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Mit Ausblick auf die Jachtwerften von Vegesack begrüßte Ralf Altenhof das Publikum. Das Thema Meinungsfreiheit sei täglich wieder in den Medien. Was hat es mit dem Vorwurf der „Lügenpresse“ auf sich, war Charlie Hebdo eine Ikone der Meinungsfreiheit und sind angesichts von Hasskommentaren in Facebook die sozialen Netzwerke nicht schon zu unsozialen Netzwerken geworden? Dazu sollte der Bestsellerautor Volker Kitz Rede und Antwort stehen.
Die Bücher von Volker Kitz wurden in mehr als 10 Sprachen übersetzt und er behandelt darin verschiedene Themen der Arbeitswelt, des Lobbyismus oder des Rechts. In seinem neuen Buch „Ich bin, was ich darf – Wie die Gerechtigkeit ins Recht kommt und was Sie damit zu tun haben“ widmet er sich verschiedenen Fällen, die vom Recht auf Rausch bis zur totalen Überwachung, vom Recht auf Vergessenwerden bis zum weiblichen Vater spannende rechtliche und moralische Gratwanderungen eloquent beschreiben.
„Jura ist langweilig“, eröffnet Brandt die Diskussion, „aber Volker Kitz bringt einen dazu, ein Buch darüber bis zum Ende zu lesen“ fährt er fort. Zunächst wirft er den Fokus auf ein emotionales Thema: die Freiheit zu rauchen. Zigaretten sind legal, aber Cannabis nicht und das trotz einer zumindest diskutierten Gefährdungslage. Die Gerichte entschieden allerdings, dass Cannabis illegal und Zigaretten legal sein können und dass das kein Widerspruch sei. Der Grund dafür ist, dass Zigaretten kulturell und gesellschaftlich anerkannt sind. Daher ist trotz der klaren Gefährdung der öffentlichen Gesundheit deren Verbot unverhältnismäßig. In Volker Kitz‘ Buch kann man ebenfalls nachlesen, dass ein Mann nicht zur Rechenschaft gezogen wurde, der sich weigerte seine Frau zur Klinik zu bringen. Beide waren aus religiösen Gründen fest davon überzeugt, die schweren Blutungen der Frau durch Gesundbeten stoppen zu können. Er wird wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt und freigesprochen; warum? Religionsfreiheit, schildert der Autor auf dem Podium unter Protest aus dem Publikum. Der Mann habe laut Gericht nach bestem Gewissen gehandelt. Entscheidend dabei war, dass die Frau nicht im Koma lag, sondern bei klarem Verstand war und die Entscheidung mittrug.
In der Rechtswissenschaft sind Kompromisse das A und O. Wenn zwei gleichwertige Rechte aufeinandertreffen, dann gilt es einen Kompromiss zu finden. Kitz verglich das mit zwei geschälten hartgekochten Eiern, die man in ein Glas drückt. Eigentlich passen sie nicht in dasselbe Glas, doch sie verformen sich ohne dabei kaputt zu gehen. Mit Grundrechten sei das ganz genauso.
Und damit waren wir schon mitten in der Debatte um Meinungsfreiheit. In der Rechtswissenschaft, so Volker Kitz, müsse man immer etwas kleinlich sein. Was ist eine Meinung und wann wird sie zu Religion und Gewissen? Meinungen haben sei einfach, „jeder hat eine Vielzahl an Meinungen und trotz meiner möglichen Aversion gegen die Farbe weiß, wäre es keine Zumutung an einem weißen Tisch zu sitzen.“ Bei Religion hingegen ist der Sachverhalt allumfassender. Religion und seine säkulare Variante „Gewissen“ sind Sammlungen an Einstellungen und Meinungen, die tiefer dringen und mehr Schutz verdienen. Es ist nicht strafbar zu sagen, dass mein Nachbar seinen Hund schlägt, wenn es eine Tatsache ist. Wenn ich ihn deshalb allerdings grob beleidige, kann dies durchaus die Grenze der Meinungsfreiheit übersteigen. Jemandes Aussehen mit einer „ausgemolkenen Ziege“ zu vergleichen ist nicht zulässig, „Soldaten sind Mörder“ allerdings schon. Kitz führt aus, dass eine Vielzahl an Anfeindungen der Rechtsprechung schlicht darauf beruhen, dass Menschen nicht akzeptieren wollen, dass eine andere Person eine andere Meinung haben kann. Das Ziel des Grundgesetzes sei es aber eben gerade die Meinungspluralität zu stärken und nicht sie einzuschränken.
Brandt lenkte dann das Thema auf die selektive Berichterstattung von Zeitungen. Wie frei kann eine Zeitung Meinungen auswählen und dennoch ihrer Aufgabe gerecht werden, als Säule der Meinungsfreiheit zu fungieren. Kitz antwortete daraufhin, dass die Presse schon immer eine Auswahl getroffen hat. Jeder ist frei seine Meinung zu sagen, doch keine Zeitung ist verpflichtet diese auch abzudrucken. In der Zeit des Internets sind allerdings die Leser von Zeitungen gar nicht mehr darauf angewiesen abgedruckt zu werden. Jeder und jede kann sich jederzeit zum Autor machen und auf dem eigenen Blog oder Facebook-Seite aktiv werden.
Abschließend öffnete Michael Brandt die Diskussion für Fragen aus dem Publikum. Es gab eine rege Beteiligung zu verschiedenen Themen. Hat die Presse Fakten über die Silvesternacht in Köln zurückgehalten? Die Presse hat höchstens mit Vorsicht agiert, sagte Brandt. Werden Beleidigungen inflationär gebraucht? Es geht dabei vor allem darum Andere in bestimmte Kategorien einzuordnen und damit deren Meinung nicht mehr ernst nehmen zu müssen, meint Kitz. Ist Merkels Meinung die Meinung des Volkes? Nein, es ist ihre Meinung, die sie in unserer repräsentativen Demokratie im Namen des Volkes äußert. Zu guter Letzt ging es noch um den Schutz von Informanten in der Zeitung anhand eines spannenden Gedankenspiels über die Edathy-Affäre. Konklusion: Hätte Friedrichs, der damalige Innenminister, als anonymer Informant die Zeitungen zur Edathy-Affäre informiert, hätte man ihn niemals erwischt.
Am Ende stellte Volker Kitz die prägnante Aussage: „Nur weil man etwas machen darf, heißt das nicht, dass man es auch machen sollte.“ Jedes Recht und so auch die Meinungsfreiheit bringt Verantwortung mit sich.