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Klaus Bardenhagen

#KASkonkret

„Für Taiwan ist Corona eine Chance“

de Maximilian Nowroth

#KASkonkret_15: Wie stellen wir uns der Krise?

Klaus Bardenhagen, freier Journalist in Taiwan, sprach bei #KASkonkret über die taiwanesische Strategie gegen das Virus, kritische Bürger und mögliche Lehren für Deutschland.

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Kein Lockdown, keine Schulschließungen, keine Testpflicht – und trotzdem nur ein paar Hundert Infizierte: In Taiwan hat sich das Coronavirus so gut wie gar nicht ausgebreitet. Trotz der geographischen Nähe zu China und obwohl dort immerhin 23 Millionen Menschen leben, also in etwa so viele wie in NRW und Sachsen zusammen. Wie hat das ostasiatische Land das geschafft? Und was können wir hier in Deutschland davon lernen? Darum ging es in Folge 15 unserer digitalen Veranstaltungsreihe #KASkonkret.

Live zugeschaltet war der Journalist Klaus Bardenhagen. Er lebt seit mehr als zehn Jahren in der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh und berichtet von dort für deutschsprachige Medien über die Lage im Land. Als Erstes analysierte er, warum Taiwan das Virus so gut unter Kontrolle hat: „Der entscheidende Grund war zum Einen, dass Taiwan genau auf diesen Fall vorbereitet war.“ Die Regierung habe „Krisenpläne in der Schublade gehabt und diese dann konsequent abgearbeitet“.

 

„Taiwan hat ein striktes Quarantänesystem eingeführt“

 

Der Hintergrund sei, dass Taiwan bereits im Jahr 2003 schlechte Erfahrungen mit dem SARS-Virus gemacht habe. Damals seien Strukturen geschaffen worden, um für das nächste Mal gut vorbereitet zu sein. Und der zweite Grund? „Das war die konsequente Umsetzung der Pläne“, sagte Klaus Bardenhagen. „Und da vor allem das sehr strikte Quarantänesystem, das hier eingeführt wurde.“

 

In Deutschland läuft aktuell eine kontroverse Debatte darüber, ob Reiserückkehrer aus Risikogebieten für einige Tage zur Isolation verpflichtet werden sollen. Bisher reicht ein negatives Corona-Testergebnis direkt nach der Einreise aus, um nicht in Quarantäne gehen zu müssen. In Taiwan dagegen läuft es schon seit Ausbruch der Seuche so ab: Alle, die ins Land kommen – egal ob Taiwaner oder Ausländer, egal ob symptomatisch oder auf den ersten Blick kerngesund – müssen für 14 Tage in Quarantäne gehen. Wer keine Wohnung hat, wird auf eigene Rechnung in einem „Quarantänehotel“ untergebracht. „Und Quarantäne heißt nicht, dass man zwischendrin noch in den Supermarkt gehen und Lebenseinmittel einkaufen kann“, stellte Bardenhagen klar. „Sondern, dass man im wahrsten Sinne des Wortes keinen Fuß vor die Tür setzen darf.“

 

Eine moderne Form der Überwachung sorgt dafür, dass diese strikte Regel auch eingehalten wird: Handytracking. „Du willigst zum Start der Quarantäne ein, dass 14 Tage lang der Ort deines Handys festgestellt wird“, berichtete der Journalist. „Und es gibt täglich Kontrollaufrufe.“ Zwar erkundigten sich die Behörden dann auch nach dem Wohlbefinden und der Körpertemperatur. „Aber natürlich wollen die auch sehen, dass du an dein Telefon gehst – dein Telefon, von dem sie wissen, dass es in deiner Wohnung ist.“ Wer die zwei Wochen überstanden hat, bekommt von der Regierung ein Taschengeld für jeden der Tage, die man isoliert war. „Und dann ist das Leben halt wieder normal.“

 

Aus deutscher Sicht klingt das Vorgehen nach einer elektronischen Fußfessel. Haben die Bürgerinnen und Bürger in Taiwan diese Einschränkung der persönlichen Freiheit denn einfach so hingenommen? Bei der Antwort stellte Klaus Bardenhagen zunächst eine Sache klar: „Taiwan ist eine Demokratie.“ Es gebe zwar das (in deutschen Kommentarspalten häufiger kolportierte) Klischee, dass Asiaten per se kollektivistisch und obrigkeitshörig seien. „Aber auf Taiwan trifft das einfach nicht zu.“ Die Menschen seien „extrem kritisch“ ihrer Regierung gegenüber und demonstrierten häufiger als in Deutschland. Wie also hat es die Regierung geschafft, sich das Vertrauen des Volkes zu erarbeiten?

