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Reportajes internacionales

100 Tage Regierung Carlos Alvarado Quesada in Costa Rica

de Dr. Werner Böhler
Die Bilanz der ersten 100 Tage der neuen Regierung im Amt fällt gemischt aus. Als der gewählte Staatspräsident am 8. Mai die Regierungsgeschäfte übernahm, versprach er den 2000 Anwesenden auf der zentralen Plaza de la Democracia in San José und den Tausenden, die dem Ereignis am Fernseher oder Radio und den sozialen Medien beiwohnten, das Land verantwortungsvoll, intelligent, ausgewogen und kraftvoll zu führen. Er beendete seine Rede mit dem Anspruch an sich selbst und seine Regierung, hart zum Wohle aller zu arbeiten.

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Carlos Alvarado, Präsident von Costa Rica, 12. Juni 2018 | © OEA - OAS / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0 © OEA - OAS / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0
Carlos Alvarado, Präsident von Costa Rica, 12. Juni 2018 | © OEA - OAS / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0

Am 16. August zog Carlos Alvarado ein positives Resümee seiner Regierung mit den Worten: „Heute lösen wir unser Versprechen ein: 100 Tage trabajar, trabajar, trabajar.“

Die Bevölkerung bewertet jedoch den Präsidenten und die Leistung der neuen Regierung kritisch. Nach einer vom 13. – 16. August von dem seriösen Centro de Investigación y Estudios (CIEP) der Universität von Costa Rica durchgeführten Umfrage erreicht Carlos Alvarado nur 35,3% positive Voten, während 35,7% seine Person negativ und 29% durchschnittlich einschätzen. Damit liegt die Unterstützung für Carlos Alvarado nach den ersten 100 Tagen deutlich unter den Werten seiner vier Vorgänger Luis Guillermo Solís, Laura Chinchilla, Óscar Arias und Abel Pacheco. Negativ bewertet werden vor allem die Handhabung der Finanzkrise und die Frage der Sicherheit.

Die Arbeit der Regierung von Carlos Alravado wird lediglich von 28% der Befragten positiv eingeschätzt. Ein Viertel bewertet die Leistung durchschnittlich und 47% antworten mit schlecht oder sehr schlecht. Die Fragmentierung in der Asamblea Legislativa und die unklaren Machtverhältnisse werden in der Wahrnehmung der Bevölkerung als hinderlich für die Regierungsarbeit eingeschätzt. Das Parlament ist von der Opposition dominiert und die Parteien bzw. Fraktionen sind wesentlich mit ihren eigenen internen Problemen beschäftigt. Es fehlt folglich auch ein klarer Gegenspieler der Opposition. Als Schwächen des Parlaments werden insbesondere die Korruption, unrealistische Vorschläge und Anträge sowie die Unerfahrenheit der Parlamentarier genannt.

Begrenzte Macht

Das Wahlergebnis begrenzte die Macht des Staatspräsidenten im semipräsidentiellen System von Costa Rica. Zwar konnte Carlos Alvarado die Stichwahl mit gut 60% der Wählerstimmen überzeugend für sich entscheiden, kann sich aber nur auf eine Fraktion seiner Partei PAC (Partido Acción Nacional) von 10 Abgeordneten in der 57 Mitglieder umfassenden Asamblea Legislativa stützen. Aufgrund dieser schwachen Basis im Parlament nutzte Carlos Alvarado bereits die zwei Monate zwischen den beiden Wahlgängen am 4. Februar und 1. April und trat im Wahlkampf für die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit ein. Als einziger Politiker unterzeichnete der unterlegene Kandidat der christlich-sozial ausgerichteten PUSC (Partido Unidad Social Cristiana) Rodolfo Piza im März ein formales Abkommen zur Zusammenarbeit und brachte ein Arbeitsprogramm in die später gebildete Regierung der Nationalen Einheit ein, das wesentlich von seinem eigenen Wahlprogramm geprägt war. Ohne formales Abkommen beteiligten sich auch führende Mitglieder der liberal-sozialdemokratischen PLN (Partido Liberación Nacional), der linken Frente Amplio und der Kantonalpartei Curidabat Siglo 21 an der Regierung. Die Partei des Staatspräsidenten PAC besetzt mit 44,4% nur eine Minderheit der Regierungspositionen. Bemerkenswert ist, dass die führenden Minister und Funktionsträger im Bereich Wirtschaft und Finanzen von den beiden Traditionsparteien PLN, insbesondere jedoch der PUSC gestellt werden, während Bildung und Kultur von der PAC, dem FA und Curidabat Siglo 21 übernommen wurden.

