Reportajes internacionales
Parteipolitische Unbeständigkeit
Auch politisch interessierte Südkoreaner kommen kaum noch hinterher. Neugründungen, Abspaltungen und Fusionen beherrschen die Parteienlandschaft Anfang des Jahres 2018. Das ist nicht gänzlich ungewöhnlich, der koreanische Politikbetrieb kennt harte und unerbittliche Auseinandersetzungen. Aktuell erregen besonders die kleineren Parteien mediale Aufmerksamkeit. Die nominelle Ausgangslage im Parlament (296 Sitze, Stand 31. Januar 2018) sieht die Fraktionen derzeit bei 121 (Minjoo, progressive Partei von Präsident MOON Jae-in), 117 (Liberal Korea Partei, LKP, konservativ), 39 (People’s Party, mitte/liberal), 9 (Bareun-Partei, mitte-konservativ) und 6 (“Justice Party”, „Arbeitnehmerpartei“) Abgeordneten.
Das südkoreanische Parteiensystem ist also einmal mehr in Bewegung geraten. AHN Cheol-soo ist Chef der von ihm am 2. Februar 2016 in Daejeon gegründeten People’s Party. Seine Partei zerfällt keine 24 Monate nach ihrer Gründung bereits wieder in zwei Teile. Auslöser für die Spaltung war die intern höchst umstrittene Entscheidung der Parteiführung, die People’s Party mit der Bareun-Partei zu fusionieren. Mit Blick auf die landesweiten Regionalwahlen im kommenden Juni soll so die strategische Ausgangslage verbessert werden. Denn in Korea orientieren sich Wähler besonders an der regionalen Herkunft der Kandidaten. Dementsprechend erhalten die Kandidaten aus ihrer jeweiligen Heimatregion besonders viele Stimmen. Bislang sind die beiden Parteien daher nur in „ihren“ Regionen verankert. Durch die Fusion hoffen sie auf eine breitere Wählerbasis.
Die Fusionspläne haben die People’s Party also gespalten. Die innerparteilichen Gegner von AHN Cheol-soo haben sich bereits aus der gemeinsamen Partei verabschiedet und sich zu einer neuen Partei, der sogenannten “Partei für Demokratie und Frieden“, zusammengeschlossen. 179 aus der People’s Party ausgetretene Mitglieder, unter ihnen 16 Abgeordnete mit dem früheren Fraktionschef PARK Jie-Won und dem Ko-Vorsitzenden CHUN Jung-Bae, beteiligen sich als Initiatoren an der neuen Bewegung. Starke persönliche Beziehungen und Wahlzusammenschlüsse dominieren, wie auch dieses Beispiel zeigt, die politische Arena in Südkorea und sind entscheidender als Parteiprogramme.
Noch jünger als die People’s Party ist die im Januar 2017 in Seoul gegründete Bareun-Partei. Für eine feierliche Zeremonie zum einjährigen Jubiläum bleibt hingegen keine Zeit. Nur ein Jahr nach Parteigründung feilt der Vorsitzende YOO Seung-min bereits am Zusammenschluss seiner Bewegung mit der People’s Party. Die noch junge Partei ist wegen der Fusionsabsichten ebenfalls in politisch schweres Fahrwasser geraten.
Die offizielle Deklaration des Zusammenschlusses von People’s Party und Bareun-Partei durch AHN und YOO soll Mitte Februar auf einem Parteitag vollzogen werden – unter der Projektbezeichnung „Partei für Reform und Einheit“. Das Komitee für die Fusion der beiden Parteien sucht öffentlichkeitswirksam nach einem Namen für die neue politische Strömung. Ob der Zusammenschluss am Ende allerdings auch wirklich zustande kommt, ist offen. Denn die Kritik ist in beiden Teilparteien groß. Inhaltliche Differenzen könnten den Zusammenschluss verhindern. Ein gemeinsamer politischer Kurs ist nicht erkennbar. Deutliche Unterschiede gibt es zum Beispiel in der Nordkoreapolitik. So ist die Bareun-Partei weitaus zurückhaltender gegenüber Nordkorea und plädiert gegen eine Aussetzung der gemeinsamen südkoreanisch-amerikanischen Militärmanöver. Die People’s Party hingegen befürwortet mehrheitlich den Dialogprozess mit dem nördlichen Nachbarn. Kann diese strategische Hochzeit zwischen Parteien deshalb überhaupt funktionieren? Oder bleiben die Gräben am Ende unüberwindbar?
Politische Goldmedaille für Nordkorea?
Seit der Neujahrsansprache KIM Jong-uns ist die Nordkoreapolitik in Bewegung geraten. Anlass sind die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang. Was hat Südkorea zu gewinnen, was steht auf dem Spiel?
