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Circa 12 000 Bürger der Bundesrepublik haben sich nach bisherigen Schätzungen im Dienste der Stasi verpflichten lassen. „Wie im Quelle-Katalog“ habe die DDR bei ihnen Informationen über den Westen „bestellt“. Selbst im verhältnismäßig kleinen Bremen operierten seinerzeit mindestens 160 Agenten, die in MfS-Unterlagen unter Decknamen wie „Krater“ oder „Lieske“ geführt wurden.
Trotz zahlreicher Besucher ist es erstaunlich ruhig im Veranstaltungssaal der Konrad-Adenauer-Stiftung an diesem Abend. Alle hören gebannt zu, wie Müller-Enbergs bildreich und anschaulich von den Machenschaften der Stasi berichtet, die sich zum Teil anhören, als wären sie einem James Bond Film entnommen.
Da ist die Rede von einem Hilfsarbeiter in der Bundesrepublik, dessen Identität von einem Stasi-Offizier übernommen wurde. Jedes Detail seiner Vita, jede Eigenart, ja sogar das Kranfahren eignete sich der Offizier an, um restlos mit der Identität des Hilfsarbeiters, dessen Identität er später für seine Spionage-Zwecke verwenden würde, zu verschmelzen. Oder von der Operation „Bar“, in der Stasi-Mitarbeiter schlichtweg in Kneipen positioniert wurden, um in Stammtisch-Atmosphäre bei einem Feierabend-Bier dem ein oder anderen redselig gewordenen Beamten vertrauliche Informationen zu entlocken. Die Fühler der Stasi erstreckten sich bundesweit von einfachen Verwaltungsangestellten und Studenten über die Chefsekretärinnen bedeutender Persönlichkeiten bis hin zu hochrangigen Politikern. Auch ein Bremer ÖTV-Sekretär war für die Stasi tätig.
Das Hauptaugenmerk der Stasi galt der Erspähung westlicher Wissenschaft und Technik. In diesem Zusammenhang rückte Krupp Atlas Elektronik ins Visier der Stasi - die dort ein Zehntel ihrer Bremer Agenten positionierte.
Bemerkenswert sei, betont Müller-Enbergs, wie langfristig und gründlich die Stasi ihre Mitarbeiter vorbereitet habe. Nicht erst im Beruf, sondern oftmals schon an der Universität habe die Staatssicherheit ihre Mitarbeiter rekrutiert, um sie möglichst frühzeitig für Ihre Zwecke zu formen und auszurichten. Auch an der Universität Bremen unterhielt die Stasi ihre Spione - jeder dritte in Bremen eingesetzte Agent war an der Universität als Student oder Mitarbeiter tätig.
Über den immer wieder als Parade-Beispiel zitierten Spion Guillaume, seinerzeit persönlicher Referent des Bundeskanzlers Willy Brandts, kann Müller-Enbergs allerdings nur müde lächeln: Guillaume sei keineswegs der brillante Spion gewesen, als der er gehandelt werde. Gespickt mit Anekdoten über Fehltritte- und Fehleinschätzungen des Agenten weiß Müller-Enbergs diese weitverbreitete Annahme unter allgemeinem Schmunzeln des Publikums zu entkräftigen.
Am Ende des Abends beantwortete Müller-Enbergs einige Fragen, die ihm aus dem Publikum gestellt wurden. Bei dieser Gelegenheit betonte er noch einmal, dass entgegen der weitverbreiteten Annahme, im Westen als „links“ verschrieene Personen in den seltensten Fällen „Stasi-Spitzel“ gewesen seien: Den wahren Agenten hätte es fern gelegen, durch ein derartiges Profil die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes auf sich zu ziehen.
Im Vorfeld der Veranstaltung stellte Frau Barbara Lange (freie Künstlerin) einige ihrer neuen Bilder vor, die fortan in den Räumen des Bildungswerks zu besichtigen sind.