Ein Milchprodukt herzustellen ist eigentlich ganz einfach: Man nimmt eine Kuh, man melkt sie und verarbeitet ihre Milch zu Käse oder Joghurt weiter. Das Problem dabei: es entsteht ziemlich viel CO2. Um den weltweiten Milchbedarf zu decken, braucht es Unmengen Kühe und die wiederum brauchen Unmengen Futter. Allein Milchkühe produzieren vier Prozent der weltweiten Treibhausgase, erklärt die Biologin Dr. Britta Winterberg bei #KASkonkret.
„Vier Prozent klingt erstmal gar nicht so viel, aber wenn man bedenkt, dass das alle PKW und Schiffe zusammen sind, die auf der Welt unterwegs sind, ist es doch ganz schön viel. Massentierhaltung ist außerdem ethisch fragwürdig und sie sorgt für einen massiven Biodiversitätsverlust – bei den Tieren, aber auch innerhalb der Landwirtschaft, die das Futter für all die Kühe anbaut.“
Biotechnologie als Baustein in der Welternährung?
Die Weltbevölkerung wächst rasant. Bis 2050 sind wir 9,5 Milliarden Menschen, das zeigen Berechnungen von Experten. Schon jetzt wächst der Bedarf an Fleisch und Milchprodukten in Bevölkerungsreichen Staaten wie China oder Indien. Schon jetzt sind Flächen, um Getreide für Nutztiere anzubauen, rar. Wie können wir dafür sorgen, dass genug Nahrung für alle da ist, ohne dass wir die Umwelt überstrapazieren? Dr. Britta Winterberg setzt auf den Baustein Biotechnologie. So könnten bestimmte Nahrungsmittel in großen Mengen und gleichzeitig ressourcenschonend hergestellt werden.
„Wir können z. B. durch Fermentation Proteine herstellen, aber auch Fette wie Palmöl. In Singapur sind gerade die ersten Chicken Nuggets aus dem Labor auf den Markt gekommen. Noch sind die Produkte teuer, aber wenn die Technologie sich weiterentwickelt, wird sich das ändern. Vielleicht guckt man in 100 Jahren zurück auf die Art wie wir heute Nahrungsmittel produzieren und denkt: Was haben die damals eigentlich gemacht?“
Milchprodukte aus dem Fermenter
Britta Winterberg arbeitet am Milchprodukt der Zukunft. Sie hat das Startup „Legendairy Foods“ mitgegründet, das vegane Milchprodukte herstellt. Mittels Fermentation werden Milchproteine hergestellt, die die gleichen Eigenschaften aufweisen wie Kuhmilchproteine. Die Milchproteine können dann in traditionellen Herstellungsverfahren zu verschiedenen Käsesorten verarbeitet werden. Der Vorteil: statt hunderter Kühe braucht es nur etwas Getreide und einen Fermenter. Bis ihre Produkte auf dem Markt sind könnte es aber noch drei, vier Jahre dauern, schätzt Britta Winterberg. Allein der Genehmigungsprozess bei der EU dauert lange, weil er sehr akribisch ist.
„Noch sind wir da am Anfang, aber ich schätze, dass solche Produkte in 10, 15 Jahren nichts ungewöhnliches mehr sein werden. Vor 40 Jahren wurde das erste Mal Insulin biotechnologisch hergestellt, heute ist das Standard. Das ist einfach eine Evolution, die wir gemeinsam durchmachen.“
Das Ende der traditionellen Landwirtschaft?
Werden Lebensmittel aus dem Labor der herkömmlichen Landwirtschaft Konkurrenz machen? Britta Winterberg hofft eher auf einen umgekehrten Effekt. Erstens braucht sie die Landwirte als Partner, denn von ihnen bezieht das Startup pflanzliche Vorprodukte. Zweitens hofft sie, dass die Landwirte sich in Zukunft auf hochqualitative Produkte konzentrieren können, auf nachhaltige Landwirtschaft, während die Massenware aus dem Labor kommt. Ob das tatsächlich so eintritt? Die Zukunft wird es zeigen.
Martin Reuber, Referent für Europa und Bildungspolitik im KAS-Büro in Bonn, findet die Arbeit von Britta Winterberg jedenfalls zukunftsweisend, weil sie unternehmerisches Handeln mit einem ethischen und ökologischen Anspruch verbindet. Er sagt: „Sie reagiert damit auf einen zeitgenössischen Ernährungstrend und trägt zum Klima und Tierschutz bei.“
Nächste Woche bei #KASkonkret…
Am Dienstag, den 16. März, geht es bei #KASkonkret um Clankriminalität. Maximilian Nowroth spricht mit Ingo Wünsch, Direktor des Landeskriminalamts NRW darüber, wie Straftaten im Bereich der Clankriminalität reduziert werden können – ganzheitlich, mit einem vernetzten Ansatz.