Das Amt des Hohen Vertreters (OHR) für Bosnien und Herzegowina
Seit mehr als 25 Jahren leben die Menschen in Bosnien und Herzegowina im Frieden. Bosnien und Herzegowina besteht aus den zwei Entitäten, der Föderation von Bosnien und Herzegowina und der Republika Srpska. Das unabhängige Land Bosnien und Herzegowina entstand mit dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in Folge eines Unabhängigkeitsreferendums im Jahre 1992. Im anschließend ausbrechenden Bosnienkrieg standen sich bosnisch-kroatische, bosnisch-serbische und bosniakische Streitkräfte feindlich gegenüber. Nach vier Kriegsjahren mit über 100.000 Toten, Hunderttausenden Verwundeten und Millionen Flüchtlingen konnte durch Vermittlung der internationalen Gemeinschaft das Friedensabkommen von Dayton geschlossen werden, das den Krieg beendete und die Souveränität Bosnien und Herzegowinas festschreibt. Die Verfassung des Landes ist in Annex 4 des Friedensabkommens von Dayton festgelegt. Sie garantiert die paritätische Machtteilung der drei konstituierenden Völker: bosnische Kroaten, bosnische Serben und Bosniaken. In der Realität sind die demokratischen Institutionen des Landes ineffizient und unorganisiert. Besonders die mangelhafte Rechtsstaatlichkeit hemmt die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Neben den Folgen des Krieges wirken zusätzlich die Probleme einer postkommunistischen Gesellschaft.
Das Amt des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina (Office of the High Representative, OHR) hat die Aufgabe, die politische Situation stabil und bereit für den EU-Weg des Landes zu halten und alles zu tun, um Frieden, Sicherheit und Versöhnung zu gewährleisten.
Der Frieden kam nach schwierigen Verhandlungen 1995 durch das Friedensabkommen von Dayton zustande. Große Hoffnungen und Erwartungen waren mit der Einwicklung in Bosnien und Herzegowina verbunden. Die Situation blieb jedoch fragil, da verschiedene Personen und Bewegungen den Frieden, die Stabilität und das Funktionieren des Landes in Frage stellten. Immer wieder gab es Rückschläge.
Im Annex X des Daytoner Friedensabkommens wurde die Einrichtung des Amtes des Hohen Vertreters vereinbart. Ziel war und ist, das politische System in Bosnien und Herzegowina aufzubauen. Der Hohe Vertreter in Bosnien und Herzegowina wird vom Friedensumsetzungsrat (PIC) ausgewählt, einem weiteren politischen Gremium, das die Befugnis hat, Frieden und Stabilität in Bosnien und Herzegowina zu überwachen und versichern. Der PIC besteht aus Vertretern von 55 Ländern. Diese Länder unterstützen den Friedensprozess innerhalb des Rates oder mit individuellen Aktivitäten, indem sie Projekte finanzieren, direkte Operationen durchführen oder Militärpersonal für die SFOR zur Verfügung stellen (Nachkriegs-Friedensmission in Bosnien und Herzegowina, später durch EUFOR ersetzt).
Starke Befugnisse des Hohen Vertreters
Das OHR hat den Status einer diplomatischen Mission in Bosnien und Herzegowina, und ausländische Diplomaten, die dort arbeiten, werden von Ländern ernannt, die Mitglieder des PIC sind. Aktuell sind 13 ausländische Diplomaten und 76 Mitarbeiter aus Bosnien und Herzegowina in einem der drei OHR-Büros in Sarajevo, Banja Luka und Bratunac tätig. Das Budget des OHR für 2020/21 beträgt 5,3 Millionen Euro und wird vom PIC und seinen Mitgliedsländern finanziert. Die EU trägt 54 %, die USA 22 %, Japan 10 %, Kanada 3 % und Russland 1 % der Kosten. Weitere Staaten und internationale Organisationen tragen 10 %.
