Neues Wahlgesetz minimiert Kandidatenfeld bereits im Vorfeld
Am 11. April 2021 sind nun rund 5,5 Mio. Wahlberechtigte zur Neuwahl ihres Präsidenten aufgerufen. 20 Bewerber und Bewerberinnen reichten Anfang Februar ihre Unterlagen für eine Kandidatur ein, letztendlich ließ die unabhängige nationale Wahlkommission CENA aber nur drei Dossiers zur Wahl zu. Die meisten scheiterten an den neu eingeführten formellen Voraussetzungen einer Kandidatur im Zuge der Wahlrechtsreform Ende 2019 wie z.B. an der notwendigen Unterstützung durch eine erforderliche Anzahl von Abgeordneten der Nationalversammlung. Die neue Verfassung von 2019 sieht außerdem die gleichzeitige Wahl eines Vize-Präsidenten vor. Durch diese Regelungen ergeben sich die folgenden zugelassenen Kandidatenpaare:
Patrice Talon, amtierender Staatspräsident, mit Mariam Chabi Talata Zime, aktuelle Vize-Präsidentin der Nationalversammlung; letztere ist der Partei Union Progressiste zugehörig;
Alassane Djimba Soumanou, ehemaliger Minister für Bildung und Ausbildung unter Ex-Präsident Boni Yayi, und Paul Hounkpè, Exekutivsekretär der Partei, für die Oppositionspartei FCBE;
Corentin Kohoué, ehemaliger Präfekt der südlich gelegenen Departements Mono und Couffo, mit Irenée Agossa, welche unter Bony Yayi Leiter des Petro-Staatsunternehmens Sonacop war; beide wurden kurzfristig aus den Reihen der Partei Les Démocrates ausgeschlossen und treten nun für die Bürgerbewegung „Restaurer la confiance“ an.
Talon, gebürtig aus der Hauptstadt Porto Novo im Süden des Landes, hat mit der aus dem Nordteil des Landes stammenden Talata Zime eine bewusste Wahl getroffen. Eine weibliche Kandidatin als Vize-Präsidentin lässt ihn in der sehr traditionell geprägten beninischen Gesellschaft nicht nur modern wirken, sondern er weiß auch, welche zentrale Rolle die regionale und ethnische Zugehörigkeit in Machtfragen in Benin spielt.
Aus dem Kandidatentableau lässt sich bereits schließen, dass dem amtierenden Präsidenten keine einheitliche Oppositionsfront mit einem gemeinsamen Kandidaten gegenübersteht. Im Gegenteil ließen die vergangenen Wochen eher auf eine tiefe Spaltung der Opposition schließen. Talon dürfte dies mehr als Recht sein. Seit gut zwei Jahren setzt er vieles daran, die ehemals unübersichtliche und stark regional geprägte beninische Parteienlandschaft in einen neuen Rahmen zu pressen und ernsthafte Konkurrenz aus dem Rennen zu halten. Der aussichtsreiche unabhängige Kandidat Joël Aïvo, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Abomey-Calavi, darf ebenso nicht an der Wahl teilnehmen wie die einflussreiche Reckya Madougou, ehemalige Justizministerin unter Präsident Boni Yayi. Letztere wurde Anfang März unter dem Vorwurf festgenommen, Teil einer kriminellen Vereinigung zu sein und terroristische Anschläge zu planen. Die beninischen Behörden werden für dieses Vorgehen nach wie vor stark kritisiert. Ein politischer Analyst, der seinen Namen nicht zitiert sehen möchte, unterstrich deutlich, dass die aus dem nördlichen Parakou stammende Madougou mit ihrem einflussreichen und weit über Benin hinausreichenden Netzwerk und ihren finanziellen Mitteln Talon mehr als gefährlich hätte werden können. Eine Stimme aus der Opposition wurde angesichts dieser Entwicklungen sogar mit den Worten zitiert, dass die Demokratie in Benin im Sterben läge und der Kampf für ihre Wiederherstellung fortgesetzt werden müsse.
