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Kommunalwahlen in Albanien

Die Sozialistische Partei gewinnt die meisten Gemeinden bei den Kommunalwahlen in Albanien. Die Opposition wirft Wahlbetrug vor.

Am 14. Mai wurden in ganz Albanien Bürgermeister und Gemeinderäte neu gewählt. Die Mehrzahl der Bürgermeisterposten gewann die Sozialistische Partei von Premierminister Edi Rama. Die Koalition „Bashkë Fitojmë“ von Sali Berisha und Ilir Meta konnte nur einige kleinere Gemeinden gewinnen, die Demokraten unter Enkelejd Alibeaj gar keine.

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Knapp 3,6 Millionen Albanerinnen und Albaner waren am vorletzten Sonntag aufgerufen, ihre Bürgermeister und Stadträte in 61 Gemeinden des Landes neu zu wählen. Allerdings nahmen nur 1,4 Millionen Menschen ihr Wahlrecht wahr. Durch den Gewinn von 53 Bürgermeisterämtern konnten die Sozialisten ihre Machtstellung im Land weiter festigen. Die Demokratische Partei, welche die letzten Kommunalwahlen 2019 boykottiert hatte, trat durch den internen Streit dieses Mal getrennt an. Dabei konnte lediglich die gemeinsame Koalition von Sali Berisha und Ilir Meta in sieben Gemeinden das Rathaus erobern. Die offiziell registrierte Demokratische Partei gewann lediglich einige Mandate in den Stadträten. Während es am Wahltag größtenteils ruhig blieb, gab es wie schon bei den letzten Wahlen Vorwürfe der Wahlfälschung und des Stimmenkaufs.

 

Die Ergebnisse der Wahl im Überblick

Bei den Kommunalwahlen am 14. Mai 2023 wurden wie bisher in 61 Gemeinden Bürgermeister und Stadträte gewählt. Die Bürger konnten zwei Stimmzettel ausfüllen. Zum einen für die namentliche Direktwahl des jeweiligen Bürgermeisters, zum anderen für die Liste der Parteien zum Stadtrat. Die Wahl der Bürgermeister fand nach dem „first-past-the-post“-System, d.h. ohne Stichwahl, statt. Die Verteilung der Stadtratsmandate erfolgte nach dem D’Hondt-Verfahren gemäß der prozentualen Stimmenverteilung auf die jeweiligen Parteilisten. Zur Wahl zugelassen waren landesweit 38 Parteien, die mit 135 Kandidatinnen und Kandidaten für die 61 Bürgermeisterposten antraten. Für die Ämter der Stadträte gab es insgesamt mehrere tausend Bewerber.

Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis der Zentralen Wahlkommission (ZWK)[i], waren 3.650.202 Albanerinnen und Albaner wahlberechtigt. Davon nahmen 1.395.627 Personen an der Wahl teil, was einer Wahlbeteiligung von 38,23 % entspricht.[ii] Dies war noch niedriger als bei den vergangenen Parlamentswahlen 2021, wo 46,33 % der Wahlbeteiligten abstimmte. Insbesondere die geringe Zahl an Erstwählern springt dabei ins Auge. Von den 122.545 Wählerinnen und Wählern, die am 14. Mai zum ersten Mal wählen durften, haben nach Angaben der ZWK nur 16.628, oder 13,5 %, von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

Insgesamt hat die Sozialistische Partei (SP) 53 von 61 Bürgermeisterposten gewonnen. Die Partei der griechischen ethnischen Minderheit für die Zukunft Albaniens gewann erneut ein Mandat im Süden des Landes, im Kreis Finiq. Die Koalition „Bashkë Fitojmë" (BF, „Gemeinsam gewinnen wir“) des ehemaligen Premierministers Sali Berisha und der Freiheitspartei (FP) des ehemaligen Präsidenten Ilir Meta gewann in sieben Gemeinden: Kavaja, Puka, Has, Himara, Memaliaj, Mirdita and Fushë Arrëz. Bezüglich der Stadträte gewann die SP insgesamt 756, BF 292, die DP 124 und die Sozialdemokratische Partei (PSD) von Tom Doshi 116 Mandate.

