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„Wer etwas gegen die DDR sagte, der flog von der Schule!“

de Wiebke Schmidt

Ausstellungseröffnung "DDR-Stasi - Spitzel von nebenan"

Am 20. Februar 2018 eröffnete die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) Bremen die Ausstellung „DDR-Stasi – Spitzel von nebenan“ am Schulzentrum an der Bördestraße in Bremen-Lesum. Christoph Becke, der von 1961 bis 1979 in der DDR lebte, berichtete den Schülerinnen und Schülern als Zeitzeuge von seinen Erfahrungen mit dem System der DDR und den Methoden der Staatsicherheit (Stasi).

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Die Veranstaltung eröffnete Herr Ronald Brakel, Lehrer für Geschichte am Schulzentrum, indem er seiner Schülergruppe die Gäste von der Konrad-Adenauer-Stiftung und den eingeladenen Zeitzeugen vorstellte. Daraufhin übergab er das Wort an den Tagungsleiter Jan Middelberg, der sein Freiwilliges Politisches Jahr im Politischen Bildungsforum Bremen absolviert. Middelberg stellte zunächst die Arbeit der KAS vor und gab den Schülern einige grundlegende Informationen zur DDR und dem Ministerium der Staatssicherheit, um einen Rahmen für die Erzählungen des Zeitzeugen zu schaffen. So sei die Stasi 1950 gegründet und trotz einer Krise 1953 zum wichtigsten Instrument der DDR-Regierung geworden, um diktatorische Strukturen zu schaffen. Der Stasi gehörten 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter an. Hinzu kamen die Inoffiziellen Mitarbeiter, sogenannte IMs. Ihre Zahl belief sich auf etwa 190.000 und sie wurden aus allen Bevölkerungsgruppen und –schichten rekrutiert. Diesen Daten stellte Middelberg den Geheimdienst der „alten“ Bundesrepublik gegenüber, welcher für eine Bevölkerung von 60 Millionen Einwohnern aus nur 6.000 Mitarbeitern bestand. Dies zeige, dass zu der Kontrolle und Unterdrückung der Bevölkerung innerhalb der Diktatur der DDR ein sehr hoher Aufwand durch die Staatsführung notwendig gewesen sei.

Den bloßen Zahlen hauchte Christoph Becke mit den Erzählungen aus seinem Leben in der DDR Leben ein. Als Sohn eines Arztes zog er 1955 im Alter von drei Jahren mit seiner Familie nach Thüringen in der DDR, bevor ab 1961 Potsdam zu seiner Heimat wurde. Hier besuchte Becke ein Gymnasium und trat gegen seinen ursprünglichen Willen der Freien Deutschen Jugend (FDJ), dem kommunistischen Jugendverband der SED, bei, um das Abitur machen und im Anschluss studieren zu dürfen. Innerhalb der FDJ herrschte Uniformzwang und es sei stets der Sozialismus der DDR als Paradies gepriesen und der Westen als kapitalistischer Polizeistaat verurteilt worden. Auch der Schulunterricht sei stark von dem System der DDR geprägt gewesen. So seien im Fach „Staatsbürgerkunde“ Propaganda über Marxismus und Sozialismus an der Tagesordnung gewesen. „Wer etwas gegen die DDR sagte, der flog von der Schule!“ Die Planwirtschaft der DDR hätten die Bürger in Form von sehr eingeschränktem Warenangebot deutlich zu spüren bekommen: „Bananen und Orangen kannten wir nicht“, berichtete Becke. Für den Erhalt von Lebensmitteln hätten die Menschen stundenlang in Warteschlangen stehen müssen. Seinen Schilderungen mit Anekdoten des damaligen Alltags in der DDR hörten die Schülerinnen und Schüler gespannt zu.

Auch während seines Studiums bekam er den Druck des Systems zu spüren und „musste mit den Wölfen mitheulen“, um nicht vor das Direktorat für Erziehung und Leistung zitiert zu werden. In den Semesterferien seien alle Studenten zu mehreren Wochen Arbeit in der sozialistischen Produktion verpflichtet gewesen. Die Unsicherheit, dass es sich bei jedem Gegenüber um einen Spitzel der Stasi handeln könnte, beschrieb Becke eindrücklich als „ständiges Damoklesschwert“, das über einem geschwebt habe. Dies alles habe schließlich zu seinem Entschluss geführt, mit seiner damaligen Freundin gemeinsam einen Fluchtversuch aus der DDR zu wagen. 1978 kam es zu diesem „Unternehmen auf Leben und Tod“, bei dem die Flüchtenden eine Landesgrenze mit schwer bewaffneten Soldaten und Hundestaffeln vor sich hatten. Der Versuch missglückte, beide wurden in Ungarn festgenommen und zu einem Jahr und zehn Monaten Haft verurteilt. Im Gefängnis sei es Tag und Nacht dunkel gewesen, ohne Uhr und in Einzelhaft habe man jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren. Die Arbeitskraft der Häftlinge wurde in der Küche für die sozialistische Produktion teilweise vierzehn Stunden am Tag in Anspruch genommen. Seiner folgsamen und kooperativen Art hatte Becke es zu verdanken, dass er selbst nie mit Gewalt durch Gefängniswärter in Berührung kam. Nach einem Jahr im Gefängnis wurde er nach Karl-Marx-Stadt überführt und dort nach mehrwöchigen Befragungen schließlich aus der Haft entlassen - ein Glücksfall für ihn. Er sei von der Bundesrepublik freigekauft worden, warum und wie genau es dazu kam , wisse er allerdings bis heute nicht. Einzig die Urkunde zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft der DDR und seine einprägsamen Erinnerungen sind dem Zeitzeugen Christoph Becke aus dieser Zeit geblieben. Seine Erfahrungen hat er gemeinsam mit anderen Zeitzeugen in dem Buch „Fluchtpunkt NRW“ festgehalten.

Im Anschluss an seine Schilderungen meldeten sich einige Schüler des Schulzentrums interessiert zu Wort, insbesondere der Verbleib seiner Familie in der DDR und die Umstände seiner Haftentlassung hatten bei ihnen Fragen aufgeworfen.

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Dr. Ralf Altenhof

Dr. Ralf Altenhof

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Bremen

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