Die Europäische Union zeigt sich besorgt ob der angespannten Atmosphäre im Land, nicht zuletzt aufgrund der schon schlechten Sicherheitslage im Norden, wo das Land 550 Kilometer Grenze mit den Sahel-Staaten Burkina Faso und Niger teilt. Ein Sprecher des Außenbeauftragten Josep Borrell rief in einer Erklärung alle politischen, institutionellen und zivilgesellschaftlichen Akteure dazu auf, dem Dialog Vorrang einzuräumen, jegliche Gewalt abzulehnen und die Rechtsstaatlichkeit und die Grundfreiheiten zu achten. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft CEDEAO/ECOWAS wird die Wahlen zum einen mit einer 80-köpfigen Kurzzeitmission beobachten und ist zum anderen bereits mit einer 12-köpfigen Langzeitmission vor Ort.
Tendenz zur Strongman-Politik setzt sich fort
Seit seinem Amtsantritt polarisiert Talon die beninische Politik und hat erfolgreich Elemente einer Strongman-Governance eingeführt. Der Charakter der oft als modellhaft beschriebenen beninischen Demokratie hat sich bereits nachhaltig verändert, wobei die oft zitierte demokratische Beispielhaftigkeit des Landes rückblickend oft übertrieben erscheint. So waren in der Vergangenheit politische Parteien ebenso vielmehr unideologische Wahlvereine als wahrhafte demokratische Optionen und das gesamte Gesellschaftssystem von Korruption durchsetzt. Unabhängig von der politischen Färbung hat auch in der Vergangenheit keine politische Führung eine inklusive Entwicklung des Landes erreichen können oder wollen.
Die autoritäre Regierungsführung Talons tritt vor allem seit den Parlamentswahlen vom April 2019, an denen seit der demokratischen Öffnung Anfang der 1990er Jahre zum ersten Mal keine Oppositionspartei teilnahm, besonders deutlich hervor. Seine Reform des Parteiensystems führte dazu, dass nur zwei Parteien – nämlich der Bloc Républicain und die Union Progressiste – an der Wahl teilnehmen konnten. Beide Parteien unterstützen den Präsidenten, welcher offiziell weiterhin parteilos agiert, aber alle 83 Abgeordneten der Nationalversammlung hinter sich weiß und sich dieser Unterstützung auch bei der Verfassungs- und Wahlrechtsreform Ende 2019 sicher sein konnte. Diese Reformen führten ein sogenanntes „Parrainagesystem“ ein, wonach Wahlkandidaten sich in Parlament und Kommunalpolitik um Paten bemühen müssen, die ihre Kandidatur offiziell unterstützen. Die Kommunalwahlen im Mai 2020, zu denen neben den beiden Pro-Talon-Parteien nur eine weitere Partei zugelassen war, gingen mit 71 von 77 Bürgermeistern ebenfalls an die Regierung, die nun über 154 von 160 solcher Paten (83 Abgeordnete der Nationalversammlung plus 77 Bürgermeister) verfügt.
Demokratische Rückschritte
Zusammenfassend beklagt die westafrikanische Denkfabrik Afrikajom seit der Amtsübernahme Talons eine neue Qualität der Machtkonzentration der Exekutive, die sich negativ auf die institutionelle Rolle von Parlament, Justiz und Verfassungsgericht auswirkt. Der lokale Think Tank Social Watch um seine Präsidentin Blanche Sonon brachte es wie folgt auf den Punkt: „Eine Wahl kann nur dann als demokratisch gelten, wenn sich politische Kräfte der Regierung im Wettbewerb mit politischen Kräften der Opposition wiederfinden.“
Die demokratischen Rückschritte des Landes werden international wahrgenommen, auch wenn das kleine Benin im Vergleich zu Côte d’Ivoire oder Ghana vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit bekommt. Im Jahresbericht 2020 der renommierten Nichtregierungsorganisation Freedom House hat Benin mit 13 Punkten den stärksten Jahresrückgang in Bezug auf seine Vorjahreswertung zu verzeichnen. Mit nunmehr 66 von100 möglichen Punkten verschwand es aus den Top Ten der Demokratien in Afrika und musste sein Label „free“ für die Bewertung „partly free“ eintauschen. Auch der Demokratie-Index der Londoner Denkfabrik The Economist Intelligence bestätigt diesen Trend in seinem aktuellen Demokratieindex.