 

Geringe Erwartungen der Bürger an die Versprechungen vor der Wahl

Der politische Kampf, das Taktieren, die Auswahl der Kandidaten und die Arbeit der wichtigsten politischen Gremien vor Ort hatten bereits Ende letzten Jahres begonnen. So begann die von Sali Berisha geführte DP-Seite am 4. Dezember 2022 mit der Auswahl der Bürgermeisterkandidaten in ihren Ortsverbänden durch Vorwahlen. So fand zum Beispiel in der Hauptstadt Tirana ein Rennen statt, bei dem sich Belind Këlliçi, der ehemalige Vorsitzende des Jugendforums der DP, und der Arzt Ilir Alimehmeti für die Stichwahl qualifizierten. Einen Tag später, am 5. Dezember, zog sich Alimehmeti zurück und bot Këlliçi seine Unterstützung an. Die BF-Oppositionskoalition bestand neben Berisha und der FP von Meta aus der Christdemokratischen Partei von Nard Ndoka und der Menschenrechtspartei von Vangjel Dule, einer Partei der griechischen Minderheit. Die Koalition "Together We Win" wurde am 15. März offiziell begründet und eröffnete am 16. April offiziell den Wahlkampf, wobei sie in allen 61 Gemeinden des Landes antrat.

Die DP-Seite unter Enkelejd Alibeaj, welche aufgrund der bis dato nicht rechtskräftig entschiedenen Vertretungsfrage der DP und durch Entscheidung der ZWK mit dem Logo der Demokratischen Partei zur Wahl antrat, führte keine Vorwahlen durch, sondern ernannte die Kandidaten durch einen Vorstandsbeschluss. Es gelang jedoch lediglich in 14 Gemeinden Kandidaten für die Bürgermeisterämter aufzustellen. Die SP, die seit 2019, als die DP die Wahlen boykottierte, in 60 der 61 Gemeinden des Landes regierte, bestätigte in einem internen Leistungsbewertungsprozess die meisten der regierenden Bürgermeister und stellte sie wieder zur Wahl auf.

Auch bei diesen Wahlen dominierte der Kampf der Parteien über das programmatische Rennen der Kandidaten. Während es in einigen Gemeinden einen spezifischen Diskurs gab, der von lokalen Angelegenheiten bestimmt war, führten die Parteien effektiv eine landesweite Kampagne, wobei die SP die Fortsetzung des infrastrukturellen Fortschritts betonte und die Opposition sich vor allem auf Fragen der Korruption, der Misswirtschaft öffentlicher Gelder und der Migration bezog. Der Wahlkampf war teilweise geprägt durch eine konfrontative Rhetorik und Stil, u. a. durch Plakate und Videospots, insbesondere auf Seiten der SP.

Die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an grundlegende Veränderungen in ihrer kommunalen Verwaltung waren dementsprechend eher gering und für die meisten von ihnen war dieser Wahlkampf ein Déjà-vu dessen, was sie in den letzten vier Jahren erlebt haben. Trotz der Versprechungen und der Rhetorik der verschiedenen Kandidaten scheinen die Bürger immer noch wenig Vertrauen in die Einhaltung dieser Versprechen und deren Umsetzung in konkrete Taten zu haben – was auch ein Grund für die niedrige Wahlbeteiligung sein mag.

Hinzu kommt, dass die Hauptquelle der finanziellen Unterstützung für (Infrastruktur-)Projekte von der Zentralregierung kommt, die die Mittel und Entwicklungsprojekte vieler Regionen zentralisiert hat. So drohte Premierminister Rama vor der Wahl, nur die Gemeinden zu finanzieren, in denen seine Sozialistische Partei gewinnen würde. Diese Drohung erschien glaubwürdig, wenn man sieht, wie wenig Geld die nationale Regierung beispielsweise für die Stadt Shkodra, die 32 Jahre von den Demokraten regiert wurde, oder für andere Regionen, in denen die Sozialisten keine nennenswerte Wahlmacht haben, in der Vergangenheit bereitgestellt hatte.