Seit zwei Jahren lagen die Beziehungen zwischen Süd- und Nordkorea auf Eis. Die Kommunikationskanäle zwischen den beiden Koreas ruhten. Die jetzt erfolgte Wiederaufnahme der Gespräche gibt der im Mai 2017 ins Amt gewählten südkoreanischen Regierung erstmals seit Langem wieder neues Gewicht. Zuvor war in südkoreanischen Medien regelmäßig von “Korea Passing” die Rede. Die wichtigen Entscheidungen über die Zukunft der koreanischen Halbinsel wurden in Washington, Peking oder Pjöngjang getroffen. Seoul und die Administration von Präsident MOON Jae-in saßen bestenfalls auf dem Beifahrersitz. Das hat sich seit Jahresbeginn geändert. Durch die direkten Gespräche zwischen Süd- und Nordkorea kann Seoul die angestrebte gestaltende Rolle einnehmen.
Doch die Entwicklung birgt für Südkorea auch eine Reihe politischer Risiken. Denn überhaupt nur mithilfe des „südkoreanischen Bruders“ erscheint Nordkorea wieder auf der internationalen Bühne. Die konservative Opposition in Südkorea befürchtet, dass der Norden die Wettkämpfe und das kulturelle Rahmenprogramm als Propagandabühne nutzen könnte und so aus den Pyeongchang Olympics die „Pjöngjang Olympics“ macht. Als Affront empfinden viele Südkoreaner zudem die kurzfristig vom Norden angekündigte Parade anlässlich des Gründungstages der Volksarmee am 8. Februar 2018, nur einen Tag vor der offiziellen Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Pyeongchang.
Kritiker befürchten außerdem, dass das Sanktionsregime durchlöchert wird. So dürfen Häfen und Flughäfen im Norden beispielsweise aufgrund der mit der VN-Resolution 2270 weiter verschärften Sanktionen nicht mehr angelaufen werden. Die jüngst mit einem Charterflugzeug erfolgte Reise einer südkoreanischen Ski-Auswahl zum gemeinsamen Training im nordkoreanischen Skigebiet Masikryong konnte nur nach intensiver Diskussion mit der US-Regierung erfolgen. Eigentlich ein Paradox: Denn ausländischen Schiffen und Flugzeugen, die in Nordkorea Station gemacht haben, ist es gemäß den US-Sanktionen für 180 Tage untersagt, die USA anzusteuern. Scharfe Sanktionen einerseits, eine direkte Reise von Sportlern in den Norden und gemeinsame Trainings andererseits: Wie passt das zusammen? In diesem Zusammenhang treten die Differenzen mit den USA zunehmend deutlicher zu Tage. So fordert die amerikanische Regierung eine weitere Verschärfung der Sanktionen. Südkorea hingegen setzt auf Dialog mit dem Regime im Norden.
Sport ist in Südkorea stark politisiert. In besonderem Maße gilt das für die Winterspiele in Pyeongchang. Der Einfluss von Politik und Wirtschaft auf den Sport wird in diesen Tagen besonders sichtbar. Zum Schaden des Sports. So empfinden viele Südkoreaner die Entscheidung, ein gemeinsames Team aus süd- und nordkoreanischen Eishockeyspielerinnen zu bilden, als rein politisch motiviert. In rasantem Tempo wurde – ohne Konsultation mit Sportlern und Trainern – entschieden, dass die Teams fusioniert werden. Nach jahrelanger Olympiavorbereitung waren Unverständnis und Frust bei den „aussortierten“ südkoreanischen Sportlerinnen und dem Trainerstab groß. Ein sportlich sinnvolles Teamspiel lässt sich in rund zwei Wochen kaum erreichen.
Diese Kontroversen haben die bis dahin hohe Popularität des südkoreanischen Präsidenten in Mitleidenschaft gezogen. Gleich in mehreren Umfragen, so u.a. in der jüngsten von „Gallup Korea“, hat MOON Jae-in den Spitzenplatz unter den koreanischen Politikern abgegeben. Im Wochenvergleich sank seine Beliebtheit um 6 Prozent. Besonders groß war die Enttäuschung in der Altersgruppe der 20- bis 30-jährigen, die frustriert sind über die Eingriffe der Politik in den südkoreanischen Sport.
Obwohl die Olympischen Spiele noch nicht einmal begonnen haben, scheint ein Gewinner jetzt schon festzustehen: das nordkoreanische Regime. Erst in einigen Wochen wird man sehen, ob auch für Gastgeber Südkorea politisch etwas herausspringt.
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Auslandsbüro Korea
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