In der 18. Legislaturperiode, also während seiner Zeit als Bundestagspräsident, verabschiedete der Deutsche Bundestag 555 Gesetze. Doch die schiere Menge ist nur bedingt ausschlaggebend: „Wir hatten nicht den Ehrgeiz, quantitative Marken zu erreichen“, betont Lammert. Der Bundestag sei schließlich der Auffassung gewesen, bei jedem der Gesetze habe es „akuten Handlungsbedarf“ gegeben.
Lammert ist es jedoch wichtig – ausgehend von der Gesetzgebung der letzten vier Jahre – auf die momentane politische Lage in Deutschland hinzuweisen. Nach den gescheiterten „Jamaika“-Sondierungen gehen gerade die Unionsparteien mit der SPD in Koalitionsverhandlungen. Sollten diese scheitern, könnte es zu Neuwahlen kommen, theoretisch aber auch zu einer Minderheitsregierung.
Weitere Berichte des Berliner Jahresrückblicks 2018
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- Bericht von Panel 2: „Rechtlich relevante Identität“: Hat das Recht ein Geschlecht?
- Bericht von Panel 3: CETA und die Folgen: Verlust demokratischer Gestaltungsmacht?
Hätte es in der letzten Legislaturperiode eine solche Regierungsform gegeben, wären bei weitem nicht so viele Gesetze durchgekommen, glaubt Lammert. Denn das Risiko sei „bei Themen mit großem öffentlichen Interesse besonders groß, dass sie nicht zum Ergebnis geführt werden können.“
Auch die vielen Änderungen am Grundgesetz sieht Lammert kritisch. Zwar sei die „Verfassung doppelt so lang, aber vermutlich nicht doppelt so gut geworden wie die Urfassung von 1949“, sagt Lammert.
In Europa macht Lammert bedenkliche Entwicklungen aus, er sieht „einen nicht ganz eleganten Angriff auf den Rechtsstaat“. In Polen beispielsweise sollen Richter nicht mehr unabhängig gewählt, sondern durch ein dem Justizminister unterstelltes Gremium und die Regierungsmehrheit im Parlament bestellt werden. Solche „unerfreulichen Erfahrungen innerhalb der europäischen Gemeinschaft“ zeigten einen „demonstrativen Anspruch“, so Lammert: Dass das Parlament einen Vorrang vor der Judikative haben solle. Dem widerspricht er vehement: „Es gibt doch den Vorrang der Judikative vor dem Volkswillen.“
Der Rückblick: NPD, Numerus Clausus – und die Kosten einer „Nichtigkeit“
Den umfassenden Rückblick auf die Rechtsprechung im Jahr 2017 gab schließlich Frank Schorkopf. Er verweist auf das Ende des NPD-Verbotsverfahren im Januar, das Auswirkungen auf das Grundgesetz hatte: Bundestag und Bundesrat hätten die Hinweise des Zweiten Senats berücksichtigt, „und Art. 21 des Grundgesetzes um ein zweites Sanktionsverfahren gegen politische Parteien erweitert – die Verfassungsfeindlichkeit führt nun zum Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung“, so der Göttinger Professor.
Im Dezember hatte der Erste Senat das sogenannte Numerus-Clausus-Urteil verkündet. Schorkopf begrüßt es, dass der Senat den „Leistungsgedanken jedenfalls im Prinzip verteidigt und die Wartezeit als Kriterium begrenzt“.
Auch auf ein „schmerzhaftes Instrument für Gesetzgeber und Regierung“ weist Schorkopf hin: „die gesetzliche Rechtsfolge der Nichtigkeit“. Der Erste Senat hatte das Gesetz über die Kernbrennstoffsteuer, die infolge der deutschen Energiewende erhoben wurde, für nichtig erklärt. Das habe „zur Rückzahlung eines mittleren einstelligen Milliardenbetrages“ geführt.
Nicht nur Gerichtssprüche befassten das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2017: „Erhebliche grenzüberschreitende Besuchs- und Dialogaktivitäten“ diagnostiziert Schorkopf. So habe sich das Gericht u.a. „mit dem britischen, kanadischen, irischen, tschechischen, chilenischen und französischen Verfassungsgericht“ getroffen.
2017 konnte das Bundesverfassungsgericht aber auch vieles nicht entscheiden, die Liste „macht neugierig auf das laufende Jahr“, so Schorkopf: „automatische Kennzeichenerfassung, Rundfunkbeitrag, der CAS in Lausanne als unabhängiges Schiedsgericht (passend zu Olympia) im Ersten Senat; elektronische Fußfessel, Sterbehilfe, Rechtsschutz gegen Akte Europäischer Schulen und des Europäischen Patentamtes sowie die bereits genannten EZB-Verfassungsbeschwerden im Zweiten Senat.“
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