 

Sie haben von Anfang an sehr klar kommuniziert und transparent gemacht, warum sie welche Anordnungen treffen“, sagte der Reporter. Über viele Monate hinweg habe es täglich Pressekonferenzen gegeben, in denen der Gesundheitsminister Chen Chien-jen „ganz geduldig alles erklärt hat, bis es jeder verstanden hatte“. Vermutlich war es hilfreich, dass der Minister gleichzeitig einer der renommiertesten Epidemiologen des Landes ist. So habe die Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert, dass die Quarantäne der beste Weg sei, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern.

 

Taiwans Wirtschaft wird im Jahr 2020 sogar wachsen

 

Während Taiwan dank der rigiden Einreiseregeln auf einen Lockdown verzichten konnte, gab es bei uns in Deutschland vor allem zwischen Mitte März und Ende April sehr strikte Ausgangssperren. Das öffentliche Leben stand quasi still und viele Unternehmen und Dienstleister konnten weder produzieren noch verkaufen. Als Folge wird die deutsche Wirtschaftsleistung dieses Jahr zwischen sechs und sieben Prozent schrumpfen. Und in Taiwan?

 

Im Großen und Ganzen ist die Wirtschaft hier gar nicht so besonders stark getroffen“, erzählte Klaus Bardenhagen. Zum Einen sei der Binnenmarkt nicht eingebrochen – auch, weil viele Taiwaner ihren Urlaub kurzerhand ins eigene Land verlegten und damit die einheimische Gastro- und Tourismusindustrie stärkten. Außerdem profitiere Taiwan davon, dass sich in den vergangenen Monaten immer mehr Menschen ein Büro in den eigenen vier Wänden eingerichtet und dafür einen neuen Laptop gekauft haben. In vielen Fällen „Made in Taiwan“, da viele Hersteller Fabriken auf der Insel haben. Laut Prognose der taiwanesischen Statistikbehörde soll die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um rund 1,5 Prozent wachsen.

Diese Zahl ist global betrachtet eine absolute Ausnahmeerscheinung und wirft die Frage auf, was wir Deutschen uns bei den Taiwanern abschauen können. Die Quarantäneregeln samt digitaler Überwachung würden bei uns vermutlich für wenig Verständnis sorgen. „Aber was Deutschland lernen kann ist, jetzt Krisenpläne aufzustellen, die beim nächsten Ernstfall befolgt werden können“ empfahl Klaus Bardenhagen. „Und wo man dann nicht wieder feststellt, dass man zu wenig Masken und Schutzausrüstung vorrätig hatte.“ Außerdem würde es helfen, wenn zentrale Regeln für alle Bundesländer gelten und damit für weniger Diskussion sorgen.

 

Frank Windeck, Koordinator für Medien und Entwicklungspolitik im Bonner Büro der KAS, ergänzt: „Entscheidend ist, dass wir über kurz oder lang vom Krisenmanagementmodus zu einem Krisenplanungsmodus kommen. Das heißt: Wir müssen verstehen, dass die Prävention einer Pandemie finanziell deutlich günstiger kommt als die Reaktion darauf. Nur wenn wir in der Lage sind, die vorbereiteten Notfallpläne unmittelbar bei einem Ausbruch zu ziehen, können wir verhindern, dass es viele Tote gibt – und dass es zu Lockdowns kommen muss, die wirtschaftsschädigend sind.“

 

„Taiwan beweist: Auch eine Demokratie kann eine Pandemie rigoros kontrollieren“

 

Abgesehen von Corona berichtet Klaus Bardenhagen für seine Leserschaft in Deutschland häufig über den Konflikt zwischen Taiwan und China. Während sich Taiwan als selbstbestimmter Staat sieht, betrachtet die Volksrepublik die Insel als Teil ihres Territoriums. Dieses Jahr habe das Verhältnis eine neue Note bekommen, sagte der Journalist: „Die Coronakrise ist für Taiwan die Gelegenheit zu beweisen, dass auch eine Demokratie, in der die Menschen Chinesisch sprechen, eine Pandemie kontrollieren kann. Und diese Gelegenheit haben sie genutzt – ganz ohne autoritären Überwachungsstaat.“

 

Wir bedanken uns bei Klaus Bardenhagen für das spannende Gespräch. Prädikat: horizonterweiternd. In der kommenden Woche blicken wir bei #KASkonkret erneut ins Ausland. Zu Gast ist dann Jakob Wöllenstein, der das Büro der Adenauer-Stiftung für Belarus leitet – und dem Land gleich eine ganze HipHop-Hymne gewidmet hat:

 

 

Übrigens wird ab sofort die Journalistin Susanna Zdrzalek im Wechsel mit Maximilian Nowroth unsere digitale Veranstaltungsreihe moderieren – und begrüßt euch am Dienstag um 18 Uhr erstmals im Livestream auf Facebook und Youtube. Bis dann, wir sehen uns!

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