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Fluch oder Segen für die Zukunft der Bildung in Deutschland und Frankreich?

Digitale Lernformen im deutsch-französischen Vergleich

Wo stehen Deutschland und Frankreich im direkten Vergleich beim Fortschritt ihrer Digitalisierung von Bildung?

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Früher oder später führt jede deutsch-französische Debatte über Bildungsthemen auf die Frage, ob der deutsche Föderalismus oder der französische Zentralismus die besseren Lösungen zu bieten hat. Um so erfreulicher war, dass sich die Bonner Didaktikerin, Prof. Dr. Jutta Standop, und der französische Bildungspsychologe, Prof. Dr. Anfré Tricot, aus Montpellier, mit institutionellen Verfassungsfragen nicht lange aufhielten und rasch den eigentlichen Herausforderungen zuwandten, vor denen die Digitalisierung der Schulen steht. Beim Ausbau der technischen Infrastruktur mag Frankreich aufgrund der zentralen Planung und Verteilung der Mittel einen leichten Vorsprung haben, aber die didaktische Umsetzung, die Anwendungskonzepte, werden auch dort auf regionaler Ebene, in den Départements, entwickelt, stellte Tricot klar. Nicht die Hardware, die didaktischen Konzepte und die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer standen im  Vordergrund der deutsch-französische Zukunftswerkstatt.

Auch auf die Frage, in welchem Alter mit dem Einsatz digitaler Geräte begonnen werden soll, lautete die Antwort nicht: so früh wie möglich. Ebenso wenig plädierten beide dafür, digitale Medien nur deshalb einzusetzen, weil diese in der Freizeit genutzt würden oder zu Zwecken, für die auch außerhalb der Schule Endgeräte verwendet werden. Das eigentliche Potenzial digitalisierter Lehr- und Lernformen sehen der Psychologe und die Didaktikerin jenseits von jederzeit zugänglichen Recherchequellen. Den Mehrwert entfalten digitale Assistenten im Unterricht nach Auffassung von Jutta Standop erst durch die Unterstützung eines problemorientierten, selborganisierten Lernens und bei der Förderung kommunikativer, kooperativer und kreativer Lernformen. Selbstkritisch wurde indes festgestellt, dass ähnlich wie Bibliotheken auch die digitalen Medien vor allem für junge Menschen einen Gewinn brächten, die im selbstständigen Medienumgang geübter sind. Diesen Nachteil müsse die Schule durch den Aufbau von Medienkompetenz ausgleichen. 

Es ging in der Diskussion daher auch um den Aufbau von Medienkompetenz, um die Identifizierung und Einordnung von Fake News und um die Kompetenz im Umgang mit Sozialen Medien. Diskutiert wurde ferner der Umgang mit den Erwartungen der Eltern an den Aufbau von Medienkompetenz durch die Schule. Ob die Kinder mit Programmiersprachen vertraut gemacht werden sollten, bliebt offen, weil nicht klar war, welchen Beitrag sie zum Lernen leisten können. Es gehe aber weniger um Details als um ein Verständnis für die Funktions- und Wirkungsformen von Algorithmen.

Da sich die Rolle des Lehrers/der Lehrerin in digitalisierten Lehr- und Lernumfeldern verändere, müsse sich dieser Wandel des Lehrer zum Lernbegleiter oder zur Trainerin, auch viel mehr in der pädagogischen Ausbildung niederschlagen. Dem stehe bisland die immer noch in der Lehrerausbildung praktizierte Trennung zwischen allgemeiner und Fachdidaktik entgegen. Digitale Lehr- und Lernformen tauchten nur punktuell in der Lehrerausbildung auf und blieben weitgehend unstrukturiert, stellte Jutta Standop fest. Die Entwicklung der Rolle des Lehrers zum Trainer biete ferner die Chance zu einem länderübergreifenden Lernen durch Lernpatenschaften. Internationale Schulkontakte könnten auf diese Weise systematisch in Lernprozesse integriert werden und zum internationalen Austausch beitragen.

Digitale Medien bieten den Lehrenden die Möglichkeit, die Qualität ihres Unterrichts zu verbessern, war eine der Kernaussagen. Das sei, so wurde betont, nicht auf die Medien selbst, sondern auf deren pädagogischen Einsatz durch die Lernbegleiter und ihre Lehr- und Lernkonzepte zurückzuführen. Nicht der digitale Assistent garantiere Unterrichtsqualität, betonte André Tricot. Und Jutta Standop ergänzte, dass die digitalen Hilfsmittel sogar höhere Ansprüche an die didaktischen Konzepte stellten, da sie für die im Unterricht zu lösenden Aufgaben spezifischer modelliert werden müssten. Der Einsatz von Sprachalgorithmen wie ChatGPT verlange nämlich von den Lehrerinnen und Lehrern, Aufgabenstellung so zu formulieren, dass diese nicht vom Algorithmus selbst gelöst werden könne.

Gerade an dieser in der Öffentlichkeit heftige umstrittenen Frage der Nutzung von ChatGPT wurde die unersetzbare Funktion des Lernbegleiters deutlich: Nur er/sie kann Aufgaben stellen, die eigenständig gelöst werden müssen, um sie von den Antworten eines Algorithmus zu unterscheiden. Die eigentliche pädagogische Herausforderung liege in der Aufgabe, das Lernen in einer digitalisierten Umwelt zu organisieren. Kurzum: Wie der Taschenrechner den Mathematiklehrer nicht ersetzt, so sind auch Algorithmen kein Ersatz für den Lehrer oder die Lehrerin im Englisch- oder Geschichtsunterricht. 

Der Förderunterricht könne von den digitalen Medien profitieren, da Aufgabenstellungen und Feedback spezifischer aufeinander abgestimmt werden könnten und die Lernbeziehung dadurch eine größere Bedeutung erlange.

Am Tag der Veröffentlichung der jüngsten iGLU-Studie, in der Deutschlands Grundschulen erneut ein wenig zufriedenstellendes Zeugnis ausgestellt wurde, hatten wir die Gelegenheit zu fragen, ob die Digitalisierung eine Trendumkehr unterstützen könne. Nach allem, was zuvor diskutiert wurde, ließ sich erahnen, dass sie einen Beitrag leisten, dass von ihr aber keine Wunder zu erwarten sind.

 

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