 

Problematische Wahlgeschenke

Bereits bei den vergangenen Wahlen war die politische Landschaft in Albanien von einer starken Polarisierung der gegensätzlichen politischen Lager sowie einigen Skandalen geprägt. So zeigten zum Beispiel im Januar 2019 von Voice of America (VoA) veröffentlichte Mitschnitte aus einer staatsanwaltschaftlichen Untersuchung eine enge Zusammenarbeit zwischen lokalen Kriminellen und dem damaligen sozialistischen Bürgermeister von Durrës bei Aktivitäten zum Stimmenkauf und zur Einschüchterung von Wählern während der Parlamentswahl 2017. So gab es auch im Vorfeld zu diesen Wahlen früh die Vorwürfe von Seiten der Opposition, dass der gesetzliche Rahmen, insbesondere die Wahlkampffinanzierung, sowie die Anforderungen der OSZE nicht eingehalten würden, was jedoch von der sozialistischen Mehrheit zurückgewiesen wurde.

Leider hat Albanien bisher keine Wahlrechtsreform in vollem Einklang mit früheren Empfehlungen von OSZE/ODIHR durchgeführt – obgleich dies bereits seit 2020 eine der Bedingungen der EU für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen ist. Diese sollte auch eine transparente Finanzierung der politischen Parteien und des Wahlkampfes beinhalten. Die chronische Straflosigkeit des Stimmenkaufs, die Inanspruchnahme der öffentlichen Verwaltung, die Verwendung öffentlicher Gelder für Wahlkampfinvestitionen, Einschüchterung und Drohungen oder Wahleinsätze haben daher auch dieses Mal das Vertrauen der Bürger in die freie Wahl geschwächt.

Die Regierung hatte im Vorfeld der Wahl unter anderem Gehaltserhöhungen und finanzielle Unterstützung für verschiedene Personengruppen versprochen. Auf der Sitzung vom 12. Dezember beschloss der Ministerrat, Mittel für neun Gemeinden für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben von 2019 und für öffentliche Investitionen bereitzustellen. Nach Angaben des Balkan Investigative Research Network (BIRN) waren von den rund 10 Milliarden Lek (89 Millionen Euro), die durch bedingungslose Transfers zugewiesen wurden, 6,6 Milliarden für die Gemeinde Tirana bestimmt – und zwar in Form von Einzelzuschüssen, Wiederaufbau oder Reparaturen von Gebäuden, Schulen, etc. Andere Gemeinden, die vor den Kommunalwahlen individuelle Zuschüsse für die Folgen des Erdbebens vom November 2019 und Mittel für öffentliche Investitionen erhalten haben, waren Durrës, Vora, Shijaku, Kruja Kamza, Kurbini, Lezha und Mirdita. Darüber hinaus beschloss die Regierung am 29. Dezember, 8 Mrd. Lek in Form von Geldprämien an fast eine Million albanische Bürger zu verteilen, angefangen bei Rentnern, Krankenschwestern, bedürftigen Familien und anderen. In einer außerordentlichen Sitzung des Ministerrats am 7. April 2023 genehmigte Premierminister Rama schließlich eine Gehaltserhöhung für die öffentliche Verwaltung. Das Wahlgesetz für die Parlamentswahlen verbietet der Regierung in der Regel zwar bereits jetzt solche Maßnahmen kurz vor den Wahlen, aber für die Kommunalwahlen ist bisher keine solche Sanktion vorgesehen. Moralisch und politisch gesehen, hat jedoch die Regierungspartei einen klaren Vorteil durch die Verteilung solcher „Wahlgeschenke“.

 

Verhaftung eines Kandidaten vor der Wahl

Das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) war, wie bei den vergangenen Wahlen, auf Einladung Albaniens mit einer Wahlbeobachtungsmission präsent. Die Mission wurde von Botschafterin Audrey Glover geleitet, die bereits in der Vergangenheit zur Wahlbeobachtung im Land war. Insgesamt bestand das Kernteam aus 13 Experten mit Sitz in Tirana sowie 24 Langzeitbeobachtern, die ab dem 13. April im ganzen Land eingesetzt wurden. Kurz vor dem Wahltag selbst trafen zudem über 250 Kurzzeitbeobachter ein.

