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Ein einführender Überblick verdeutlichte den Schülerinnen und Schülern verschiedene Aspekte des MfS, darunter dessen Funktion als ausführendes Organ der SED („Schild und Schwert der Partei“), seine Organisationsstruktur und das Selbstverständnis seiner Mitarbeiter als „Genossen erster Kategorie“ (Wilhelm Zaisser). Auch die Betroffenenperspektive wird in der Ausstellung u.a. anhand der Themengebiete „Untersuchungshaft“, „Überwachung und Zersetzung“ und verschiedener Fallbeispiele dargestellt.
Die Zusammenhänge von SED-Diktatur und Verfolgung einzelner DDR-Bürger durch die Staatssicherheit erläuterte der Zeitzeuge Andreas Thieme eindrucksvoll anhand seines persönlichen Schicksals. Thieme schilderte in seinem Vortrag die Entwicklung eines hoffnungsvollen, freiheitsliebenden Schülers aus Thalheim im Erzgebirge zum politischen Gefangenem des SED-Regimes. Seine „Verfehlungen“ waren zweierlei Art: Als Sohn eines Baptistenpredigers glaubte er an eine höhere Macht als an den „wissenschaftlichen Sozialismus“ mit seiner atheistischen Weltanschauung. Auch öffentliche Bloßstellungen und Indoktrination, die bereits in der Grundschule begannen, konnten ihn in seiner Überzeugung nicht erschüttern.
Spätestens seit Mitte der sechziger Jahre war Thieme zudem mit einem „Glücksvirus“ infiziert, der auch den Eisernen Vorhang spielend überwunden hatte: dem Rock´n´Roll. Der Schüler und spätere Lehrling (ein Abitur an einer erweiterten Oberschule wurde ihm trotz hervorragender Schulnoten verwehrt) wurde Teil dieser Jugendkultur. Auch äußerlich wollte er sich von der grauen Angepasstheit in der DDR unterscheiden. Doch die aus dem Westen importierten Assessoirs, darunter Jeans und Cowboystiefel, sorgten in der Schule für einen weiteren Eklat: Thieme wurde der Unterstützung des „imperialistischen Klassenfeindes“ bezichtigt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt, so Thieme, stand er mit gerade „16 Jahren“ im Fokus der Staatssicherheit, eine Äußerung, die auf den Gesichtern der gebannt lauschenden Schüler einen Ausdruck der Fassungslosigkeit hervorrief.
Thieme brachte weiterhin den Mut auf, sich dem Konformitätsdrucks des sozialistischen Staates zu widersetzen. Er wurde Mitglied einer Rockband und schrieb regimekritische Texte, auch beim Wehrdienst in der NVA observierte ihn die Stasi, um „belastendes Material“ gegen ihn zu sammeln. Im Dezember 1972 war es dann soweit: Von seiner Arbeitsstelle führt ihn ein Volkspolizist zwei Mitarbeitern der Staatssicherheit zu. Es folgten monatelange Verhöre im Stasi-Untersuchungsgefängnis Leipzig und schließlich eine Gerichtsverhandlung, zu deren Beginn das Urteil bereits feststand. Thieme wurde wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt, die er in Cottbus absaß. Im Mai 1975 gelangte er durch den Häftlingsfreikauf in die Bundesrepublik, holte sein Abitur nach und wurde Lehrer, dem Rock´n´Roll blieb er bis heute treu. Thiemes fesselnder Bericht, ein Statement gegen das Vergessen von Diktatur und Unfreiheit im geteilten Deutschland, machte bei den Schülerinnen und Schüler Eindruck - auch 25 Jahre nach dem Fall der Mauer.
Die Ausstellung „DDR-Stasi – Spitzel von nebenan“ ist in der Edith-Stein-Schule Bremerhaven bis zum 12. Dezember zu sehen.