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Arabischer Frühling in Ägypten – Revolution und soziale Netzwerke

de Andreas Samuel Bösche
Die Freiburger Ethnologin und Ägyptenexpertin Kathrin Sharaf berichtete im Hotel Strandlust in Bremen-Vegesack über die Rolle der sozialen Netzwerke während des Arabischen Frühlings.

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Sharaf bettete die Ergebnisse ihrer Feldforschungen zunächst in den wirtschaftlichen und sozialen Kontext der letzten Jahre der Mubarak-Regierung ein. Schon während dieser Phase führte sie insbesondere in Kairo zahlreiche Interviews. Gerade unter der jüngeren Bevölkerung habe vor der Revolution ein Klima der „Resignation“ geherrscht. Die wirtschaftlichen Missstände und ihre Folgen für den sozialen Bereich veranschaulichte sie anhand eines eindrücklichen Beispiels, der Ehe. Mit der Hochzeit beginne in Ägypten der eigentliche Schritt in das Erwachsenendasein. Vielen jungen Erwachsenen war die finanzielle Bewältigung einer Eheschließung nicht mehr möglich gewesen. Das Ansparen eines stattlichen Betrags von durchschnittlich 2.800 Euro für die Ausrichtung einer Hochzeit – in etwa das Vierfache des ägyptischen Durchschnittslohns – war undenkbar. Da das Mubarak-Regime derartige „retardierende Momente“ nicht mehr in der Lage war zu kompensieren, staute sich politischer Frust an, der einen wichtigen Impetus für den Ausbruch der Revolution bildete.

Den Zusammenhang von sozialen Netzwerken und politischer Opposition erläuterte Sharaf mittels der zahlenmäßigen Zunahme der Facebook-Nutzer in Ägypten. Während 2010 ca. 4 ½ Millionen Ägypter bei Facebook registriert waren, waren es im Jahr 2011 bereits 9 ½ Millionen, ein Anstieg der laut Sharaf auf die Revolution zurückzuführen sei. Noch 2008 habe unter der Usergemeinde eine Art Konsens geherrscht, sich öffentlich-kritischer Äußerungen im Netz lieber zu enthalten – die Angst vor dem repressiven, brutalen Polizeiapparat brachte das Sprichwort „…,dass man lieber an der Wand entlanggehen solle“ auf einen griffigen Nenner. Dies änderte sich im Jahre 2010. Facebook wurde zu einem Ort der politischen Meinungsbildung und –äußerung, den insbesondere die gut ausgebildete, junge Mittelschicht nutzte (der Gebrauch sozialer Netzwerke sei jedoch generell generationenübergreifend und nicht auf die Jugend beschränkt, wie Sharaf ergänzte). Als im Juni 2010 der Blogger Khaled Said in Alexandria von zwei Polizisten zu Tode geprügelt wurde, drückten Millionen Ägypter ihre Anteilnahme in Facebookbotschaften aus, die sich zu organisierten Demonstrationen in Alexandria auswuchsen. Den Ausbruch des Arabischen Frühlings im Nachbarland Tunesien nahmen viele User zum Anlass, ihr Profilbild mit der Tunesischen Flagge zu schmücken, um so ihrer Unterstützung für den politischen Wandel Ausdruck zu verleihen.

Während der Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz, die in dem Rücktritt Mubaraks am 11. Februar 2011 mündeten, nahm Facebook dann die Funktion einer Arena des Meinungswettbewerbs ein. Sharaf kehrte in diesem Monat nach Ägypten zurück und sprach von einem neuen Diskussionsklima, in dem eine politische Positionierung der User-Gemeinde „ganz normal“ geworden war. Den Begriff der „Facebookrevolution“ sieht sie nach zahlreichen Interviews unter den Demonstranten dennoch kritisch. Die sozialen Netzwerke seien sicher nicht das einzige unterstützende Moment der Revolution gewesen, schließlich verfügten von ca. 80 Millionen Ägyptern nur etwa 30 Millionen über einen Internetanschluss. Allerdings seien die neuen Medien auch in ihrer Sogwirkung nicht zu unterschätzen. Auch Demonstranten ohne Affinität zum Internet hätten, so Sharaf, diesen Umstand gewürdigt wie entsprechende Plakate mit „Danke Facebook“-Aufschriften illustrierten.

Sharafs Ausblick auf die Ereignisse und Stimmungen nach der Revolution war dagegen ernüchternd. In der Facebook-Gemeinde wurde mit der Machtübernahme des Militärrats und der Einführung der Notstandsgesetze Frustration zum maßgeblichen Stimmungsmoment. Doch immerhin hätten viele Ägypterinnen und Ägypter während des Arabischen Frühlings erstmals erfahren, dass ihr Wunsch nach politischer Veränderung und Partizipation zumindest kurzfristig konkrete Folgen zeitigte – ein Erfolg, zu dem soziale Medien maßgeblich beitrugen.

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Dr. Ralf Altenhof

Dr. Ralf Altenhof

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Bremen

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