Carlos Alvarado verpflichtete die Mitglieder seiner Regierung vor deren Vereidigung am 8. Mai einen ethischen Kodex zu unterzeichnen. Darin sind Verhaltensregeln insbesondere im Umgang mit öffentlichen Geldern wie bspw. Nutzung der Dienstfahrzeuge, Auslandsreisen oder Gehaltserhöhungen und Ausgaben für Repräsentationszwecke festgelegt. Damit beabsichtigt der Präsident mit seiner Regierung ein Zeichen für den sparsamen Umgang mit staatlichen Finanzmitteln zu setzen. Aus diesem Grund gab es bei der Amtsübergabe von Präsident Luis Guillermo Solís an Carlos Alvarado kein Galadinner, sondern lediglich ein einfaches Essen für Staatsgäste und musikalische Unterhaltung für die Anwesenden auf der Plaza de la Democracia.

Im Grundsatz war damit tatsächlich der Grundstein für eine Regierung mit breiter Basis gelegt. Allerdings gestalten sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament komplex und wenig übersichtlich. Die auf vier Jahre begrenzte Amtszeit ohne die Möglichkeit der direkten Wiederwahl trägt nicht zu einer kontinuierlichen und mittel- oder langfristig ausgerichteten Parlamentsarbeit bei. Von den 57 Mitgliedern in der neuen Asamblea Legislativa verfügen lediglich sechs über Erfahrung als Abgeordneter aus früheren Perioden. Das Parlament ist fraktioniert und spaltet sich in sieben Parteien zwischen einem und 17 Mandaten auf. Erschwerend kommt hinzu, dass es praktisch kaum eine Fraktionsdisziplin gibt und innerhalb der Parteien Lagerbildungen sowie Einzelmeinungen schon zum jetzigen Zeitpunkt erkennbar sind, wobei die Grenzen durchaus fließend sein können.

Im Juni berief der Präsident zwei Kommissionen mit erfahrenen Persönlichkeiten (Notables) ein, die Vorschläge zur Reform des Staates bzw. der Reform der öffentlichen Verwaltung und der Regierung erarbeiten sollen. Um die Verbindung zur Regierung sicherzustellen, leiten zwei Minister diese Kommissionen. Der Minister im Präsidialamt Rodolfo Piza ist für die 13-köpfige Kommission zur Reform des Staates verantwortlich, während Pilar Garrido, Ministerin für Planung (Mideplan), die Kommission zur Reform der öffentlichen Verwaltung leitet, die sieben Mitglieder umfasst. Die Ernennung der 20 Notables, die insbesondere aus der Politik, aber auch aus der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft kommen, löste heftige Debatten aus. Neben Kritik an der Auswahl der Personen an sich wurde vor allem die demokratische Legitimität der beiden Kommissionen hinterfragt sowie deren Bedeutung und Einfluss auf die Politikgestaltung. Es wurden auch Stimmen laut, dass es sich um zwei Parallelgremien zum Parlament und den Parteien handele. Kritisch wurde zusätzlich angemerkt, dass es für diese zentralen politischen Fragen jeweils zuständige Ministerien gebe, die über einen ausreichenden Beraterstab verfügten. Die Ernennung von Notables durch den Staatspräsidenten gab es jedoch bereits bei vorherigen Regierungen. Außerdem arbeiten die Mitglieder der beiden Kommissionen ehrenamtlich.