Im Gegensatz zu den letzten Parlamentswahlen, bei denen es in der Woche vor der Wahl zu teils gewaltsamen Konflikten in einigen Städten kam und in Elbasan sogar eine Person bei einem Streit erschossen wurde, blieb es bei den kommunalen Wahlen glücklicherweise ruhig. Gemäß Einschätzung der ODIHR-Mission wurden die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit insgesamt respektiert und die Parteien konnten frei für sich werben, obwohl in Einzelfällen von Einschüchterungsversuchen gegenüber Oppositionsanhängern berichtet wurde. Zudem gab es Berichte über Fälle, bei denen Angestellte von Gemeinden aufgefordert wurden, die SP zu unterstützen, für sie zu stimmen oder in denen sie davor gewarnt wurden, die Opposition zu unterstützen.

Für einen Skandal sorgte jedoch die Verhaftung des Oppositionskandidaten Alfred „Fredi“ Beleri kurz vor der Wahl in Himarë im Süden des Landes. Beleri, Mitglied der griechischen Minderheit in Albanien, war Bürgermeisterkandidat für die Menschrechtspartei im Rahmen der „Bashkë Fitojmë"-Koalition. Am 12. Mai, am Freitag vor der Wahl, wurde er in den frühen Morgenstunden verhaftet. Die Polizei und Staatsanwaltschaft warfen ihm Stimmenkauf vor und behaupteten, ihn „in flagranti“ dabei erwischt zu haben. Diese Vorwürfe wurden von Beleris Anwalt vehement zurückgewiesen. Der Vorfall sorgte für diplomatische Verstimmungen zwischen Griechenland und Albanien. So überlieferte die griechische Botschaft eine Protestnote an das albanische Außenministerium. Der griechische Regierungschef, Kyriakos Mitsotakis, warnte vor einer Auswirkung auf die EU-Integration Albaniens, sollten die Rechte der griechischen Minderheit nicht geschützt werden. Trotz seiner Verhaftung gewann Beleri die Wahl am Sonntag sehr knapp mit 19 Stimmen Unterschied gegenüber dem Amtsinhaber Jorgo Goro von der SP. Nach der Wahl wurde Beleri von Vertretern des griechischen Außenministeriums im Gefängnis besucht und man erwartet nun die nächsten Schritte der Justiz.

 

Ruhiger Wahltag mit einigen Problemen

Trotz einiger Befürchtungen im Vorfeld verlief der Prozess der Stimmabgabe größtenteils ruhig und ohne größere Zwischenfälle. Laut des vorläufigen Berichts der Internationalen Wahlbeobachtermission (IEOM) gab es unter anderem, wie bei den vergangenen Wahlen, Probleme mit den Geräten für die elektronische Identifizierung. Zudem öffneten einige Wahllokale erst mit Verzögerung. Trotz des insgesamt ruhigen Verlaufs gab es vereinzelte Zwischenfälle, die festgestellt wurden.

Die IEOM-Beobachter sahen Anzeichen dafür, dass Wähler außerhalb einiger der beobachteten Wahllokale dazu veranlasst oder gezwungen wurden, für eine bestimmte Partei zu stimmen, Weiterhin wurden teils unbefugte Personen festgestellt, in der Regel Parteiaktivisten, die teilweise auch in den Wahlvorgang eingriffen oder ihn leiteten. Die IEOM-Beobachter bewerteten die Stimmabgabe in 7 % der beobachteten Wahllokale negativ. „Eine hohe Zahl, die Anlass zur Sorge gibt“, so der vorläufige IEOM-Bericht.

Am Wahltag gingen bei der ZWK 44 Anzeigen ein, meist wegen Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe, darunter Stimmenkauf, Einschüchterung von Wählern und „family voting“. Die Staatspolizei teilte mit, dass sie fünf Straftaten bei den Wahlen festgestellt habe und ein Bürger verhaftet worden sei, während acht weitere Verfahren eingeleitet wurden. In einer offiziellen Mitteilung teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Freitag nach der Wahl mit, dass neun Anzeigen von politischen Einrichtungen und Institutionen eingereicht wurden, während insgesamt 31 Strafanzeigen registriert wurden. Dem Bericht zufolge wurden sechs Personen auf frischer Tat festgenommen, allerdings nur eine Person in Untersuchungshaft verbracht.

