die angekündigten Maßnahmen nun auch „stetig umgesetzt“ würden. Darüber hinaus, und das dürfte für die Vereinbarung ganz entscheidend gewesen sein, wollen Südkorea und Japan gegenseitige Beschuldigungen, Anklagen oder Kritik am Umgang mit dem Schicksal der Zwangsprostituierten „in der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Vereinten Nationen“ künftig unterlassen.
Südkoreas Außenminister Yun bezifferte den Betrag, den die japanische Regierung als einmalige Zahlung an den geplanten Hilfsfonds überweisen wolle, mit etwa eine Milliarde Yen (derzeit umgerechnet knapp 7,6 Millionen Euro).
Yun verwies in seiner Stellungnahme auch auf die Bronzestatue, die Ende 2011 in Erinnerung an das Leiden der „Trostfrauen“ unmittelbar vor der japanischen Botschaft in Seoul errichtet wurde. Das Denkmal ist der Treffpunkt für regelmäßige Protestkundgebungen gegen die japanische Regierung. Wegen der Störung der diplomatischen Ordnung hatte die Botschaft vor einigen Jahren eine Beschwerde dagegen eingereicht. Außenminister Yun bekräftigte jetzt, dass seine Regierung die Besorgnis der japanischen Seite über die Statue „unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung jeglicher Störung der Ruhe der Mission oder Beeinträchtigung seiner Würde“ anerkenne. Die südkoreanische Regierung wolle sich im Gespräch mit den betroffenen Organisationen darum bemühen, das „Problem in geeigneter Weise zu lösen“.
Telefonisch tauschten sich noch am Montag kurz nach dem Treffen der Außenminister beider Staaten auch Japans Premierminister Shinzo Abe und die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye miteinander aus. Beide begrüßten ebenfalls, dass in der Frage der „Trostfrauen“ jetzt eine „endgültige und unwiderrufliche“ Vereinbarung getroffen werden konnte. Mit dem Ziel, die japanisch-südkoreanische Zusammenarbeit im wirtschafts- und sicherheitspolitischen Bereich zu intensivieren und für beide Länder „neue Beziehungen“ aufzubauen, kündigten Park und Abe an, für die Implementierung der am Montag angekündigten Maßnahmen die Verantwortung übernehmen zu wollen.
Einigung unter Zeitdruck
Nach dem Zweiten Weltkrieg vergingen zunächst viele Jahre, bevor etwas mehr als 200 Südkoreanerinnen ihre Scham überwanden und sich als Opfer der Zwangsprostitution registrieren ließen. Von ihnen leben heute in Südkorea nur noch 46. Im Durchschnitt sind sie fast 90 Jahre alt. Für einen Großteil der betroffenen Frauen kommt der jetzt beschlossene Hilfsfonds daher zu spät.
Nach den Jahrzehnten der Auseinandersetzung über das Schicksal der Zwangsprostituierten verdient die Vereinbarung vom Montag aber wohl dennoch das Attribut „historisch“. In einer ersten Stellungnahme pries UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Südkoreas Präsidentin Park und Japans Premierminister Abe für ihre „Führung und Vision bei der Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern“. In Fernostasien müsse das zwischenstaatliche Verhältnis, so Ban, „auf der Anerkennung der Geschichte basieren“.
Zwar stoßen schon jetzt zumindest einige der am Montag vereinbarten Maßnahmen in der südkoreanischen Öffentlichkeit und unter Oppositionspolitikern auf Kritik. So wurde jede Diskussion über eine mögliche Verlagerung der Statue vor der japanischen Botschaft in Seoul nach Medienberichten bereits als „Schande“ und „erschreckend“ abgelehnt. Als „bahnbrechend“ darf die Übereinkunft vom Montag aber dennoch vor allem deshalb gelten, weil die jahrzehntelange Auseinandersetzung über das Schicksal der „Trostfrauen“ eine engere Zusammenarbeit zwischen Seoul und Tokio in vielen anderen Bereichen zumindest verlangsamt, wenn nicht gar blockiert hat.
