Strahlende Figur mit schwacher Basis
Wenn Emmanuel Macron spricht, wirkt vieles inszeniert. Er nutzt die royale Kulisse für europäische Botschaften oder lässt bei Besuchen von Regierungsvertretern aus anderen Ländern die republikanische Garde stramm stehen. Doch diese fein gesetzten Rituale der Macht kommen bei seinen französischen Landsleuten gut an. Ihr Staatschef überzeugt nicht nur mit Gesten, sondern auch mit Taten. Nach nur drei politisch aktiven Jahren, in denen er die Bewegung „La République En Marche“ gründete und aufbaute, habe er es geschafft, das Amt des Präsidenten mit Persönlichkeit zu füllen, lobt Nino Galetti, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Das Land ist nicht mehr wiederzuerkennen“, sagt Michael Wiegel. Die langjährige politische Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung(FAZ) in Paris, spürt ein verändertes Selbstverständnis und Lebensgefühl der Franzosen.
Prof. Dr. Norbert Lammert rechnet es dem jungen Politiker hoch an, dass „er im Wahlkampf nicht der Versuchung erlegen ist, den populistisch rechten Jargon zu übernehmen“. Vielmehr kritisiert er die Entwicklungen der Volkspartei „Les Républicains“, die mit ihrem neu gewählten Vorsitzenden Laurent Wauquiez nun im rechtspopulistischen Becken nach neuen Wählern fischt. „Den Nahkampf mit Rechten kann ich für kein gutes Bürgerkonzept halten“, sagt Lammert.
Macron hingegen ist die strahlende Figur, die Reformpläne für sein Land, aber auch die Europäische Union angekündigt hat. Doch die parteiliche Basis von „La République En Marche“ sei nicht stabil, analysiert Wiegel. „Der Mangel an lokaler Verankerung könnte sich als großen Schwachpunkt herausstellen.“ Per Email konnten sich neue Anhänger registrieren und sie diskutierten über Chaträume. Dieses niedrigschwellige Angebot, aus dem sich die Partei entwickelte, entspreche nicht einer klassischen Parteiengründung. Sie sei nicht vergleichbar mit dem deutschen Parteiensystem, erläuterte Galetti.
Warten auf Regierungsbildung
Die Ungeduld und Verwunderung der Franzosen zeigt sich darüber hinaus darin, dass sie den langen Prozess der Regierungsfindung und Koalitionsgespräche in Deutschland nicht nachvollziehen können. Ging es doch bei Macrons Amtsübernahme zügiger voran. Die von den deutschen Medien postulierte Ohnmacht der Regierung und das medial ausgebreitete Warten auf eine handlungsfähige Regierung kann Lammert nur bedingt nachvollziehen. „Wir haben keine parlaments- und regierungslose Zeit.“ Im Gegenteil: Die Verfassungslage für die Übergangszeit sei klar geregelt und stehe im Grundgesetz. „Wir schauen wie das Kaninchen auf die Schlange ohne das Kaninchen und Schlange im Grundgesetz vorgesehen sind.“ Der Grund für diese lähmende Reaktion Deutschlands liegt für den ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bundestages auf der Hand. „Wir sind in den vergangenen Jahren nur bequeme Wahlergebnisse gewohnt gewesen“, erklärt Lammert. Nun sind es sechs statt bisher vier Fraktionen im Bundestag.
Auf europäischer Ebene könnten die beiden Zugpferde Macron-Merkel eine „Revitalisierung des europäischen Prozesses“ erreichen, sind sich alle Diskutanten der FAZ-KAS-Debatte sicher. Es hänge von den Initiativen beider Seiten ab, „aber die Schlüsselwirkung der deutsch-französischen Partnerschaft ist entscheidend und nicht zu unterschätzen“, sagt Lammert.
Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten
Insbesondere in Zeit europapolitischer Visionen wird deutlich, dass Europa in verschiedenen Geschwindigkeiten unterwegs ist. Gerade bei Diskussionen zum Schengenraum oder zum Euro, der nicht in allen Staaten Nationalwährung ist, werde dies deutlich, sagt die FAZ-Korrespondentin. „Wer gegen ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist, will kein Europa“, sagt Lammert. Mit diesen klaren Worten unterstreicht er seine Forderung nach mehr „vergemeinschafteten Vereinbarungen“ zwischen den 28 EU-Mitgliedsstaaten.
Rolle Europas in internationalen Krisen
Ein Europa, das mit einer Stimme spricht, braucht es auch in der Flüchtlingspolitik. Macron setzt dabei auf die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Macron will in der Migrationsdebatte aktiver auftreten als sein Amtsvorgänger François Hollande“ erklärt Wiegel. In seiner Grundsatzrede zu Europa an der Pariser Universität Sorbonne Ende September forderte er unter anderem die Erweiterung der Außengrenzen. Mittlerweile wurden in Libyen, Niger und Tschad Registrierungsstellen für Flüchtende eingerichtet, erklärt Wiegel.
Am Beispiel der Krisenregion Mali wird deutlich, dass französischen Truppen schneller in Konflikte eingreifen können als andere Staaten. „Frankreichs Militär kann direkt vom Präsidenten als Oberbefehlshaber der Armee geschickt werden, während Deutschland eine Parlamentsarmee hat, deren Entsendung länger dauert“, erklärt Galetti. Macron drängt auf eine engere militärische Zusammenarbeit und gemeinsame Sicherheitskultur. Lammert bemängelte, das obwohl mittlerweile mehrere Nationen vor Ort in Mali im Einsatz seien, es bei der gegenseitigen Unterstützung hapere. Nicht zuletzt unterschiedliches militärisches Gerät mache dies schwierig. „Bei einer besseren Zusammenarbeit stellen sich wichtige Fragen, welche handfesten und operativen Möglichkeiten es gibt“, sagte Lammert. In diesem Sinne sei ein „deutsch-französischer Motor, der mit allen Zylindern in Europa rund läuft“ ein wichtiger Schritt zur Bewältigung der europäischen Herausforderungen, sagte Klaus-Dieter Frankenberger, verantwortlicher Redakteur für Außenpolitik bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Zuvor hatte Dr. Gerhard Wahlers, stellvertretender Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft hervorgehoben. „Mit dieser Partnerschaft könne jenseits der europäischen Grenzen für Frieden und Stabilität gesorgt werden“, sagte Wahlers. Die Stiftung leiste ihren Beitrag für eine gelungene Partnerschaft mit Projekten wie dem Wanderweg in Verdun im Bereich der Erinnerungskultur, einer Literaturkonferenz in Reims sowie Veranstaltungen zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Themen.
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