Fiskalreform

Die schwierige Suche nach Mehrheiten im Parlament offenbart sich an dem zentralen Projekt - der Fiskalreform der Regierung, die mit außerordentlicher Priorität erfolgen muss, damit das Land nicht in Zahlungsschwierigkeit mit den bekannten Auswirkungen für ein Schwellenland gerät. Die Verschuldung des Landes akkumulierte sich in den zurückliegenden Jahren auf über 50% des BIP und die Zentralbank prognostiziert bis 2019 ein Haushaltsdefizit von 7,9%, wenn nicht unmittelbar die Ausgaben gesenkt und/oder die Einnahmen des Staates erhöht werden. Jüngste Statistiken des Finanzministeriums weisen für das erste Halbjahr dieses Jahres ein Defizit von 3,3% gemessen am BIP aus, was 1,1 Billionen Colones (1,9 Mrd USD) entspricht, dem höchsten Wert seit sechs Jahren. Aktuell kommt hinzu, dass die Regierung von Luis Guillermo Solís den Umfang der tatsächlich Verschuldung und Fälligkeiten von kurzfristigen Schuldverschreibungen verschleiert und im Haushalt für das Jahr 2018 nicht ausgewiesen hat. Notwendig wurde deshalb eine kurzfristige Einlösung von Bonds in Höhe von 134.000 Millionen Colones (232 Mio USD). Von Seiten des Parlaments wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die nun prüfen soll, ob die Finanzministerin gegen Gesetze verstoßen und sich damit strafbar gemacht hat, da das Parlament in seiner Zuständigkeit für die Haushaltsgesetzgebung nicht eingeschaltet wurde. Allerdings gibt es weitere kurzfristige Fälligkeiten im laufenden Haushaltsjahr in einer Größenordnung von 800.000 Millionen Colones (1,38 Mrd USD), die ebenfalls zu bedienen sind. Der Haushaltsausschuss des Parlaments beschloss nun mehrheitlich, den ehem. Staatspräsidenten Luis Guillermo Solís ins Parlament vorzuladen, um ihn zu dieser Finanzlücke zu befragen. Hinzu kommen die anstehenden Weihnachtsgelder für die öffentlich Bediensteten, die nur dann gezahlt werden können, wenn zuvor die Fiskalreform, die zusätzliche Einnahmen, die Aufnahme von Krediten und den Wechsel von einer Umsatzsteuer zu einem Mehrwertsteuersystem vorsieht, im Parlament verabschiedet wird.

Der Entwurf des Finanzministeriums zur Fiskalreform, der dem Parlament zur Beratung und Verabschiedung vorliegt, löste in den Medien, der Bevölkerung und unter Experten sowie Parteien heftige Diskussionen aus. Präsident Carlos Alvarado stellte sich deshalb ausdrücklich hinter das Reformprojekt seiner Ministerin, das für seine Regierung und die gesamte Legislaturperiode maßgebend ist. Kritik wird insbesondere an der vorgesehenen Besteuerung des Warenkorbs auch für die armen Bevölkerungsschichten geübt, wenngleich diese sehr niedrig ist und vor allem wegen der neuen Systematik der Mehrwertsteuer eingeführt werden soll. Mit der heutigen Entscheidung im Haushaltsausschuss (22. August) wurde diese zusätzliche Steuer bereits abgelehnt. Fast alle Parteien brachten Änderungsanträge ein, deren Umfang langwierige Debatten im Parlament auslösten, die andauern. Allein der Abgeordnete Dragos Dolanescu Valenciano von der PRSC (Partido Republicano Social Cristiano) beantragte 500 Änderungen. Es wird folglich entscheidend sein, welche Zugeständnisse die Regierung gegenüber den Fraktionen im Parlament machen muss, um eine Mehrheit in der Legislative zu erhalten.