So ist auch zu verstehen, dass beide Seiten noch in diesem Jahr unbedingt eine Einigung erzielen wollten. Denn vor einigen Monaten wurde weltweit nicht nur der 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges begangen; für Südkorea und Japan markiert 2015 auch den 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Das Abkommen war die Voraussetzung für eine Normalisierung des bilateralen Verhältnisses. Einige Formulierungen im Vertragstext wurden von Japan und Südkorea allerdings unterschiedlich ausgelegt. Außerdem hatte sich Japan vor 50 Jahren zwar bereiterklärt, Reparationen an Südkorea zu zahlen, woraufhin die Regierung in Seoul von weiteren Kompensationsforderungen vereinbarungsgemäß absehen und die Opfer der japanischen Herrschaft selbst entschädigen sollte. Im Ergebnis hielt Südkorea seine Forderung nach einer direkten Entschädigung an die „Trostfrauen“ durch die Regierung in Tokio aber aufrecht. Ein von japanischer Seite zwischen 1995 und 2007 aus privaten Spenden finanzierter Fonds wurde in der südkoreanischen Öffentlichkeit überwiegend als unzureichend abgelehnt.
Plötzliche Wende im November
Die Fronten waren bis zuletzt so verhärtet, dass ein persönliches Treffen zwischen der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye und dem japanischen Premierminister Shinzo Abe im Jubiläumsjahr 2015 völlig außer Frage schien. Bereits kurz nach ihrem Wahlsieg Ende 2012 hatte Park den Konflikt um die „Trostfrauen“ als das „größte Hindernis“ in den Beziehungen zu Japan bezeichnet und bilaterale Gespräche mit Abe bis auf weiteres ausgeschlossen. In diesem Jahr kündigten sich ab September dann jedoch überraschend die ersten Anzeichen für ein mögliches Tauwetter an. Denn auch öffentlich wurde ab diesem Zeitpunkt verstärkt über ein Gipfeltreffen zwischen Park, Abe und dem chinesischen Premierminister Li Keqiang noch in diesem Jahr diskutiert.
Der trilaterale Gipfel fand zwischen 2008 und 2012 jährlich statt, wurde danach aber auch aufgrund der Auseinandersetzungen über die historische Aufarbeitung der Rolle Japans als Kolonialmacht und im Zweiten Weltkrieg vorübergehend ausgesetzt. Anfang November trafen sich Li, Abe und Park dann schließlich in Seoul. Im Umfeld des trilateralen Gipfels führten sowohl die Außenminister von Japan und Südkorea als auch Präsidentin Park und Premierminister Abe zugleich bilaterale Gespräche.
Die Themenpalette der Diskussionen zwischen den Spitzenvertretern der beiden Länder verdeutlicht eindringlich, in welchen Feldern die fernöstlichen Nachbarn zusätzlichen Gesprächsbedarf sehen. Das Spektrum der Anfang November in Seoul diskutierten Punkte reichte von der Bedrohung durch Nordkorea über die Zusammenarbeit zwischen Japan, Südkorea und den USA im sicherheitspolitischen Bereich, die territorialen Streitigkeiten im Südchinesischen Meer und die bilateralen ökonomischen Beziehungen bis hin zur Bedeutung und zu den Auswirkungen des Transpazifischen Freihandelsabkommens (TPP).
Und natürlich kam beim ersten bilateralen Treffen zwischen Präsidentin Park und Premierminister Abe auch die Frage der „Trostfrauen“ zur Sprache. Der Wegbereiter für die am Montag dieser Woche schließlich getroffene Vereinbarung war dabei wohl die Festlegung, nach der „künftige Generationen durch die Angelegenheit nicht (länger) beeinträchtigt“ sein sollten.
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