Talon führt das Land wie eine Firma
Talon dürfte all das aber wenig interessieren. Er sieht zahlreiche Schwächen im westlichen Demokratiesystem und zeigt sich chinesischen und türkischen Partnern offen. Der beninische Präsident ist laut dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes einer der reichsten Männer Westafrikas. Seit den 1990er Jahre hat er im Baumwoll-, Transport- und Hotelgewerbe ein Firmenimperium aufgebaut, und hörte auch in seiner Funktion als Staatspräsident nie auf, nach unternehmerischen Maximen zu handeln. Seine Kritiker werfen ihm genau das vor. Sein Fokus auf Effizienz, Rentabilität und Nachhaltigkeit habe die demokratische Kultur in Benin zerstört und käme letztendlich nur ihm selbst zugute. Talon bewertet auch das anders. Kategorisch dementiert er jedweden Interessenkonflikt. Ein Staatsoberhaupt müsse sogar wie ein Unternehmenschef handeln, um nachhaltige Lösungen zu finden, die den Wohlstand der Mehrheit der Bevölkerung erhöhen. Seine Anhänger loben ihn für seine Bilanz. Gérard Gbénonchi, Abgeordneter der Union Progressiste, sagte der Wochenzeitschrift Jeune Afrique: „Das Land hat ein Niveau an Infrastruktur erreicht, welches es seit der Unabhängigkeit [1960] noch nicht gegeben hat. Und man schaue nur auf die guten Ergebnisse, die wir beim Internationalen Währungsfonds oder den Ratingagenturen haben: sein Mandat hat sich in jeder Hinsicht ausgezahlt, sei es wirtschaftlich oder politisch.“
Talon selbst überschrieb seine erneute Kandidatur dann auch mit der Notwendigkeit, gute Regierungsführung nachhaltig zu gestalten, bis sie eine Errungenschaft für jeden und für alle ist. Er wolle „in der Dynamik bleiben" und sich weiterhin für tiefgreifende Reformen einsetzen. In der Bevölkerung kommt dies bisweilen gut an. Positiv erwähnt wird regelmäßig der gelungene Kampf gegen die bis dato allgegenwärtige Korruption, zumindest auf der spürbaren Alltagsebene wie in der Auseinandersetzung mit der öffentlichen Verwaltung oder der Polizei. Auch die zahlreichen infrastrukturellen Verbesserungen im Land werden als Fortschritt wahrgenommen ebenso wie die Wiederbelebung der öffentlichen Schulen mit mehr Lehrkräften, besserem Material und Schulessen für die Kinder. Inklusiv und sozial ausgewogen erscheinen die Entwicklungsfortschritte bislang jedoch (noch) nicht.
Während es also auf der entwicklungspolitischen Habenseite im engeren Sinne auch Positives zu vermelden gibt, scheint es in den Bereichen Demokratie und Bürgerrechte unter Talon zu Rückschritten zu kommen. Manchmal scheint es, als könnten Land und Leute seinem kompromisslosen Reformeifer schlichtweg nicht folgen können. Die Wahl selbst verspricht wenig spannend zu werden. Mathias Hounkpè, Leiter der Open Society Initiative für Westafrika, formulierte es so: „Ja, ich gehöre zu denen, die glauben, dass diese Wahlen eigentlich nur Talon gegen Talon bedeuten“ und er macht dies hauptsächlich am Parrainagesystem aus. „Die Paten gehören fast ausschließlich den beiden politischen Parteien an, die den Präsidenten unterstützen. Die beiden Gegenkandidatenpaare haben die Zulassung zur Wahl nur bekommen, weil diese beiden Parteien es wollten.“
Sobre esta serie
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