Die zitierte Umfrage belegt, dass in der Bevölkerung durchaus eine Bereitschaft vorhanden ist, höhere Steuern zu akzeptieren, um die Finanzkrise des Staates zu überwinden. Allerdings verlangen 2/3 der Befragten, dass parallel die öffentlichen Ausgaben gekürzt werden müssen. 37% bestehen darauf, dass zuerst Ausgabenkürzungen vorzunehmen sind, bevor an eine höhere Steuerbelastung der Bevölkerung gedacht wird. Dabei sehen 52% die Hauptverantwortung für die Finanzkrise bei der Regierung und 20% beim Parlament, während 22% meinen, Steuerhinterziehung sei für die Einnahmeausfälle verantwortlich. Diese Umfragewerte belegen aber auch, dass die Regierung offensichtlich keine adäquate Kommunikationsstrategie hat, um den komplexen Sachverhalt der Bevölkerung zu vermitteln.

Interessant ist die Position der PUSC-Fraktion, die auf Änderungsanträge verzichtete und ihre Zustimmung davon abhängig machte, dass vor der Zustimmung zum Haushaltsreformgesetz ein Plan zur Stärkung der Wirtschaft, des Wettbewerbs und des Wirtschaftswachstums mit einem zeitlichen Rahmen von der Regierung vorgelegt wird. Als Grundlage übersandte die Parlamentsfraktion der PUSC ein achtseitiges Schreiben an Präsident Carlos Alvarado. Das Schreiben ist klar gegliedert und umfasst vier Forderungen mit jeweils mehreren Unterpunkten: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes und Senkung der Kreditkosten für die Wirtschaft und Privatpersonen, Bildung und Inklusion, Förderung des Wachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes sowie Verbesserung und Investitionen in die Infrastruktur. Auf dieser Grundlage könnten sich die drei Parteien PAC, PUSC und PLN einigen und die erforderliche Mehrheit sichern.

Justizsektor

Stellvertretend für das negative Image der staatlichen Institutionen steht der Justizsektor, dessen Integrität und Unabhängigkeit ein wesentliches positives Element des demokratischen Systems des Landes waren. Die Folgewirkungen des Korruptionsskandals in der Zementbranche (Cementazo) haben jedoch dem Ansehen der Justiz nachhaltig geschadet. Zuerst wurde der Richter am Obersten Gerichtshof Celso Gamboa entgegen seinem Widerstand suspendiert und später aufgrund der erdrückenden Beweislage für seine Verwicklung in den Korruptionsskandal entlassen. Vor wenigen Wochen trat der Präsident des Obersten Gerichtshofs Carlos Chinchilla zurück, nachdem auch er immer stärker mit dem Cementazo in Verbindung gebracht wurde, nicht zuletzt durch seine Nähe zu Celso Gamboa und in den Skandal verwickelten Personen. Aufgrund der langjährigen Ausübung des Richteramts hat der erst 55-jährige Chinchilla Anspruch auf die üppige Alterspension der Richter, die sich voraussichtlich auf über vier Millionen Colones pro Monat (ca. 7.000 USD) beläuft. Die Umfrage von CIEP ergab nun, dass für 52% der Befragten die Justiz nicht unabhängig ist und nur noch drei von zehn Personen der Unabhängigkeit der Gerichtsurteile vertrauen. Auf einer Vertrauensskala von 10 Punkten erreicht der Justizsektor gerade noch 5,9 gegenüber dem Wert von 6,7 Punkten im März 2018 und im Juli 2017. Das abnehmende Vertrauen in die demokratischen Institutionen wirkt sich letztlich auch negativ auf die Umfrageergebnisse für den Staatspräsidenten und dessen Regierung aus.