 

Freude bei der SP, Betrugsvorwürfe bei der Opposition

Bei der Sozialistischen Partei war die Freude über die eigenen Erfolge naturgemäß groß. Premierminister Rama bedankte sich auf Facebook bei den Wählern und kündigte eine „Danke-Tour“ durch verschiedene Städte an, beginnend in Shkodra. Der wiedergewählte Bürgermeister von Tirana, Erion Veliaj, sagte, dass er in der kommenden Amtszeit ein Bürgermeister für alle Einwohner von Tirana sein möchte – Sozialisten und Demokraten.

Im Nachgang der Wahl wurden, insbesondere von Seiten der unterlegenen Parteien, Vorwürfe der Wahlmanipulation laut, insbesondere hinsichtlich möglicher Wählerbeeinflussung sowie des Missbrauchs von öffentlichen Geldern im Vorfeld der Wahl.  Der ehemalige Ministerpräsident Sali Berisha bekräftigte mehrmals, dass er das Ergebnis der Kommunalwahlen nicht anerkennen werde. Man habe Beweise, dass Stimmen für Beträge zwischen 300 und 500 Euro gekauft worden seien. Zudem hätten 20.000 Bürger im ganzen Land vor der Wahl wirtschaftliche Hilfe vom Staat erhalten und 10.000 weitere seien als Zeitarbeiter eingestellt worden. Daneben seien auch andere, nicht legale Formen verwendet worden, um die Stimmen der Bürger zu kaufen, wie zum Beispiel durch Subventionen und Ausschreibungen. Schließlich betonte er, dass ein Indikator für den Wahlbetrug auch die Rekordabwertung des Euro gegenüber dem albanischen Lek während des Wahlkampfes und sein sofortiger Anstieg nach den Wahlen sei. Ein solcher Kurssturz könne nur durch den Einsatz von Hunderten von Millionen Euro in kurzer Zeit herbeigeführt werden, so Berisha.

Auf der anderen Seite gab es auf Seiten der Opposition jedoch auch selbstkritische Stimmen. Der Kandidat der BF-Koalition für Tirana, Belind Këlliçi, sagte, das Ergebnis spiegele nicht den Willen der Bürger wider, sondern sei von der staatlichen Maschinerie der SP-Wahlkampagne beeinflusst. Er räumte jedoch ein, dass die Opposition nach dem Ergebnis nachdenken müsse: „Unsere Gesellschaft braucht offensichtlich etwas anderes und erwartet mehr von uns. Wir alle müssen über das Geschehene nachdenken und natürlich sollte ich der Erste sein, der das tut. Aber das bedeutet nicht, dass wir uns zurückziehen werden. Im Gegenteil: Wir müssen alle mehr tun. Aber zuerst müssen wir in uns gehen, um zu verstehen und zu analysieren, was die Öffentlichkeit, […], die Einwohner und die Wähler von uns wollen", sagte Këlliçi.

Die Abgeordnete der DP im albanischen Parlament, Jorida Tabaku, reagierte ebenfalls auf die Ergebnisse der Kommunalwahlen. In einem Beitrag in den sozialen Netzwerken rief sie zur Wiederbelebung der Demokratischen Partei auf. Die DP müsse Fehler zugeben und dürfe die Tatsachen nicht verleugnen: „Wir waren nicht in der Lage, eine gemeinsame Alternative für die Demokratische Partei zu bieten, weil wir trotz des Gezänks darüber, wer was macht, davon ausgingen, dass die Menschen mit geschlossenen Augen für das Logo oder den Mythos stimmen. […] Niemand kann die Probleme bei Wahlen wie Kriminalität, Korruption, Stimmenkauf und Druck leugnen. Aber im Gegensatz zu anderen Zeiten müssen wir uns zuerst mit uns selbst auseinandersetzen! […] Die DP muss aus der Asche wieder auferstehen und eine Alternative für die Albaner sein“, so Tabaku in ihrem Statement.