Nach dem Bosnienkrieg war der OHR der stabilisierende Faktor in Bosnien und Herzegowina. Die Organisation hat vielfach die Einhaltung von internationalem und nationalem Recht gesichert. Mit zunehmender Komplexität des Handelns übten Politiker aus Bosnien und Herzegowina, aber auch von einigen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft und des PIC, wie beispielsweise Russland, Kritik am OHR.
Die in Anhang X beschriebenen Befugnisse des Hohen Vertreters bestehen unter anderem darin, die Umsetzung der Friedensregelung zu überwachen, die Teilnahme und Koordinierung der Aktivitäten ziviler Organisationen in Bosnien und Herzegowina, sowie interessierten Regierungen und internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen und der Europäischen Union über den Fortschritt der Umsetzung des Friedensabkommens Berichte zu erstatten.
Neben der Wahl des neuen Hohen Vertreters entscheidet der PIC auch über die Vorschriften und die Gestaltung der Befugnisse und Aufgaben des Hohen Vertreters. Diese werden in Sitzungen ausgehandelt, und in der Nachkriegszeit wurden viele neue Änderungen an den Befugnissen und Zielen dieses Amtes in Bosnien und Herzegowina vorgenommen, die von einem Teil der politischen Akteure des Landes kritisiert wurden. Die größte Änderung in Bezug auf die Befugnisse und Aufgaben der Institution des Hohen Vertreters erfolgte während der Konferenz in Bonn im Dezember 1997. Der PIC erteilte dem OHR weitere Befugnisse, die seine Rolle und seinen Einfluss auf BiH in den nächsten Jahren prägten. Die sogenannten „Bonn Powers“ ermöglichten es dem OHR, einen viel stärkeren Einfluss auf das Land auszuüben.
Umfang der Befugnisse:
- verbindliche Entscheidungen treffen (hauptsächlich, wenn lokale Vertreter nicht bereit oder nicht in der Lage sind, eine Entscheidung zu treffen)
- Entfernung öffentlicher Vertreter und Beamten aus dem Amt, die eine Bedrohung für den Frieden und die Stabilität des Landes darstellen oder allgemein gegen gesetzliche Verpflichtungen verstoßen.
Aktive oder passive Rolle des OHR
Das Büro des Hohen Vertreters kann einen immensen Einfluss auf das heutige Bosnien und Herzegowina ausüben. Einige der wichtigsten Symbole von Bosnien und Herzegowina, wie die Flagge und die Hymne, wurden vom OHR ausgewählt, da politische Vertreter in Bosnien und Herzegowina keine Einigung dazu erzielen konnten. Die Einführung der „Bonn Powers“ war ein Wendepunkt und ermöglichte es dem OHR, Beamte zu entlassen und zu ersetzen, die illegale, korrupte oder hasserfüllte Aktivitäten begangen hatten und den Frieden und die Rechtsstaatlichkeit im Land gefährdet hatten.
Jedoch wurden die „Bonn Powers“ seit 2012 nicht mehr angewandt. Heute wird die Rolle des OHR oft als beratend – die Institution warnt Beamte und Vertreter vor Gesetzesverstößen – wahrgenommen. Darüber hinaus erstellt das OHR fortlaufende Berichte über die Fortschritte und die Situation in Bosnien und Herzegowina. Einer dieser Berichte sind die Halbjahresberichte des OHR an die Vereinten Nationen.
Bisher stammten die sieben Hohen Vertreter alle aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Hohen Vertreter in Bosnien und Herzegowina waren:
- Carl Bildt, Schweden (1995-1997)
- Carlos Westendorp, Spanien (1997-1999)
- Wolfgang Petritsch, Österreich (1999-2002)
- Paddy Ashdown, Vereinigtes Königreich (2002-2006)
- Christian Schwarz-Schilling, Deutschland (2006/2007)
- Miroslav Lajčak, Slowakei (2007-2009)
- Valentin Inzko, Österreich (seit 2009)
Kritik am OHR richtet sich einerseits gegen die Machtfülle der Institution. Zum anderen wird die angebliche Inaktivität des OHR kritisiert. Dabei ist die Kritik oft lediglich Baustein der politischen Auseinandersetzung.