Migration

Der Zustrom von Migranten und Asylsuchenden ist seit den Unruhen im Nachbarland Nicaragua deutlich angestiegen und stellt für das kleine Land eine enorme Herausforderung dar. Zwar gab es bereits zuvor etwa 400.000 Arbeitsmigranten aus Nicaragua und einige Tausend Migranten u. a. aus Venezuela, Kuba, Haiti sowie einige Hundert aus Afrika. Die offene bergige Landgrenze im Norden führt nun angesichts der schweren Staatskrise in Nicaragua zu einem fast unkontrollierten Zustrom von nicaraguanischen Flüchtlingen. Bei der beschriebenen angespannten Finanzlage und über 10% Arbeitslosenrate sieht sich Costa Rica mit einer neuen Dimension in der Migrationsfrage konfrontiert. Am 18. August entlud sich der Unmut von einigen Hundert Menschen im Parque La Merced, als eine zunächst friedliche Demonstration in gewalttätige Auseinandersetzungen mit Nicaraguanern, die sich am Wochenende in den Parks der Hauptstadt aufhalten, umschlug und 44 Festnahmen zur Folge hatte. Die gestiegene Anzahl der Migranten wird inzwischen insbesondere von sozial schwachen oder marginalisierten Bevölkerungsschichten mit Skepsis gesehen. Auch drei besonders schwere kriminelle Vergehen von Nicaraguanern in Costa Rica dürften eine Rolle gespielt haben. Dennoch überwiegt bei weitem die Zahl der Menschen, die in der Tradition Costa Ricas offen und mit viel Hilfsbereitschaft den Migranten gegenüber stehen. Es besteht überdies der durchaus begründete Verdacht, dass es sich bei einigen der Demonstranten um eingeschleuste Nicaraguaner des Regimes von Ortega/Murillo handelt. Ein Indiz dafür sind u.a. anonyme Seiten in den sozialen Medien, die zur Demonstration gegen die Migranten aufgerufen haben. Ein Klima mit sozialen Konflikten und das Schüren von Unruhen wären nicht nur geeignet, Unruhe und Chaos in Costa Rica zu initiieren, sondern überdies von der katastrophalen Situation, der Versorgungskrise und den andauernden Aufständen der Bevölkerung gegen die neue Familiendynastie von Ortega/Murillo und der FSLN-Führungsclique abzulenken. Ein Motiv wäre damit durchaus gegeben.

Bereits am darauf folgenden Tag wandte sich Präsident Carlos Alvarado in einer staatsmännischen Rede an die Bevölkerung und rief zu Toleranz gegenüber Migranten auf, wie es der Tradition des Landes entspreche. Costa Ri ca sei ein Land, das durch Zuwanderung erst entstanden ist und diese Mischung der Bevölkerung begründe den Reichtum und die Vielfalt des Landes sowie den wirtschaftlichen Erfolg und die demokratische Tradition. Mit diesen Worten erinnerte er auch an die humanitäre Verpflichtung, die Costa Rica gegenüber den vom nicaraguanischen Regime verfolgten Menschen habe. Auf Initiative des ehemaligen christsozialen Präsidenten Miguel Ángel Rodríguez unterzeichneten auch alle sieben Ex-Präsidenten des Landes eine entsprechende öffentliche Erklärung.

Weitere Herausforderungen

Die Umfrage von CIEP belegt, dass die Bürgerinnen und Bürger des Landes die Sicherheit als eine der größten Herausforderungen einschätzen. Costa Rica mit seinem demokratischen System und den offenen See- und Landgrenzen ist inzwischen zu einem zentralen Umschlagplatz des Drogenhandels nach Europa und die USA geworden. Nicht zuletzt darauf ist die spürbar zunehmende Kriminalität und die Mordrate zurückzuführen, die im vergangenen Jahr mit 603 Morden einen traurigen Höchststand erreichte und damit, gemessen an der Bevölkerung, deutlich über dem Weltdurchschnitt liegt.

Der tägliche Verkehrskollaps und das Chaos des kollektiven Transportwesens von Bus und Bahn sind für die Menschen ein tägliches Ärgernis. Investitionen in die Infrastruktur wurden von den Vorgängerregierungen sträflich vernachlässigt. Eine der großen Herausforderungen für die neue Regierung ist nun die möglichst schnelle Umsetzung von vorhandenen Planungsvorhaben und begonnen Straßen- und Infrastrukturprojekten. Dazu zählt auch eine effiziente Regelung der Buslinien sowie der Neu- und Ausbau des Schienentransports und letztlich ein integriertes Nachverkehrssystem im Großraum von San José, dem Valle Central.

