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Reportajes internacionales

Staatskrise in Bosnien und Herzegowina

Bundesgericht verurteilt den Präsidenten der Republika Srpska

Das Bundesgericht von Bosnien und Herzegowina (BiH) verurteite am 26. Februar 2025 den Präsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik, zu einem Jahr Gefängnis (wo-von er sich allerdings durch eine Geldbuße befreien kann) und einem sechsjährigen Verbot politischer Betätigung wegen Missachtung von Entscheidungen des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft, Christian Schmidt. Die Reaktion Dodiks auf das Urteil führt Bosnien und Herzegowina in eine Staatskrise.

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Die Hintergründe des Urteils

Die Republika Srpska (RS) ist neben der Föderation BiH eine von zwei Entitäten des Landes. Das Urteil hat noch keine Rechtskraft, da Berufung eingelegt werden kann. Das würde Zeit verschaffen, die möglichen Konsequenzen zu bedenken. Erhielte es Rechtskraft, bedeutete das den Rückzug Dodiks aus öffentlichen Ämtern, wobei er die Gefängnisstrafe gegen Zahlung einer Geldbuße vermeiden könnte.[1]

Milorad Dodik (65) ist Vorsitzender der serbisch-nationalistischen Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD). Von 1998 bis 2001 und 2006 bis 2010 war er Ministerpräsident, von 2010 bis 2018 Präsident der RS. Danach gehörte er dem dreiköpfigen Staatspräsidium von BiH an. 2022 wurde er erneut zum Präsidenten der RS gewählt. Den Krieg Russlands gegen die Ukraine bezeichnete er als „gerechtfertigt“. Er unterhält gute Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, den er im Januar 2023 mit dem höchsten Orden der Republika Srpska auszeichnete. Zudem bringt er immer wieder den Gedanken einer Loslösung der RS von BiH und eine Föderation mit der Republik Serbien ins Gespräch.[2]

Der Präsident der Republik Serbien, Aleksandar Vučić, hat noch am Tag des Urteils gegen Dodik, am 26. Februar 2025, eine Dringlichkeitssitzung des serbischen Nationalen Sicherheitsrates anberaumt. Dieser verurteilte das „undemokratische, unzivilisierte und rechtswidrige Urteil“ des Gerichts und beschrieb es als die „größte Krise in BiH seit dem Ende des Krieges“. Danach reiste Vučić nach Banja Luka, um Dodik der Unterstützung Serbiens zu versichern, aber auch, um ihn zum Dialog mit allen Beteiligten aufzufordern. Er sagte, das Urteil richte sich gegen die RS und das serbische Volk als Ganzes. In diesem Fall schäme er sich nicht, sondern könne stolz sagen, dass er Milorad Dodik zur Seite stehe.[3]

Der Hohe Repräsentant (HR) wird seit dem Dayton-Friedensabkommen vom 21. November 1995, mit dem der Bosnien-Krieg beendet wurde, auf der Grundlage der Resolution 1031 des UN-Sicherheitsrates von dem Friedensimplementierungsrat ernannt, dem Vertreter von über 50 Staaten angehören. Er überwacht die Umsetzung des Abkommens und hat dafür weitgehende Befugnisse, darunter auch das Recht, Gesetze zu erlassen oder aufzuheben sowie gewählte Vertreter zu entlassen. Seit 2021 hat der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) das Amt inne.

Das erstinstanzliche Urteil des Bundesgerichts ist eine rechtliche Klarstellung in einem institutionellen Streitfall und insofern von grundlegender Bedeutung für BiH. Es geht dabei um die Anerkennung der Autorität des Hohen Repräsentanten und des Verfassungsgerichts von BiH. Ausgangspunkt für das Verfahren gegen Dodik waren zwei Gesetze in der RS vom Juli 2023, die festlegten, dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichtes von BiH ebenso wie die Entscheidungen des Hohen Repräsentanten in der RS nicht anerkannt werden sollen. Der HR hob die Gesetze umgehend auf und verschärfte das Strafgesetzbuch dahingehend, dass die Missachtung seiner Entscheidungen künftig mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und einem Verbot der politischen Betätigung geahndet werden kann.

