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Die rechtspolitischen Debatten anlässlich des 75. Jubiläums des Grundgesetzes standen in diesem Jahr im Zeichen der Erfolgsgeschichte der Demokratie in Deutschland. Die Verfassung, die ursprünglich als Provisorium gedacht war, entwickelte sich seit ihrer Verkündung zu einem stabilen Fundament unseres Zusammenlebens. Dennoch stellen verfassungsfeindliche Kräfte aus unterschiedlichen Phänomenbereichen – wie dem Links- und Rechtsextremismus oder dem Islamismus – die freiheitliche demokratische Grundordnung zunehmend auf die Probe. Angesichts dieser Bedrohungen widmete sich die Konrad-Adenauer-Stiftung mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen der wehrhaften Demokratie, deren rechtlichen Ausgestaltung sowie den Rahmenbedingungen für die Erfüllung des sicherheitsbehördlichen Auftrags zum Schutz dieser, um rechtliche Perspektiven für die Zukunft zu erörtern.
Bereits der Eröffnungsabend zum Auftakt der zweitägigen Fachkonferenz verdeutlichte die Relevanz der rechtspolitischen Auseinandersetzung mit dem Schutz der Demokratie angesichts aktueller Bedrohungen für diese. In seiner Begrüßung bekräftigte der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung Prof. Dr. Norbert Lammert, dass es gerade in diesem Jahr besonders viel Sinn mache, dem Schutz der Demokratie im Spannungsfeld von individueller Freiheit und öffentlicher Sicherheit nachzugehen. Mit Blick auf die historischen Lektionen der Vergangenheit betonte er, dass im Zweifel nicht die Demokratie den Rechtsstaat sichere, sondern wenn überhaupt der Rechtsstaat die Demokratie. Daher müsse derjenige „der eine tatsächlich oder vermeintlich bedrohte Demokratie schützen will, den Rechtsstaat stärken“, so Lammert.
In der anschließenden Festrede stellte der Vizepräsident des Gerichtshofs der Europäischen Union Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas von Danwitz diese zentrale Rolle des Rechtsstaats in den Fokus. Dabei benannte er grundlegende Zusammenhänge zur Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit für die Demokratie in der Europäischen Union. „Die Beachtung der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union ist unverzichtbarer Teil ihrer DNA“, erklärte von Danwitz und mahnte, dass die Antworten zum Schutz der Demokratie in Deutschland und Europa die Lehren aus der Gründung der Bundesrepublik und den Anfängen der europäischen Integration berücksichtigen müssten. Dies sei umso wichtiger angesichts der Gefahren, die von populistischer Politik für die europäische Rechtsgemeinschaft ausgingen. Denn „die Liste der vielfältigen Bedrohungen, denen sich Deutschland und seine Demokratie gegenüber sehen, ist lang“, unterstrich von Danwitz und verdeutlichte die entscheidende Rolle, die dem Unionsrecht bei der wirksamen Durchsetzung zukomme.
Am darauffolgenden Konferenztag begrüßte Herr Dr. Fischer-Bollin, Leiter der Hauptabteilung Analyse und Beratung, die Gäste in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. „In einer Zeit, in der neue Bedrohungen, gesellschaftliche Polarisierung und rasanter technologischer Wandel den politischen Diskurs und den gesellschaftlichen Zusammenhalt immer stärker beeinflussen, sind Fragen nach dem Schutz der Demokratie aktueller denn je“, erklärte Fischer-Bollin und betonte die herausragende Bedeutung der bevorstehenden Podiumsdiskussionen.
Wehrhafte Demokratie auf dem Prüfstand – Anfang oder Ende der Meinungsfreiheit?
Das erste Podium stellte die wehrhafte Demokratie auf den Prüfstand, deren Instrumente dem Schutz des demokratischen Verfassungsstaates dienen, gleichzeitig jedoch die politische Freiheit erheblich beschränken. Dabei beleuchteten der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts Peter Müller, die Co-Direktorin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung (PRUF) Prof. Dr. Sophie Schönberger und der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Prof. Dr. Günter Krings MdB gemeinsam mit Moderatorin Marie-Sophie Lanig, Referentin für Recht und Politik, die Ausgestaltung der wehrhaften Demokratie sowie deren Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit und den politischen Meinungsdiskurs.
„Keine unbedingte Freiheit für die Feinde der Freiheit“, betonte Peter Müller. Gleichzeitig erfordere die Verteidigung der Demokratie klare rechtliche Grenzen. Das Parteiverbotsverfahren sei dabei „die schärfste, aber zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaates“ und eine „demokratieverkürzende Ausnahmenorm“, so Müller. Mit Bezug auf den kürzlich gestellten Antrag zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD stellte der ehemalige Richter angesichts der Dauer, der ungewissen Erfolgsaussichten und des erforderlichen Nachweises der Staatsfreiheit klar: „Das Verbot ist der falsche Weg“, vielmehr sei der politische und demokratische Diskurs bedeutend. Auch Sophie Schönberger verdeutlichte die zentrale Rolle der Meinungsfreiheit als einen existenziellen und zentralen Baustein des Verfassungsstaates. Es sei vollkommen richtig, „dass der Staat die Überzeugung von seiner Legitimität von Bürgerinnen und Bürgern nicht erzwingen kann“, konstatierte die Rechtswissenschaftlerin. Dennoch sei es „Aufgabe, die grundlegende Überzeugung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu fördern“, erklärte Schönberger und forderte die Emotionalisierung der Demokratie und die Beeinflussung der Meinung nicht alleine Antidemokraten zu überlassen. Angesichts des ungewissen Ausgangs und des unterschiedlichen Beurteilungsmaßstabs gegenüber Beobachtungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden äußerte Günter Krings große Bedenken zur aktuell debattierten Einleitung eines Parteiverbotsverfahren. Vor dem Hintergrund der Veränderung des demokratischen Dialogs im Netz identifizierte der rechtspolitische Sprecher die Regulierung von Plattformen als „notwendiges Instrument, um den gesellschaftlichen Frieden, und letztendlich auch Meinungsfreiheit und Demokratie zu wahren“. Gleichzeitig dürfe man sich nicht in eine Euphorie der Regulierung begeben, betonte der Rechtspolitiker.
