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2012: Die Qualität der bolivianischen Demokratie

Evaluation durch die beteiligten Akteure

Die vorliegende Publikation, durchgeführt durch die ABCP, mit Unterstützung der KAS, stellt die dritte einer Reihe von Studien dar, die es sich zum Ziel gemacht haben die Qualität der bolivianischen Demokratie zu evaluieren. Die Studie bietet eine objektive Analyse diverser Demokratie-Parameter und identifiziert in der Folge entsprechende Lösungskonzepte.

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In den Räumlichkeiten auf dem neuen Messegelände "Chuquiago Marka" fand am 10.10.2013 die Präsentation der Publikation: „2012: Die Qualität der bolivianischen Demokratie - Einschätzungen der Akteure “ statt. Die Begrüßungsworte hielt Susanne Käss, Leiterin des Auslandbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bolivien. Die Präsidentin der Stiftung ABCP (bolivianische Stiftung für Politikwissenschaft), Herr Salas, sprach über die Errungenschaften der Studie. Lic. Marcelo Varnoux erläuterte schließlich die Inhalte, Methodik und Reichweite der Publikation.

Die vorliegende Publikation, durchgeführt durch die ABCP, mit Unterstützung der KAS, stellt die dritte einer Reihe von Studien dar die es sich zum Ziel gemacht haben, die Qualität der bolivianischen Demokratie zu evaluieren. Die Studie bietet eine objektive Analyse diverser Demokratie-Parameter und identifiziert in der Folge entsprechende Lösungskonzepte.

Die von der ABCP angewandten Kriterien zur Durchführung der Studie sind unter der Prämisse ausgewählt wurden, dass sie der bolivianischen Realität am nächsten kommen.

In Anbetracht der gewählten Methodik, können die Ergebnisse wie folgt zusammengefasst werden:

A) Die niedrigsten Indikatoren wurden bei der Kontrolle der Demokratieentwicklung gemessen. Innerhalb dieser Werte betrifft der geringste die Rechtsstaatsentwicklung, die bei einem Wert von 3.56 von 10 zu verorten ist. Weitere Faktoren sind beunruhigend: hohe Werte bei der Unsicherheit in Städten sowie der Einhaltung der Gesetzgebung durch Akteure aus Politik und Recht und letztlich eine massive Schwächung der Rechtssicherheit. Dem ist hinzuzufügen, dass auch das Rechtswesen als solches erhebliche Mängel aufweist. Zudem stellt die bolivianische Polizei eine der Institutionen dar, die am häufigsten die Menschenrechte verletzt. Betrachtet man die Ergebnisse der Studie in ihrem Zusammenspiel hat es vielmehr den Anschein, dass es sich bei der bolivianischen Demokratie um eine Scheindemokratie handelt. Die Studie ist höchst besorgniserregend. So beweist sie doch eine kontinuierliche Schwächung der bolivianischen Demokratie.

B) Geht es um die Ausschöpfung und damit Handhabung der interinstitutionellen Konten – ein Indikator der auch Teil der Demokratieentwicklung ist, erreicht Bolivien bloß einen Wert von 3.83 von 10. Damit zieht Bolivien wiederholt mit anderen Scheindemokratien gleich. Die Befragten zeigten auf, dass eine starke Abhängigkeit von Legislative und Judikative zur Exekutive besteht. Diese Abhängigkeit macht es den besagten Institutionen besonders schwer entsprechend ihrer Notwendigkeiten zu wirtschaften. Weiterhin wird die Arbeit von Institutionen erschwert, deren Aufgabe es ist für die Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen und Übergriffe durch den Staat auf die Bürger vorzubeugen. Die absolute Dominanz der Exekutive stellt sich jeglichen Empfehlungen, seien sie auf kommunaler oder regionaler Ebene formuliert worden, mit Vehemenz in den Weg. Die CPE (neue Verfassung für Bolivien) sieht hier ein Check and Balance System durch die territorialen Autonomien vor. Doch die Normativen des CPE wurden nur ungenügend bis gar nicht umgesetzt und die Macht verbleibt zu großen Teilen in den Händen der Exekutive. Diese erlässt stets neue Gesetzesvorhaben, welche die Dezentralisation und damit das territorialer Check and Balance System aushöhlen.