Dennoch unterschrieb Dodik die Gesetze und ließ sie im Amtsblatt der RS veröffentlichen. Das rief die Bundesstaatsanwalt auf den Plan, die ein Verfahren vor dem Bundesgericht in BiH anstrengte, welches bereits seit Dezember 2023 geführt wird. Nun hat die Richterin Sena Uzunović in Sarajevo das erstinstanzliche Urteil gesprochen, wobei sie weit unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Höchststrafe von fünf Jahren blieb und Dodik die Umgehung einer Gefängnisstrafe ermöglicht.[4]

Milorad Dodik hatte in Bezug auf das Verfahren unter anderem von „politischer Verfolgung“ und für den Fall eines Schuldspruches von einem „Todestag für Bosnien und Herzegowina“ gesprochen sowie radikale Maßnahmen bis hin zum „Rückzug aus dem Dayton-Abkommen“ angedroht. Damit versuchte er die Justiz einzuschüchtern. Zudem stellte er den Prozess gegen ihn und sein Handeln als Verfahren gegen die RS und ihre Institutionen insgesamt dar. Noch vor der Urteilsverkündung kündigte Dodik an, den HR verhaften zu lassen, wenn dieser in die RS käme.[5]

Unterdessen riefen die Botschafter im Lenkungsausschuss des Friedensimplementierungsrates wie bereits vorher schon die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) dazu auf, von Einmischung, Druck und politischen Drohungen mit Blick auf das Urteil Abstand zu nehmen und die Unabhängigkeit der Justiz zu respektieren. Sie betonten die territoriale Integrität von BiH als eines einzigen souveränen Staates, der aus zwei Entitäten besteht.[6] Der Leiter der EU-Delegation und EU-Sonderbeauftragte für BiH, der Italiener Luigi Soreca, traf sich gemeinsam mit anderen EU-Botschaftern mit der serbischen Vertreterin im dreiköpfigen Staatspräsidium, Željka Cvijanović. Die Botschafter betonten, dass alle politischen Führer die verfassungsmäßige Ordnung des Landes, die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz zu respektieren hätten und im Geiste des Dialogs und des Kompromisses an einer gemeinsamen Basis arbeiten sollten. Maßnahmen, die die Spaltungen vertieften und die Spannungen erhöhten, seien inakzeptabel. Die EU bekenne sich weiterhin unmissverständlich zur territorialen Integrität und Souveränität von BiH und zur EU-Perspektive des Staates.[7]

Der HR, Christian Schmidt, wandte sich mit einer persönlichen Botschaft an die Bürger: „Ich weiß, dass viele von Ihnen wirklich besorgt über die Entwicklungen hier sind. Seien Sie versichert, die internationale Gemeinschaft ist wachsam und in Alarmbereitschaft. Das Dayton-Rahmenwerk und die staatlichen Institutionen sind geschützt und müssen respektiert werden. Die internationale Gemeinschaft setzt sich weiterhin für Frieden und Stabilität ein. BiH ist nicht verhandelbar. BiH wird auf seinem europäischen Weg weiter voranschreiten. Ich weiß, dass die Bürger dieses Landes diese Vision sehr gut verstehen und auf ihrem Weg Unterstützung erfahren werden.“[8]

Vor der Urteilsverkündung hatten das NATO-Hauptquartier Sarajevo und die EU-Mission EUFOR Althea, die auch in Sarajevo stationiert ist, erklärt, dass sie die Destabilisierung von BiH nicht zulassen werden und bereit seien, wenn nötig zu reagieren.[9] Am Tag des Urteils traf sich der sozialdemokratische Verteidigungsminister von BiH, Zukan Helez, mit dem EUFOR-Kommandeur. Danach hieß es, dass es außer der politischen Verlautbarungen aus der RS keine Hinweise oder konkrete Maßnahmen gebe, die auf eine Verletzung des Friedens und der Sicherheit im Land hinweisen würden. Auch der HR Christian Schmidt sprach am Tag des Urteils mit dem Befehlshaber des NATO-Stabes über die Sicherheitslage.[10]

 

Reaktionen auf das Urteil

Milorad Dodik äußerte nach der Verkündung des Urteils zunächst, es gebe keinen Grund zur Sorge. Dann kündigte er jedoch vor seinen Anhängern in Banja Luka, der Hauptstadt der RS, an, dass er keine Berufung gegen das Urteil einlegen wolle, da das nächste Urteil seiner Meinung nach mit dem der ersten Instanz identisch sein werde. Zudem werde die Nationalversammlung der RS umgehend Gesetze beschließen, die Aktivitäten von gesamtstaatlichen Institutionen wie der Bundesstaatsanwaltschaft, des Bundesgerichtes oder der Polizeibehörde SIPA, der Staatlichen Ermittlungs- und Schutzagentur, in der RS verbieten würden, was das Parlament in der Tat noch am selben Abend und dem darauffolgenden Tag gegen die Stimmen der Opposition tat. Auf diese Weise will Dodik die Umsetzung des Urteils gegen ihn verhindern. Dies bedeutet, dass er ganz auf Konfrontation setzt. Seine Rede spickte er dementsprechend mit unflätigen Beschimpfungen gegen die Staatsanwaltschaft, die Richterin und den HR. Dieser habe es verdient, mit Steinen beworfen zu werden, wenn er in die RS käme, verlautbarte Dodik. Inhaltlich argumentiert er mit einer Rückkehr zum „ursprünglichen“ Dayton-Abkommen. Dass er selbst und die serbischen Abgeordneten in BiH bei der Bildung der gesamtstaatlichen Organisationen im Land beteiligt waren, verschwieg er.[11]