Bürokratische Hürden und die schwerfällige öffentliche Verwaltung sind weitere Baustellen, die in der vierjährigen Amtszeit der Regierung anzugehen sind. Hinzu kommt die verbreitete Korruption im öffentlichen Bereich. Zusammen genommen verhindert das die Gründung von Unternehmen und schreckt internationale Investoren zunehmend ab. Zu diesen Reformprojekten zählt auch der aufgeblähte Staatsapparat, der ebenso wie überzogene Pensionsansprüche schlicht für das Land nicht mehr bezahlbar ist. Aufgrund der Anreize und üppigen Zulagen zu den Grundgehältern im öffentlichen Dienst und den parastaatlichen Unternehmen von der Stromversorgung, über die staatliche Raffinerie bis hin zu Universitäten, drängen junge Menschen in den staatlichen Sektor anstatt sich in der freien Wirtschaft zu bewähren oder ein Start-up zu gründen. Dabei handelt es sich bei den Zulagen (sog. Sobresueldos), die ursprünglich als Leistungsanreize konzipiert waren, um Zusatzzahlungen, die inzwischen teilweise das jährliche Grundgehalt übersteigen.

Ethische Themen bestimmten die Wahlkampagne, insbesondere nach dem Urteil des Interamerikanischen Menschengerichtshofs (CIDH) in der ersten Januarhälfte und waren letztlich ausschlaggebend dafür, dass Fabricio Alvarado von der evangelikalen PRN (Partido Restauración Nacional) und Carlos Alvarado sich in der Stichwahl gegenüberstanden. Inzwischen hat auch der Oberste Gerichtshof von Costa Rica entschieden, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in Costa Rica rechtmäßig ist, und gab dem Gesetzgeber 18 Monate Zeit, eine entsprechende Regelung zu verabschieden. Offen bleibt bislang die Frage, ob eine künftige Regelung die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen mit der traditionellen Ehe oder eine Unión Cívica beinhalten wird. Entgegen seiner eigenen veröffentlichten Meinung und der Position der PAC sprach sich der Präsident für eine Unión Cívica aus, da diese Bestandteil des mit Rodolfo Piza unterzeichneten Regierungsprogramms ist. Einen Antrag für eine solche Regelung brachte die PUSC kürzlich im Parlament ein. Hinsichtlich der medizinischen Indikation als Voraussetzung für einen Schwangerschaftsabbruch gab es eine deutliche Veränderung des Meinungsbildes in der Bevölkerung. Lehnten noch im Januar 68% die medizinische Indikation ab, stimmten nun 54% dieser zu. Insgesamt hat sich die zugespitzte Diskussion dieser Themen in den Monaten nach der Wahl jedoch merkbar entspannt.

Ausblick

Das Ansehen des Staatspräsidenten und die Leistung der Regierung werden nach den ersten 100 Tagen tendenziell negativ bewertet. Allerdings sind die wichtigsten anstehenden Entscheidungen, die Fiskalreform und die wirtschaftliche Belebung des Landes, sehr komplex. Die Regierung hat kurz nach deren Amtsantritt ihr Projekt der Fiskalreform verabschiedet und dem Parlament zur Abstimmung zugeleitet. Aufgrund der Fragmentierung des Parlaments und der Unerfahrenheit der neu gewählten Abgeordneten sowie der Heterogenität der Meinungen innerhalb der Parteien und deren Fraktionen entstand in der Bevölkerung der Eindruck, dass die Regierung ebenso wie die Vorgängerregierung nicht in der Lage ist, die dringend notwendige Finanzreform umzusetzen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass der Verhandlungsprozess zur Verabschiedung dieses Großprojekts fokussierter verläuft und eine Mehrheit im Parlament erreicht werden kann. Sollte diese Entwicklung eintreten, dürften sich auch die Umfragewerte eher positiv entwickeln.

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Dr. Werner Böhler

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werner.boehler@kas.de +506 2296 6676

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