Reportajes internacionales
Einige Gouverneurs- und provinzielle Parlamentswahlen, bei denen die dem „Oficialismo“ Kirchners nahe stehenden, abhängigen oder ihm allierten Kräfte Erfolge erzielen konnten, sind bereits gelaufen.
Einen besonderen Höhepunkt bildeten die Wahlen in Buenos Aires vom vergangenen Wochenende, bei denen es um die Neuwahl eines Teils der Abgeordneten des Stadtparlamentes (Legisladores) und um die Besetzung der Posten des Regierungschefs und seines Vize für die autonome Hauptstadt ging.
Überraschendes Wahlergebnis
Angesichts der einseitigen Konzentration nicht nur der Bevölkerung, sondern auch der Wirtschaft und des politischen Einflusses in der Hauptstadt und ihrer Umgebung, brachte das Wahlergebnis vom 3. Juni 2007 eine Überraschung.
„Frischer Wind“ durch den umfassenden Sieg des Oppositionsbündnisses PRO unter der Führung von Mauricio Macri und seiner Kandidatin für den Posten des Vize-Regierungschefs Gabriela Michetti – „Gegenwind“ nicht nur für den vom Präsidenten unterstützten und bisherigen Erziehungsminister Daniel Filmus, sondern damit auch für den Präsidenten und seine populistische Politik und seinen Führungsstil, welche zu einer in Argentinien nie da gewesenen politischen Machtkonzentration geführt hatte.
In einer methodisch sehr bürgernahen, sachlichen und nicht auf die Konfrontation mit dem politischen Gegner angelegten Wahlkampagne gelang es Macri und Michetti mit insgesamt 45,62 % alle Wahlbezirke von Buenos Aires zu gewinnen. Dabei lag die Wahlbeteiligung bei guten knapp 65%.
Gefolgt wird PRO vom Kirchner-Kandidaten Daniel Filmus, welcher im Namen der „Frente para la Victoria“ (an Stelle der zersplitterten Partido Justicialista und ohne institutionellen Unterbau geschaffene Sammelbewegung) und gemeinsam mit der Gruppierung des wegen der Brandkatastrophe in einer Diskothek in Buenos Aires mit vielen Todesopfern suspendierten ehemaligen Bürgermeisters Anibal Ibarra antrat. Filmus konnte nur 23,77% der Stimmen und damit fast 22% weniger als Macri auf sich vereinigen.
Linke verlieren
Der bisherige Bürgermeister von Buenos Aires Jorge Telerman (ebenfalls Peronist) und sein taktisches Wahlbündnis gegen Kirchner mit dem linken Politikbündnis Coalición Civica (stellvertretend für die aus der Union Civica Radical hervorgegangene politische Bewegung ARI unter der Führung von Elisa Carrio) erreichte nur ca. 21 % und musste seine Wahlniederlage anerkennen. Seine ambivalente Politik wurde vom Wähler abgestraft, obwohl seine Regierung auch Anerkennung in der Hauptstadt fand.Weitere Mitbewerber, wie z.B. die Vereinigte Linke (Patricia Walsh), verblieben unter der 3%-Marke.
Mit dem Sieg Mauricio Macris und seiner Partei CPC (Compromiso para el Cambio), scheint die bisher stets uneinige Opposition endlich einen legitimierten Führer gefunden zu haben. Der Erfolg lag weit über den Erwartungen der Umfragen der letzten Tage vor den Wahlen. Ehrlichkeit, lang- und mittelfristiges Politikkonzept, die Konzentration auf die vielfältigen Probleme der Stadt und des Ballungsraumes und die richtigen Themen wie Sicherheit, Einbindung und Urbanisierung der ständig wachsenden Armenviertel (Villas Miserias) ,das Thema Umwelt, Verkehr usw. führten zum Erfolg.
Kirchner will Wahlergebnis revidieren
Für Präsident Kirchner bedeutet das Wahlergebnis eine konkrete Herausforderung. Nach der Verfassung der Hauptstadt ist eine Stichwahl (24. Juni) zwingend, wenn nicht einer der Kandidaten die absolute Mehrheit erzielt. Der „Oficialismo“ Kirchners wird dementsprechend alles daran setzen, das aktuelle Wahlergebnis zu revidieren. Nicht nur um einen gefestigten Oppositionsführer und damit eine geeinte Opposition zu verhindern, sondern auch um die Ausstrahlung des Ergebnisses im wichtigsten Wahlbezirk des Landes auf das ganze Land zu bremsen.