Die Opposition in der RS, die vor allem aus der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) und der Partei des Demokratischen Fortschritts (PDP) besteht und im Parlament ein Viertel der Sitze hat, warf Dodik vor, er habe eine Atmosphäre der Spaltung in der RS ​​geschaffen. Seine Politik basiere auf der Verbreitung von Angst und Hass, was dazu geführt habe, dass alle zu Verrätern erklärt würden, die nicht bereit seien, ihm blind zu folgen.

Unterdessen hat die neue Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, verlautbart, die USA respektierten das Urteil des Gerichts von BiH bezüglich des Präsidenten der RS. Seit Jahren investierten sie in ein stabiles BiH. Die USA lehnten alle Handlungen lokaler Führer entschieden ab, die die Sicherheit und Stabilität des Landes untergraben würden. „Wir unterstützen das Dayton-Abkommen und die Souveränität und territoriale Integrität von BiH“, sagte Bruce. Milorad Dodik steht seit längerem auf der Sanktionsliste der USA, wobei er die Hoffnung hegt, dass sich dies unter Präsident Trump ändern könnte.[12]

Der Sprecher des Kremls, Dmitri Peskow, kommentierte, das Urteil werde „schädliche Folgen für die Lage in BiH und der gesamten Region haben“. Es basiere auf Bestimmungen eines „Pseudogesetzes“, das BiH vom selbsternannten HR willkürlich auferlegt worden sei und eindeutig außerhalb der gesetzlichen Grenzen stehe. Russland erkennt den HR, dessen Bestätigung es im Sicherheitsrat der UN gemeinsam mit China blockierte, weil es die Institution ganz abschaffen wollte, nicht an. In einer Erklärung des russischen Außenministeriums, die der Nachrichtenkanal n1info.ba wiedergab, heißt es in einem Ton, der sehr an den Kalten Krieg erinnert: „Die Strafverfolgung von Milorad Dodik ist rein politischer Natur und vom Westen inspiriert, der durch seine Marionetten in den Justizorganen von BiH hofft, die patriotischen Kräfte der RS von der politischen Bühne zu eliminieren – Kräfte, die sich dem euroatlantischen Neokolonialismus widersetzen.“[13]

Aus dem Europäischen Parlament nahmen der ständige Berichterstatter für BiH des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Ondřej Kolář (EVP, Tschechien), und der Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu BiH und dem Kosovo, Davor Ivo Stier (EVP, Kroatien), Stellung. Sie erinnerten daran, dass das Europäische Parlament wiederholt gezielte Sanktionen gegen destabilisierende politische Akteure in BiH gefordert habe, darunter solche, die die Souveränität, territoriale Integrität und verfassungsmäßige Ordnung des Landes bedrohen und untergraben. Darunter fielen insbesondere Milorad Dodik sowie andere hochrangige Politiker der RS ​​und aus Drittstaaten, die die sezessionistische Politik politisch und materiell unterstützen.[14]

Am 27. Februar 2025, einen Tag nach der Urteilsverkündung, sprach der HR Christian Schmidt auf dem „Adenauer-Europa-Forum“ der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sarajevo und diskutierte mit den Teilnehmern aus Politik und Gesellschaft von BiH und der internationalen Gemeinschaft. Dabei hob Schmidt die grundlegende Bedeutung der Akzeptanz einer regelbasierten Ordnung im nationalen wie internationalen Bereich hervor. Die gemeinsam vereinbarten Regeln, die Verfassung, Institutionen, Gesetze müssten von allen akzeptiert werden und dürften nicht einseitig in Frage gestellt oder gebrochen werden. Sicher gebe es nicht „die perfekte Ordnung“. Aber Reformen könnten nur gemeinsam im Dialog mit allen Beteiligten vorangebracht werden, nicht durch die Missachtung der gemeinsamen Ordnung.[15]

 

Wie geht es weiter?