C) Im Bereich der Parlamentssitzverteilung wird insbesondere deutlich, wie sehr es der Opposition an der Fähigkeit fehlt die Regierung zu kontrollieren. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die Regierungspartei MAS zweidrittel der Parlamentssitze auf sich vereint. Weiterhin augenfällig ist, wie zerstritten die Opposition bis hin zur kleinsten parlamentarischen Einheit ist. Kommt es zu Petitionen oder Wortgefechten seitens der Opposition wird diesen nur eine sehr geringe Beachtung geschenkt. Weiterhin haben die Befragten den Eindruck, dass das plurinationale Bundeswahlinstitut (OEP) unter einem sehr starken Einfluss der Exekutive steht. Eine heikle Situation, bedenkt man, dass das OEP das Zünglein an der Waage sein wird, wenn es darum geht, ob die MAS in der kommenden Legislaturperiode an der Macht bleibt. Genährt werden diese Verdachtsmomente durch den Skandal um das verfassungsrechtlich festgeschriebene Konsultationsrecht, welches im Rahmen des TIPNIS-Projekts sukzessiv von der Regierung ausgehebelt wird.

D) Obwohl die Pressefreiheit einen Wert von 5.47 von 10 erreicht, handelt es sich hierbei nicht um einen wirklich befriedigenden Wert. Die entsprechenden Befragten führten an, dass in den dreißig Jahren bolivianischer Demokratie keine Regierungspartei in dem Umfang die Pressefreiheit eingeschränkt hat wie es die MAS-Partei heute tut. Beweis dafür ist die Häufung gerichtlicher Verfahren gegen Medienunternehmen die angeblich gefälschte Regierungsdeklarationen in Umlauf gebracht haben. Es ist weitestgehend bekannt, dass Evo Morales in der Presse seinen ärgsten Konkurrenten sieht. Ein Umstand der zu einem beträchtlichen Grad an Selbstzensierung unter den Medien geführt hat. Die Journalisten vermeiden es, die Regierungspolitik oder gar Gesetzeserlasse zu kommentieren, aus Angst vor den gerichtlichen aber auch ökonomischen Folgen. Denn die „rebellischen“ und „oppositionellen“ Blätter werden nicht selten mit einer Anzeigensperre seitens der Regierungspartei und damit aller öffentlichen Institutionen belegt.

E) Auch im Bereich des politischen Wettbewerbs und der Partizipation rangiert Bolivien auf der Höhe einer Scheindemokratie. Die größten Probleme bilden hierbei das Fehlen entsprechender politischer Institutionen sowie die Unwilligkeit der Regierungspartei ihre Führungspersonen auszutauschen. Den von der Regierungspartei ausgewählten öffentlichen Figuren wird auf der politischen Bühne der Großteil einer inszenierten Aufmerksamkeit zuteil. Somit kommt es kaum zu notwendigen Debatten bezüglich dringender sozialer wie ökonomischer Probleme. Diese Effekte wiederholen sich innerhalb sozialer Bewegungen und Vereinigungen. Die Befragten beobachteten, dass diese sich vermehrt vertikal und korporativ organisieren. Ihnen wohnt ein hoher Grad an Mobilisierungskraft inne. So haben sie den traditionellen Parteien einige Stimmenanteile abgewinnen können und stehen stark vereint hinter der Regierungspartei. Die Probleme auf dieser Ebene zeichnen ein Demokratieverständnis ab, welches sich dem Populismus und Caudillismo zuwendet und somit die demokratischen Strukturen schwächt.

F) Der Faktor Freiheit, Bestandteil der inneren Demokratieentwicklung, hat einen relativ guten Wert erreicht. Er befindet sich knapp über dem Mittelwert und kann dennoch nicht verschleiern, dass eine alarmierende Schwächung der verfassungsrechtlichen Garantien eingetreten ist. Es wurde aufgezeigt, dass die Fundamentalrechte, wie etwa die Unschuldsvermutung und das Recht auf ein freies und faires Verfahren dramatisch an Relevanz verloren haben. In einigen Fällen konnte Polizeijustiz und Korruption auf Regierungsebene festgestellt werden aber auch klare Verstöße gegen die Bürgerrechte Oppositioneller und unbedarfter Bürger.