Für PRO kommt es nun darauf an, den Erfolg in Buenos Aires auch auf nationaler Ebene zu kapitalisieren und den Schwung zu nutzen. Man muss allerdings klar sehen, dass sich hier trotz allem sehr ungleiche Gegner gegenüber stehen. Die Provokation für die nationale Regierung und den Präsidenten ist jedoch nicht zu unterschätzen. Man kann nur hoffen, dass dem „sauberen“ Wahlkampf Macris und Michettis in den 3 Wochen bis zur Stichwahl nicht ein „schmutziger“ Wahlkampf seitens ihrer Gegner folgt. Immerhin gilt es für diese, den Vorsprung von mehr als 20 Prozentpunkten zu überwinden. Der offensichtlich rationale, an wichtigen Themen orientierte, nicht nur auf die Personen konzentrierte und wenig politisch konfrontative Wahlkampf ohne durchsichtige Versprechungen Macris und seines Bündnisses, hat zumindest bei der Mehrzahl der Bevölkerung der Hauptstadt Anklang gefunden. Aber es ist auch nicht schwer, den mitte-rechts Ansatz in die neoliberale Ecke zu stellen und damit das Image des Siegers zu beschädigen.
In den Provinzen sieht es natürlich anders aus. Dort hat das politische und populistisch-zentralistische Projekt des Präsidenten weitaus größere Chancen und die Kandidatur der Präsidentengattin Cristina Kirchner-Fernandez würde den Präsidenten nicht nur aus einer zunehmend von Kritik an seiner Regierung geprägten Situation befreien, sondern auch seine erneute Wiederwahl im Jahr 2011 und damit die eventuelle Fortsetzung des „Familienprojekts“ ermöglichen.
In mancher Hinsicht haben die Ergebnisse der Wahl in Buenos Aires aber auch für das ganze Land neue Akzente gesetzt. Eine neue Option, eine realistische Perspektive ist entstanden und muss sich nun institutionell etablieren. PRO, also Mauricio Macri und seine Bündnispartner (vor allem Ricardo Lopez-Murphy und seine Partei „Recrear“) gehen realistisch von einem mindestens mittelfristigen politischen Konzept aus. Und das ist richtig, da niemand glauben kann, die politisch-historischen Traditionen Argentiniens, geprägt durch den Peronismus und seine Formen der politischen Macht, durch Klientelismus und paternalistischen Staat so schnell ändern zu können. Ohne neue politisch–demokratische Konzepte, die in der Lage sind sich zu vereinen, wird es allerdings keine positive Erneuerung der angeschlagenen Demokratie, keine Stärkung der betroffenen demokratischen Institutionen und des Rechtsstaates, keine wirkliche Partizipation der Bürger, keine wirksame Bekämpfung der sozialen Ungleichheit und auch keine Festigung der ökonomischen Stabilität Argentiniens geben. Kirchners Macht und die schnelle wirtschaftliche Erholung des Landes nach der profunden Krise von 2001 gründen sich zum größten Teil auf die Begünstigungen durch eine weltwirtschaftliche Konjunktur und entbehren bis heute wichtiger Grundlagen um Nachhaltigkeit für die Zukunft des Landes zu bewirken.
Neue politische Konzepte können, wie in Buenos Aires, von der Seite einer gestärkten Opposition kommen. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass wirksame Anstöße von traditioneller Seite, von Kirchnergegnern aus dem peronistischen Lager, eine Rolle spielen werden.
Es ist zu hoffen, dass der „frische Wind“ aus Buenos Aires nicht nur ein „Lüftchen“ in den Weiten der Pampa bleibt. Auf jeden Fall sind Zeichen gesetzt und in Zukunft wird man wahrscheinlich nicht mehr so selbstverständlich wie bisher und unter Missachtung demokratischer Regeln und Institutionen regieren können. Spannend und für die endgültige Entscheidung wichtig werden die nächsten Wochen bis zur Stichwahl am 24. Juni 2007!