Ein Bericht von Julius Velz, Stipendiat im Promotionskolleg Soziale Marktwirtschaft der KAS.
Die Annahme, dass Demokratie und Marktwirtschaft als ideales Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung gesehen werden, ist in Deutschland weit verbreitet und prägt die deutsche Politik. Ein internationaler Vergleich enthüllt allerdings die Fähigkeit autoritärer Staaten wie China und Russland, effiziente kapitalistische Strukturen aufzubauen, und stellt in Frage, dass Marktwirtschaften vorrangig in liberalen Demokratien gedeihen. Das Promotionskolleg „Soziale Marktwirtschaft“ widmete sich diesem Thema im Rahmen eines Seminars mit dem Titel „Wirtschaftssysteme in Autokratien“ unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Wegner. Die Kollegiatinnen und Kollegiaten beschäftigten sich mit der Interdependenz von politischen und ökonomischen Ordnungen, der Beständigkeit autoritärer Wirtschaftssysteme und deren Funktionsschwächen.
Im Seminar wurde intensiv diskutiert, wie autoritäre Regime den Zugang zu Ressourcen limitieren, um ihre Machtstrukturen zu festigen. Diese Problematik wurde anhand des Konzepts der Limited Access Orders (LAO) erörtert, entwickelt von Douglass North, John Wallis und Barry Weingast. Hierbei nutzen politische Eliten wirtschaftliche Privilegien zur Sicherung von Loyalität und Machterhalt. Die Diskussion konzentrierte sich auf Argumente, die offenen, demokratischeren Systemen, den Open Access Orders (OAO), einen höheren wirtschaftlichen Erfolg zuschreiben. Professor Wegner resümierte, dass sich Unternehmen in demokratischen Systemen stärker auf ökonomische Aktivitäten fokussieren und Entscheidungen treffen können, die weniger von politischen Motiven beeinflusst sind.
Eine Debatte um die Stabilität von Autokratien hob die Bedeutung struktureller Rahmenbedingungen hervor. Wirtschaftlicher Erfolg kann ein Regime stärken, während wirtschaftlicher Misserfolg zu Instabilität führt. Dies lege nahe, dass in wirtschaftlich erfolgreichen autoritären Regimen die Wahrscheinlichkeit für demokratische Reformen geringer sind, so die Schlussfolgerung der Stipendiatinnen und Stipendiaten. Außerdem zeige die Erörterung des politischen Regime-Kontinuums nach Gert Pickel, dass demokratische Systeme durch Faktoren wie geringe Wahlbeteiligung und Populismus in ihrer Stabilität gefährdet sind. Professor Wegner verdeutlichte anhand des Beispiels von Russland, dass in einem autoritären Regime extreme Mechanismen wie der Einsatz von Gewalt notwendig werden, um das Land zu stabilisieren. Diese Bewertung von einem russischen Seminarteilnehmer bekräftigt.
Eine weitere Diskussion während des Seminars über die Auseinandersetzung mit der Demokratieskepsis von Friedrich Hayek und Walter Eucken gab Einblick in die Bedenken gegenüber einem Demokratieverständnis, das auf der Dominanz der Mehrheitsmeinung beruht. Hayek sehe darin eine Gefahr für Minderheiten und individuelle Freiheiten. Eucken äußert hingehen Bedenken, dass eine zentrale Wirtschaftsplanung in einer Demokratie die Rechtsstaatlichkeit und individuelle Freiheiten beeinträchtigen könnte. Diese Bedenken spiegeln sich in aktuellen politischen Herausforderungen Deutschlands wider. Zum Beispiel ist es schwierig, Einigkeit in Entscheidungen zu finden. Auch die wachsende Polarisierung durch Populismus und die teilweise niedrige Wahlbeteiligung spielen eine Rolle.
Die empirische Untersuchung der sogenannten Friedman/Hayek-These verdeutlicht, dass ökonomische Freiheit politische Freiheit fördern kann, wie es die Entwicklungen in Taiwan und Singapur nahelegen. Jedoch zeigt eine kritische Auseinandersetzung, dass Kapitalismus auch demokratische Strukturen schwächen kann, beispielsweise wenn die Globalisierung demokratische Prozesse umgeht. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die vielschichtige Beziehung zwischen ökonomischer und politischer Freiheit umfassend zu betrachten. Die Seminarteilnehmenden diskutierten, inwieweit diese Fallbeispiele verallgemeinerbar sind. Die Meinungen unterschieden sich darin, wie realistisch die Friedman/Hayek-These ist, besonders angesichts der Hohen Individualität von Wirtschaftssystemen.
Zum Abschluss des Seminars, offenbarte die Fallanalyse Russlands, wie interne Konflikte und Machtverschiebungen die Entwicklung zu einer gefestigten LAO behinderten. Der Konflikt um Ölexporterlöse im Jahr 2003 markierte eine Zäsur, die eine Rückkehr zu einer grundlegenderen LAO und eine Stärkung der Sicherheitskräfte zur Folge hatte. Die anschließende Regression der LAO nach 2014 verschob die Machtbalance innerhalb der Elite und minderte deren Einfluss. Diese Entwicklung unterstreicht, dass ökonomische und politische Veränderungen in Autokratien oft das Ergebnis komplexer politischer Verhältnisse in Wechselwirkungen mit wirtschaftlichen Systemen sind.
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