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Zur Begrüßung leitete Ralf Altenhof, Leiter des Politischen Bildungsforums, in das Thema der Veranstaltung ein. Er erklärte, dass Deutschland „ganz klar“ eine Parteiendemokratie sei und nahm die Volksparteien in Schutz. Volksparteien müssten sich zwar verändern und dürften nicht statisch bleiben, jedoch ginge die Kritik an ihnen „oftmals am Kern der Sache vorbei“. Sie stünden für Kompromisse, die für eine Demokratie unerlässlich seien.
Hans-Joachim Veen betonte zunächst die Relevanz der Diskussion um die Bedeutung der Volksparteien. Die Geschichte der Volksparteien, wobei er die CDU als den „Prototyp einer Volkspartei“ herausstellte, sei bis in die 90er Jahre eine Geschichte des Erfolges gewesen und ihre Entwicklung eine „Leistung der Nachkriegszeit“. Erst seit den 90er-Jahren habe es sinkende Wählerzahlen gegeben. Dafür führte Veen vielerlei Gründe an, „hausgemachte“ auf der einen Seite, aber auch solche, die er in der Strukturveränderung der Gesellschaft begründet sieht. Die zentrale Funktion der Volksparteien, pluralistische Einzelinteressen zu einem Gemeinwohlinteresse zu vereinen und dadurch Führungsfähigkeit, Stabilität und Wohlstand des Bundesstaates zu gewährleisten, sei unverändert wichtig. Veen bemühte zur Verdeutlichung seiner Ausführungen das einprägsame Bild von Volksparteien als „Häuser mit vielen Wohnungen, in denen viele unterschiedliche Mieter wohnen, die unter einem Dach vereint sind“.
Daraufhin sagte Christoph Seils, Autor des Buches „Parteiendämmerung oder: Was kommt nach den Volksparteien?“, dass seine These der „Parteiendämmerung“ durchaus gerechtfertigt sei. Volksparteien seien als Mitgliederparteien ausschließlich mit einer breiten Stammwählerschaft funktionsfähig. Da die Interessen der Wähler sich ausdifferenziert hätten und pluralistischer geworden wären, habe sich der Parteienmarkt vergrößert. In Folge dessen gebe es heute weniger Stammwähler und mehr Wechselwähler, welche sich nicht an eine Partei gebunden fühlen, sondern sich von Wahl zu Wahl neu entscheiden. Die Basis der Volksparteien sei daher heute nicht mehr gegeben. Des Weiteren warf Seils den Mitgliedern der Volksparteien vor, dass sie ihre Funktion als Brücke zwischen den Parteien und der Bevölkerung nicht mehr wahrnähmen, vielmehr „stören und behindern“ sie ihre Partei.
In diesem Punkt widersprachen ihm sowohl Elias Tsartilidis als auch Jörg Kastendiek entschieden. Beide nähmen die Mitglieder ihrer Partei anders wahr, als von Seils dargestellt. Ein reger Austausch innerhalb der Parteien fände statt, im öffentlichen Diskurs entstünde jedoch häufig ein zu negatives Bild der Parteien. Tsartilidis führte den derzeitigen Niedergang der SPD auf eine „schlechte Performance“ der Partei zurück, durch welche die eigentliche Zielgruppe nicht erreicht werde. Das Aufkommen von Splitterparteien sehe er aber als temporäre Erscheinung, „die auch wieder vorübergehe“. Kastendiek warf Seils vor, dass seine Worte zwar gute Schlagzeilen erzeugten, aber nicht die Innensicht einer Partei widerspiegeln würden. Darüber hinaus betonte er den Wert des Gemeinwohlinteresses: „Die Addition von Kleininteressen ergibt kein Gemeinwohl.“ Dies sei klare Aufgabe der Volksparteien und könne nicht von kleinen Parteien geleistet werden.
Indes waren sich alle Diskussionteilnehmer einig, dass keine konkrete Prozentzahl genannt werden könne, die eine Partei bei einer Wahl erreichen muss, um sich berechtigt als Volkspartei bezeichnen zu dürfen. Es komme neben Quantität viel mehr auf die Qualität der Mitglieder und Wähler an. Christoph Seils bejahte die Frage der Moderatorin nach einem Bedarf an Charismatikern und Führungspersönlichkeiten. Auf solche Personen käme es in der Politik zur Mobilisierung von Wählern „mehr denn je“ an. Die SPD habe in diesem Wahlkampf beispielsweise auf den „falschen Kanzlerkandidaten“ gesetzt und damit Wähler verloren, während aufseiten der Unionsparteien Merkel eher Wähler mobilisierte. Die CDU reiche seiner Ansicht nach heute noch „von Angela Merkel bis Angela Merkel“. Die Flügel innerhalb der Partei seien „eingeschlafen“.
Trotz einiger Differenzen konnten die Referenten sich doch in entscheidenden Punkten auf einen Konsens einigen, ganz wie es auch die diskutierten Volksparteien als Aufgabe haben: Die Politik müsse auf die Ausdifferenzierung der Gesellschaft reagieren, das Gemeinwohlinteresse trotz immer pluralistischer Einzelinteressen in den Volksparteien gebündelt werden. Eine große Verantwortung in der Kommunikation politischer Inhalte und dem Agendasetting sahen sowohl die Politiker Kastendiek und Tsartilidis, als auch die Wissenschaftler Veen und Seils bei den Medien. Diese dürften politische Informationen nicht zu stark verkürzen und selektieren, da dies ein verfälschtes Bild von Parteien und Politikern in der Öffentlichkeit zur Folge habe.
Die an die Diskussion anschließenden Fragen aus dem Publikum konnten die Brisanz des Themas nochmals verdeutlichen und bildeten einen guten Anfang für Veens Forderung nach „Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation!“