Das Podium 1 finden Sie in voller Länge hier zum Nachhören.
Effiziente Informationsbeschaffung der Sicherheitsbehörden – zwischen Sicherheitsinteressen und Freiheitsschutz
Das Spannungsfeld zwischen den Sicherheitsinteressen des Staates und dem Schutz individueller Freiheiten der Bürgerinnern und Bürger war Thema des von Ferdinand Gehringer, Referent für Cyber- und Innere Sicherheit, moderierten zweiten Podiums. Dabei widmeten sich Dr. Felor Badenberg, Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlins, Prof. Dr. Matthias Bäcker, Stiftungsprofessor für Öffentliches Recht und Informationsrecht an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, sowie Christoph de Vries MdB, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKrG), angesichts aktueller Bedrohungen der Handlungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden.
„Die Sicherheitsbehörden und Strafverfolgungsbehörden haben immer noch nicht die Instrumente, die sie benötigen, um ihre Arbeit auch vernünftig zu tun“, zeigte Felor Badenberg auf. Mit Blick auf Aufklärungsinstrumente bestehe insbesondere bei den Regelungen zur Nutzung von Gesichtserkennung, zur Speicherung von IP-Adressen und zur Funkzellenüberwachung Nachholbedarf, aber auch von Sanktionsmöglichkeiten müsse Gebrauch gemacht werden, stellte die ehemalige Vizepräsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz klar. Deutliche Worte fand auch Christoph de Vries. „Wenn wir so weitermachen, dann werden wir als wehrhafter Staat die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland nicht garantieren können“, verdeutlichte der Innenpolitiker. Die Gewährleistung von Sicherheit dürfe kein Zufallsprodukt sein und Datenschutz nicht zum Täterschutz werden, forderte das Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Einen Reformbedarf des Nachrichtendienstrecht statuierte Matthias Bäcker. „Wenn wir eine schlagkräftige und zugleich rechtsstaatlich angemessene Regulierung der Nachrichtendienst hinbekommen werden, dann brauchen wir Aufgabenklarheit und eine Entflechtung des Nachrichtendienstrechts“, stellte der Datenschutzrechtsexperte klar und bezog sich dabei auf die Befugnisse zur Informationserhebung, die Kontrolle der Dienste, die Informationsflüsse zwischen den Diensten und zwischen den Diensten und anderen Sicherheitsbehörden.
Nachrichtendienstliche Aufklärung, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung – ein wirksames Zusammenwirken?
Die Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendiensten, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung in der Praxis wurde im Rahmen des dritten Podiums, durch das Moderatorin Karoline Linzbach führte, aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Dabei diskutierten der Geschäftsführer der Forschungsstelle Nachrichtendienste der Universität zu Köln Luca Manns, der stellvertretende Leiter der Abteilung islamistisch motivierter Terrorismus/Extremismus des Bundeskriminalamtes und Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. Tobias Engelstätter über die Herausforderungen und Chancen der Zusammenarbeit.
„Demokratie schützen heißt auch Sicherheit stärken“, verdeutlichte Marc Hallensleben mit Blick auf eine aktuell volatile Sicherheitslage. Das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) habe als Garant für die innere Sicherheit dabei in der Vergangenheit dazu beigetragen „24 Anschläge auf deutschem Boden zu verhindern“, erläuterte der Experte und betonte den hohen Stellenwert eines verzögerungsfreien Informationsflusses zwischen den Sicherheitsbehörden. Dass viele Anschläge in der Vergangenheit durch den Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt nur aufgrund nachrichtendienstlicher Hinweise verhindert wurden, zeigte auch Tobias Engelstätter auf. Die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten würde sich „auch heute als unverzichtbar, um unser Zusammenleben in Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten“ erweisen, konstatierte der Oberstaatsanwalt. „Es gibt eine neue Dimension des Trennungsgebots: das informationelle Trennungsgebot“, erklärte Luca Manns. Wenn man über die Zusammenarbeit von Behörden spräche, spiele die Musik vor allem bei der Datenweitergabe. Dabei kritisierte der Nachrichtendienstrechtsexperte eine aufkommende Verfeinerung bzw. Zerfaserung der Judikatur, die „in der Praxis kaum mehr umsetzbar sei“, so Manns. Einigkeit bestand unter den Rednern darüber, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendiensten und anderen Sicherheitsbehörden in Anbetracht der Bedrohungen für die Sicherheit in Deutschland notwendig bliebe. Zudem sei es essenziell das Vertrauen in die Arbeit der Behörden zu stärken.
Die Leiterin der Abteilung Demokratie, Recht und Parteien, Daphne Wolter, resümierte in ihrem Schlusswort, dass es bei der diesjährigen Konferenz gelungen sei, die Rechtsprechung und die aktuellen rechtlichen Regelungen mit der nötigen Sachlichkeit und Fachexpertise kritisch und zugleich konstruktiv zu beleuchten, bevor sie ihren Dank an die Expertinnen und Experten sowie allen Gästen richtete.