Gehen Milorad Dodik und seine nationalistische Partei SNSD mit ihren Unterstützern, die ihm im Parlament der RS eine breite Mehrheit sichern, den Weg der Konfrontation weiter, stellt sich die Frage, wie der Gesamtstaat und die internationale Gemeinschaft reagieren, wie das Vorgehen gegen den Gesamtstaat in der RS gestoppt und wie das Urteil gegen Dodik durchgesetzt werden kann. Es ist schwer vorstellbar, dass sich die Bevölkerung in der RS in einen Brand hineinziehen lassen möchte, der die Gesamtstaatlichkeit und die gemeinsame europäische Perspektive von BiH angreift. So steht dem Land eine unruhige Zeit bevor, in der der Beitrittsprozess in die EU weiter verzögert und sogar verhindert werden kann zu Lasten vor allem der jungen Generation, um deren Zukunft es geht.

 

[1] Vgl. https://n1info.ba/english/news/dodik-sentenced-to-one-year-in-prison-and-and-banned-from-holding-office/ (alle Links abgerufen am 28.2.2025).

[2] Vgl. https://online.munzinger.de/article/00000022462. 

[3] Vgl. https://n1info.ba/english/news/serbias-national-security-council-this-is-bihs-biggest-crisis-since-the-war/; https://n1info.ba/english/news/vucic-arrives-in-banja-luka-after-dodiks-verdict/; https://n1info.ba/english/news/vucic-dodiks-verdict-is-directed-against-the-serb-people-as-a-whole/.

[4] Vgl. Bericht der Deutschen Welle mit einem Kommentar des Autors zur Situation: https://amp.dw.com/de/bosnien-serbenf%C3%BChrer-und-republika-srpska-pr%C3%A4sident-dodik-muss-trotz-urteils-nicht-in-gef%C3%A4ngnis/a-71770954.

[5] Vgl. https://n1info.ba/english/news/dodik-high-rep-will-be-arrested-if-he-comes-to-republika-srpska/; https://n1info.ba/english/news/dodik-repeats-secession-threat-at-party-conference-in-banja-luka/; https://n1info.ba/english/news/dodik-issues-series-of-threats-ahead-of-his-sentencing/; https://n1info.ba/english/news/dodik-issues-series-of-threats-ahead-of-his-sentencing/.

[6] Vgl. https://n1info.ba/english/news/high-rep-bosnia-and-herzegovina-is-non-negotiable/.

[7] Vgl. https://www.osce.org/mission-to-bosnia-and-herzegovina/585908; Luigi Soreca auf X.

[8] Siehe Anm. 6.

[9] Vgl. https://n1info.ba/english/news/eufor-monitoring-the-situation-in-bih-after-threats-from-republika-srpska/; https://n1info.ba/english/news/ahead-of-dodik-verdict-nato-eufor-ready-to-stop-destabilisation-of-bih/.

[10] Vgl. https://sarajevotimes.com/bih-defense-minister-requested-an-increase-in-eufor-forces-after-meeting-with-the-eu-delegation/#google_vignette.

[11] Vgl. https://n1info.ba/english/news/vucic-to-visit-banja-luka-dodik-as-of-today-there-is-no-more-bih/; https://n1info.ba/english/news/dodik-we-are-banning-the-bih-judiciary-in-republika-srpska/; https://n1info.ba/english/news/dodik-we-have-the-momentum-to-accomplish-this-without-any-use-of-force/; https://n1info.ba/english/news/rs-entity-bans-bih-judiciary-adopts-foreign-agents-law/.   

[12] Vgl. https://n1info.ba/english/news/u-s-state-department-supports-vedict-against-dodik/.

[13] https://n1info.ba/english/news/russia-warns-that-dodiks-guilty-verdict-will-have-harmful-consequences/; vgl. https://n1info.ba/english/news/kremlin-warns-of-negative-consequences-after-dodiks-verdict/.

[14] Vgl. https://www.europarl.europa.eu/delegations/en/leading-meps-urge-the-eu-to-finally-impo/product-details/20230704DPU36681.

[15] Vgl. https://www.kas.de/de/web/bosnien-herzegowina/einzeltitel/-/content/rede-des-hohen-repraesentanten-auf-dem-adenauer-europa-forum-in-sarajevo.

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Stephan Georg Raabe

Stefan Georg Raabe

Leiter des Auslandsbüros Bosnien und Herzegowina in Sarajevo

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