G) Die Mehrheit der Befragten stimmt darin überein, dass die Menschenrechte in Bolivien mittlerweile keinen besonders hohen Stellenwert mehr einnehmen. Die staatlichen Institutionen schützen weder die Menschenrechte noch tun sie etwas für deren Durchsetzung. Die nachweisbare Polizeijustiz, die Zunahme der Unsicherheit in den Städten und die konstanten Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Autoritäten lassen die Menschenrechtslage in Bolivien in einem düsteren Licht erscheinen. Eine Situation, die auch von mehreren internationalen Beobachterorganisationen als prekär eingeschätzt wird.

H) Geht es um den Aspekt der „Gleichheit“, haben die Befragten die Bemühungen des Staates das sozioökonomische Gefälle zu begradigen als ungenügend identifiziert. Etwas bessere Werte hat der Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem erhalten. Nichtsdestotrotz, die althergebrachte Diskriminierung zwischen „Ethnie“ und „Gattung“ ist erhalten geblieben und sorgt bei diesem Indikator für einen schlechten Gesamtwert.

I) Nach Meinung der Befragten, ist die mit der politischen Ausrichtung einhergehende Diskriminierung besonders besorgniserregend. Verbunden ist diese Tatsache mit einem Rückgang des politischen Pluralismus, der Debattenkultur und der demokratischen Infrastruktur. Das aktuelle politische Umfeld hat einer intensiven Polarisierung Vorschub geleistet. So wird auf der politischen Bühne offen zwischen „Freunden“ (Sozialisten und Revolutionäre) und „Feinden“ (Konservative, Neoliberale etc.) unterschieden. Die politische Ausrichtung ist mittlerweile ein wichtiges Einstellungskriterium geworden. Für die Befragten ist das ein Indiz dafür, dass Bolivien sich zu einem autoritären Staat entwickelt.

J) Im Hinblick auf den Outcome -die Flexibilität mit der die bolivianischen Institutionen auf die in der Gesamtheit an die Demokratie gestellten Herausforderungen reagiert- sind die Werte erschreckend niedrig. Dafür nennen die Befragten zwei Gründe: Zum einen Inhalt und Substanz der Politikprogramme zur Armutsreduzierung und zum anderen Inhalt und Substanz der Wirtschaftspolitik. Für die Sozialpolitik gilt, dass sie unpointiert und weitestgehend wirkungslos ist. Im Grunde wiederholen sich die Probleme vergangener Legislaturperioden. Dass das Land grundsätzlich gute makroökonomische Daten aufzeigt, führen Analisten vielmehr auf die Steigerung der Rohstoffpreise, in den letzten Monaten, zurück. Letztlich verfügt die Regierung über einen durchaus ausgeglichenen Haushalt, den sie jedoch nicht im Sinne einer effektiven Sozial- und Wirtschaftspolitik einzusetzen weiß.

k) In der Zusammenfassung muss festgestellt werden, dass sich Bolivien im Sinne eines internationalen Demokratiebarometers auf der Ebene einer Transit-Demokratie befindet. Im Vergleich zu den letzten Evaluationszeiträumen hat die Qualität der Demokratie in Bolivien abgenommen. Der Gesamtwert für das Jahr 2012 beläuft sich auf 4.41 von 10, 2011 lag dieser noch bei 4.76 und 2010 bei 4.8. Zudem lässt sich feststellen, dass sich viele Werte im Bereich einer Scheindemokratie bewegen. Falls sich diese Werte weiterhin bestätigen, wird Bolivien ernsthafte Schwierigkeiten dabei haben, die durch die ihre Verfassung garantierten Rechte zu gewährleisten. Schließlich kann es zu einer de-facto Demokratie kommen, in der es zwar Wahlen gibt, diese aber nicht die gewünschten demokratischen Strukturen zur Folge haben. -Die Präsentation gipfelte in einer offenen Diskussion zwischen den Referenten und dem Publikum.-

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