Laut der Umfrage zur Wahrnehmung der Bürger von Bosnien und Herzegowina im Jahr 2016 , die von USAID in Bosnien und Herzegowina durchgeführt wurde, hatten 89 % der Befragten in Bosnien und Herzegowina vom OHR gehört, was das OHR zur bekanntesten politischen Institution der internationalen Gemeinschaft macht, gefolgt von den Botschaften der USA und der Europäischen Union. Laut derselben Umfrage glaubten 52 % der Menschen, dass sich die internationale Gemeinschaft aktiver in Bosnien und Herzegowina engagieren sollte, jedoch glauben nur etwa 2-3 % der Befragten, dass das OHR der einflussreichste internationale politische Stakeholder in Bosnien und Herzegowina sein sollte. Die höchste Unterstützung für diesen Bereich hat die EU mit 44 %.
Einige der bekanntesten Politiker in Bosnien und Herzegowina sind auch die stärksten Kritiker des OHR. Dazu gehört das Mitglied der Präsidentschaft aus der Republika Srpska, Milorad Dodik. „Wir haben die Forderungen anderer (Ausländer) satt. Inzko hat keine Unterstützung auf lokaler Ebene, aber Inzko arbeitet gegen zwei konstituierende Völker, die den Frieden bewahren wollen. Stoppen Sie dieses Monster, das versucht, uns Lösungen
aufzuzwingen, die wir nicht haben wollen. Als nicht gewählter Ausländer mit wenig Wissen wird Böswilligkeit zum Zerfall führen“, sagte Dodik während seiner Rede auf einem informellen Forum vor dem UN-Sicherheitsrat, das von dem russischen Vertreter bei den UN am 24.11.2020 organisiert worden war.
Die Rede von Dragan Čović, dem Präsidenten der HDZ BiH auf derselben Veranstaltung, enthielt mildere Kritik: „Bosnien und Herzegowina wurde auf der Grundlage der Gleichheit von drei Völkern – Bosniaken, Serben und Kroaten – geschaffen, die mehr als 97 Prozent aller Bürger repräsentieren. Einige Schritte des Hohen Vertreters in Bosnien und Herzegowina haben zu Problemen geführt. Die meisten Probleme für das kroatische Volk wurden durch die Änderungen des Wahlgesetzes verursacht. Bei drei Gelegenheiten wurde ein unrealistischer Vertreter des kroatischen Volkes durch Wahlingenieurwesen in die Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina gewählt“ , sagte Čović.
„Wir fordern den Hohen Vertreter auf, zu reagieren und die Bonner Befugnisse einzusetzen. Wir fordern ihn auf, die Entscheidungen der Nationalversammlung der Republika Srpska (NARS) über die Auszeichnung von Karadžić und anderen verurteilten Kriegsverbrechern aufzuheben", sagte der Präsident der der SDA Bakir Izetbegović auf einer Pressekonferenz nach der Sitzung der SDA-Präsidentschaft am 21.2.2020.
Die Unterzeichner des Friedensabkommens von Dayton haben unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft. Ein Großteil der Inhalte des Abkommens wurde umgesetzt. Erfolge und Fortschritte waren und sind vorhanden.
Im Februar 2016 stellte Bosnien und Herzegowina den Antrag, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Der Weg nach Brüssel ist weit. Die Nachbarn waren und sind dabei erfolgreicher. Die Aufgabe eines neuen OHR ist nicht allein die Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton. Es geht um die Zukunft des Landes in den Strukturen Europas. Sie allein bieten den Menschen im Land ein Leben Demokratie und Freiheit.
Dieser Weg ist die schwierigste und wichtigste Aufgabe für jeden zukünftigen OHR. Das Ausscheiden von Inzko steht bevor. Am 20. Januar hat die Bundesregierung die Benennung von Bundesminister a.D. Christian Schmidt, MdB, als deutschen Kandidaten für das Amt des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina beschlossen.
Proporcionado por
Auslandsbüro Bosnien und Herzegowina
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