Erste personelle Konsequenzen auf Seiten der DP erfolgten bereits in der Woche nach der Wahl. Am Mittwoch erklärte Enkelejd Alibeaj den Rücktritt von seiner Position als Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender im Parlament. Gazment Bardhi, der das Amt des Generalsekretärs innehat, wird Alibeajs Aufgaben als Fraktionsvorsitzender übernehmen, nachdem er von den anwesenden Fraktionsmitgliedern gewählt wurde. Der DP gehören 52 Abgeordnete an, von denen 19 Bardhi gewählt haben. Andere waren bei der Sitzung nicht anwesend, zumeist Abgeordnete, die sich der Fraktion von Sali Berisha angeschlossen haben. Auf der anderen Seite sagte Berisha, er werde sich an das Statut halten, das in der Versammlung seiner Unterstützer vom 11. Dezember 2021 verabschiedet wurde: "Der Vorsitzende, der bei den Wahlen verliert, muss eine Vertrauensabstimmung über sich ergehen lassen. Das wird auch passieren, selbst wenn die Wahlen gefälscht wurden. Ich brauche keine Alibis, denn das Statut wird angewandt", erklärte Berisha auf einer Pressekonferenz am Freitag.

 

Fazit

Die albanischen Kommunalwahlen vom 14. Mai 2023 waren geprägt von einem geringen Interesse der Bevölkerung, was sich durch eine der niedrigsten Wahlbeteiligungen im post-kommunistischen, demokratischen Albanien zeigte. Ebenso gering waren die Erwartungen der Bevölkerung an politische Veränderungen durch die Wahl und die Versprechungen der Politiker. Durch den Gewinn in 53 von 61 Gemeinden wurde auch die nationale Regierung von Premierminister gestärkt, obgleich sein Kurs in den letzten Jahren durchaus nicht unumstritten war und mit einigen Skandalen seiner Administration verbunden ist.

Nach dem Boykott der Kommunalwahlen 2019 kehrt die Opposition zurück auf die kommunale politische Ebene. Allerdings wurden mit lediglich sieben gewonnen (kleineren) Gemeinden die selbstgesteckten Ziele verfehlt. Was besonders überrascht, sind die Verluste in DP-Hochburgen wie Shkodra, Kamza und Kukes. Die zerstrittene Demokratische Partei konnte den Wählerinnen und Wählern offensichtlich kein attraktives Angebot machen. Die Partei muss jetzt eine Analyse auf allen Ebenen durchführen, um die Reformierung dieser politischen Kraft sicherzustellen – auch um die verschiedenen Fraktionen der Partei wieder zusammenzuführen. Auf der anderen Seite sollten die Regierung und ihr Premierminister Rama die vergangene Rhetorik gegen die Oppositionskandidaten vergessen und eine neue Zusammenarbeit beginnen, die auf den Grundsätzen der lokalen Demokratie, dem Rechtsrahmen der lokalen Behörden des Europäischen Rates und der guten Regierungsführung basiert. Ungeachtet der Ergebnisse und politischen Kampagnen sollten alle Vertreter des albanischen Volkes gemeinsam für ein besseres Leben und eine bessere Zukunft arbeiten.

In Bezug auf die Durchführung der Wahl ist zu begrüßen, dass trotz einiger Befürchtungen im Vorfeld der Wahlprozess selbst insgesamt ruhig verlaufen ist. Die Wahlen wurden von der ZWK im Allgemeinen gut organisiert. Insgesamt genoss die Wahlverwaltung auf allen Ebenen das Vertrauen der beteiligten Akteure. Dringend aufgeklärt und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden müssen die zahlreichen Vorwürfe des Stimmenkaufs, der Wählerbeeinflussung sowie der Wahlmanipulation. Dies ist auch ein wichtiger Punkt im Hinblick auf die weitere EU-Integration Albaniens.


[i] Siehe finale Ergebnisse der Zentralen Wahlkommission Albaniens, https://iemis.kqz.gov.al/results2023/results2023.htm#

[ii] N.B.: Im Wählerverzeichnis sind alle Albanerinnen und Albaner über 18 registriert. Ein großer Teil dieser 3,6 Millionen Menschen lebt jedoch im Ausland. Da es weiterhin keine Möglichkeit der Diasporawahl gibt, lag die Wahlbeteiligung der tatsächlich in Albanien lebenden Menschen somit höher.

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Dr. Tobias Rüttershoff

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Reuters / Gleb Garanich
24 de febrero de 2023
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