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Zukunftswerkstatt

Pandemie als Trendbeschleuniger?

Deutsch-französische Zusammenarbeit in der Krise

Im Mittelpunkt der Diskussion stand nicht so sehr die unterschiedliche Bewertung globaler politischer Trends, auch nicht das Ziel einer Stärkung Europas. Die Unterschiede wurden vielmehr in den Ansätzen, wie Europa auf internationale Herausforderungen reagieren soll, sichtbar.

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Wie zu erwarten, gab es kaum Differenzen bei der Analyse von Trends, die durch die Corona-Pandemie noch an Fahrt gewonnen haben: Deglobalisierung, Rivalität zwischen EU und USA und selbstbewusster auftretende autoritäre Staaten, die Europa durch Desinformationskampagnen, politisch-diplomatischem Druck, Charmeoffensiven oder militärische Drohkulisse zu destabilisieren, seine Uneinigkeit auszunutzen und auf Politik wie Öffentlichkeit in Europa Einfluss zu nehmen suchen, die zudem immer offensiver und unverhohlener die regelbasierte internationale Ordnung untergraben. Weitgehende Einigkeit bestand aber auch über die europäische Reaktion auf diese geopolitischen Herausforderungen: Um sich in diesem von Rivalität gekennzeichneten internationalen Umfeld behaupten zu können, müsse Europa stärker und selbstbewusster werden. Wie? Darüber gingen die Meinungen freilich auseinander.

Vincent Muller, Mitglied im Planungsstabs des französischen Außenministeriums, stellte fest, dass Russland, China und die USA einen klaren politischen Kurs hätten und daher gegenüber Europa im Vorteil seien. Europa könne nur stärker gegenüber seinen politischen Wettbewerbern auftreten, wenn es einen ebenso klaren Kurs führe und den Multilateralismus mit ebensolcher Deutlichkeit vertrete. Aber was sind die europäischen Hauptstädte dafür bereit aufzubringen? Dr. Jana Puglierin vom Think Tank European Counsil on Foreign Relations sah in der Macron-Merkel-Reaktion auf die Pandemie ein hoffnungsvolles und zugleich vorbildhaftes Signal dafür, dass Europa nunmehr gewillt sei, seine Kräfte zu bündeln.

Aber verfügt Europa tatsächlich auch über die Instrumente, die Regeln der Globalisierung im europäischen Sinne mitzugestalten, fragte Dr. Nico Lange, Leiter des Leitungsstabes im deutschen Verteidigungsministerium? Während die EU im Bereich des internationalen Handels und der internationalen Zusammenarbeit ihren Gestaltungsanspruch umzusetzen in der Lage sei, fehlten ihr auf anderen politischen Feldern dazu noch die Mittel. Deshalb sei es wichtig, den Dialog über unterschiedliche Auffassungen der Rolle Europas, über nationale Interessen und internationale Entwicklungen und Bedrohungen in aller Offenheit fortzusetzen. Lange betonte daher die Notwendigkeit von praktischen Ansätzen und konkreten Projekten zur Überwindung deutsch-französischer Differenzen. In der Industriepolitik und bei der Entwicklung gemeinsamer Plattformen für land- und luftgestützte Waffensysteme sah er erfolgversprechende Beispiele für diesen Kurs.

Auffassungsunterschiede – darauf wies Jana Puglierin hin – gebe es aber nach wie vor in der politischen Strategie gegenüber Russland und bei der Bewertung der Rolle der NATO für die europäische Sicherheit. Muller forderte in seinem abschließenden Statement nicht nur die Stärkung der europäischen „Handlungsfähigkeit“, wie in Deutschland Macrons Plädoyer für eine „europäische Souveränität“ übersetzt wird, sondern mehr Selbständigkeit. In Anknüpfung an die Schuman-Erklärung, die sich vor wenigen Wochen zum 70. Mal jährte, erinnerte Muller an den dort bereits formulierten Gedanken einer supranationalen europäischen Ordnung und wünschte sich eine stärkere Ausrichtung der europäischen politischen Denkens auf einen europäischen Föderalismus. Was er darunter verstand, ließ er indes offen.

Unterschiede wurden nicht so sehr in den Zielen, Europa zu stärken und seinen Einfluss auf die internationale Politik zu sichern, sondern eher in der Wahl des Weges dorthin sichtbar. Deutschland folgt, so ließen sich die Äußerungen Nico Langes verstehen,  mit seiner industriepolitischen Annäherung an Frankreich und durch die Macron-Merkel-Initiative zur Überwindung der Wirtschaftskrise einem pragmatischen Ansatz. Frankreich, so konnte man Mullers Worten entnehmen, strebt hingegen einen politisch und institutionell visionäreren Ansatz der Stärkung Europas an. Einig waren sich die beiden Politiker und die Analytikerin in der Bewertung, dass die deutsch-französischen Reaktionen auf die Pandemie die Chance, Europa voranzubringen, deutlich verbessert habe.

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Prof. Dr. Martin Reuber

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Referent Europa- und Bildungspolitik, Büro Bundesstadt Bonn

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